Limburg: Vom Provisorium zur modernen Klinik

50 Jahre Neurologie am St.-Vincenz-Krankenhaus, seit 1998 auch als Hauptabteilung
Limburg -Die medizinische Versorgung in unserer ländlichen Region hat in den vergangenen Jahrzehnten bedeutende Fortschritte gemacht. Die Bürger setzen heute Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten als selbstverständlich voraus, die Menschen früherer Generationen lange verschlossen blieben. Ein Fachgebiet, das eine rasante Entwicklung genommen hat, ist die Neurologie. Diese Abteilung hat am St.-Vincenz-Krankenhaus in einem halben Jahrhundert große Leistungen erbracht, die eine Feier verdient hätten. Stattdessen geht das Jubiläum unbemerkt in der täglichen Arbeit unter.
Im Frühjahr 1970 schlug die Geburtsstunde der Neurologie am alten Vincenz am Roßmarkt. Sie war ein Provisorium. Dem im Stadtgebiet niedergelassenen Facharzt Dr. Karlheinz Beer wurden dort sechs Belegbetten zugewiesen - mit der Zusage, dass seine kleine Abteilung nach Fertigstellung des neuen St. Vincenz am Schafsberg auf 14 Betten wachsen dürfe. Damit wurde erstmals eine stationäre und ambulante neurologische Versorgung in der Region zwischen Wiesbaden, Gießen und Koblenz geschaffen. Zum Vergleich: Mit der Fertigstellung des neuen Talbaus wurde 2018 die Neurologie auf 56 Betten ausgeweitet.
Als diagnostisches Hilfsmittel stand der neuen Abteilung damals für Untersuchungen ein elektrophysiologisches Laboratorium zur Verfügung. In Zusammenarbeit mit der Radiologie konnten Röntgen-Kontrast-Untersuchungen der Hirngefäße durchgeführt werden. Die damalige Diagnostik erlaubte unter anderem die Feststellung von Schädel-Hirnverletzungen, Blutungen im Schädel nach Unfällen zu erkennen oder auch Geschwülste sowie Nerven- und Muskelerkrankungen auf die Spur zu kommen.
Zahl der Belegbetten kontinuierlich erhöht
In der Folgezeit entwickelte sich die Abteilung stetig weiter, so dass die Belegbetten allmählich für 23 Kranke erweitert wurden. Ein wichtiger medizinischer Fortschritt der modernsten Entwicklung war unter anderem die Aufstellung eines Computer- und später eines Kernspintomographen in Zusammenarbeit mit der röntgenologischen Praxis Killmann und Kollegen am Neumarkt.
Dr. Beer musste 1996 nach fast 26-jähriger Tätigkeit und Aufbauarbeit als leitender Arzt krankheitsbedingt ausscheiden. Sein Praxisnachfolger Markus Beul, Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, führte die Abteilung gemeinsam mit der in der Klinik tätigen Neurologin und Psychiaterin Dr. Heike Habedank weiter, wobei im selben Jahr ein Brandschaden zur vorübergehenden Einschränkung der Belegung führte.
Ein neues Zeitalter begann für die Neurologie am 1. Oktober 1998. Der Verwaltungsrat hatte beschlossen, unter der Leitung des neuen Chefarztes Dr. Christoph Oberwittler die Beleg- in eine Hauptabteilung umzuwandeln und das diagnostische wie therapeutische Spektrum zu erweitern. Die Schlaganfall-Akutstation wurde zusammen mit der Medizinischen Klinik geführt und stand gemeinsam mit der kardiologischen Diagnostik rund um die Uhr für die Schlaganfallbehandlung zur Verfügung. 1999 konnten erstmals CT- oder Kernspinbilder in die Uniklinik Gießen versandt und in einer Video-Konferenz besprochen werden.
In der Neurologie werden Patienten mit allen organischen Erkrankungen des Gehirns, des Rückenmarks, der peripheren Nerven und der Muskulatur behandelt - viele davon als Notfall. Seit 1999 ist die Neurologie des St. Vincenz zugleich Ausbildungskrankenhaus für Studenten im Praktischen Jahr und junge Ärzte in der Weiterbildung zum Facharzt für Neurologie. Das gesamte heutige Leistungsspektrum darstellen zu wollen, würde den Rahmen sprengen. Es reicht von der akuten Schlaganfallbehandlung auf der "Stroke Unit", der Ultraschalldiagnostik des Hirnkreislaufs, über die Untersuchung der Hirnströme mit Videoaufzeichnung (EEG), Schwindeldiagnostik, elektrische Untersuchungen der Muskulatur und peripherer Nerven bis hin zum Demenz- und Schlafapnoe-Screening sowie der Neuroimmunologischen Therapie der MS und einer seit mehr als 20 Jahren von Dr. Oberwittler betriebenen Ermächtigungsambulanz für Botulinum-Toxin-Therapie mit überregionalem Einzugsgebiet. Die Lage der Stroke Unit unmittelbar über der Zentralen Notaufnahme und der neuen Radiologie beschleunigt die Abläufe für akute Schlaganfallpatienten, bei denen es auf jede Minute ankommen kann.
Die Zahl der Patienten hat kontinuierlich zugenommen. Bereits 1999 wurden etwa 1000 stationär aufgenommen, davon 40 Prozent Notfälle. 2003 waren es bereits 1650 Patienten, so dass im März des Folgejahres nach neunmonatiger Bauzeit neue Räume der operativen Intensivmedizin, der Neurologie sowie weitere Räume freigegeben wurden, die damals bereits 3.6 Millionen Euro kosteten. Allein 2019 wurden im St. Vincenz 2600 Patienten stationär aufgenommen, davon etwa 90 Prozent als Notfälle. Von Dieter Fluck
