Polizei löst Demo gegen Corona-Auflagen auf

Limburg: 150 "Spaziergänger" ziehen durch die Innenstadt
Limburg -Am Montag, 18 Uhr, ist es wieder so weit. Vor dem alten Limburger Rathaus treffen sich nach eigenen Angaben "rein zufällig" etwa 150 Menschen, die alle "einfach nur mal ihr freies Bürgerrecht in Anspruch nehmen" und einmal eine Runde durch Limburg spazieren wollen. Dass es wie derzeit in vielen deutschen Städten um einen Protest gegen die Corona-Politik der Bundesregierung geht, will keiner der "Spaziergänger" bestätigen, die auf dem Europaplatz herumstehen.
Sich als Journalist zu erkennen zu geben und nach einem Ansprechpartner zu fragen, führt zu nichts. "Das ist hier keine Demo und darum gibt es auch keinen Versammlungsleiter. Man wird ja wohl hier in Limburg einfach nur spazieren gehen können", antwortet ein Teilnehmer. Die Leute stehen überwiegend stumm herum, bis ein Mann mit Spazierstock laut ruft: "So, ich gehe dann mal spazieren." Natürlich wieder rein zufällig haben alle anderen auch in diesem Moment dasselbe Bedürfnis und gehen in Richtung Schiede-Kreuzung.
Auf dem Europaplatz wimmelt es von Polizeiautos, doch von den Polizisten greift zunächst niemand ein. Lust auf Pressefotos haben die Spaziergänger - größtenteils ohne Masken - definitiv nicht. Man wird gefragt, was man hier zu suchen habe. Wirklich bedrohlich wird es aber nicht. Ein früherer Mandatsträger der Freien Wähler sagt zu dem NNP-Mitarbeiter: "Mit dir spricht eh keiner. Ich spreche nur mit dir, weil wir uns kennen."
Das frühere Ortsbeiratsmitglied erzählt, dass er bei den Freien Wählern ausgetreten sei, weil die anderen ein Problem damit gehabt hätten, dass er sich gegen die Impfung geweigert habe. Er sei ja gesund und sehe nicht ein, warum er sich impfen oder testen lassen soll. Der Mann sagt, dass er weder ein Corona-Leugner noch ein Impfgegner oder gar ein Rechtsextremer sei. Faschisten seien für ihn diejenigen, die zulassen, wie Nichtgeimpfte mittlerweile behandelt werden. Wenn er ohne Impfausweis nicht mehr bei Karstadt rein dürfe, erinnere ihn das an düstere Zeiten.
Der frühere Lokalpolitiker behauptet, dass die Presse komplett von der Regierung gekauft sei und darum keiner mehr kritisch berichte. Eine "harmlose Erkältung" werde zur Pandemie aufgebauscht, um die Gesellschaft zu spalten und die deutsche Wirtschaft zu zerstören, behauptet er. Unter dem Vorwand Corona habe die Politik leichtes Spiel, immer stärker in die Freiheit der Bürger einzugreifen. Er ermahnt den NNP-Mitarbeiter, "doch mal richtig zu recherchieren".
Was er selbst unter guter Recherche versteht, offenbart er kurz darauf mit abenteuerlichen Thesen: Prof. Christian Drostens Doktorarbeit sei verschwunden, behauptet er. Drosten habe keine Kopie vorlegen können - eine Aussage, die sich bei einer Internetrecherche als offensichtlich falsch entpuppt. Ein zufällig vorbeikommender Ex-Gremienkollege des Freien Wählers von der CDU erzählt: "Weißt du eigentlich, dass meine Ex-Frau fast an Corona gestorben wäre?"
Das Weltbild der "Spaziergänger" ist offenbar schwarz-weiß gefärbt: Sie sehen sich als die Guten, Politiker und Medien als die Bösen. Eine Sichtweise, die die Polizei Westhessen entkräftet: Einer der Spaziergänger habe behauptet, dass die Polizei am Montagabend grundlos eine junge Mutter am Bahnhof angegriffen habe. Das erwies sich laut Polizei als glatte Lüge. Ein solcher Vorfall sei der Polizei überhaupt nicht bekannt. Die Teilnehmer hätten beim Gehen auch eine Maske tragen müssen, weil sie die Abstände nicht einhielten. Wie die Polizei weiter mitteilte, wurde die Versammlung aufgelöst, und die Teilnehmer wurden des Platzes verwiesen, da sich unter anderem niemand als Versammlungsleiter zu erkennen gegeben habe.
Die Polizei bestreitet ebenfalls, Teilnehmer des Spaziergangs vor einer Woche auf dem Neumarkt "eingekesselt" zu haben. Eine Personalienfeststellung sei jedoch aufgrund von Verstößen gegen das Versammlungsgesetz und Versammlungsauflagen notwendig gewesen.