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„Axtmord“ in Limburg: Die wichtigsten Fragen und Antworten

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Am 12.05.2020 beginnt der Prozess um den sogenannten „Axtmord“ in Limburg. Der Angeklagte Imad A. und sein Verteidiger Wolfgang Stahl.
Am 12.05.2020 beginnt der Prozess um den sogenannten „Axtmord“ in Limburg. Der Angeklagte Imad A. und sein Verteidiger Wolfgang Stahl. © Joachim Heidersdorf/FNP

Die Schuldfrage ist unstrittig, der Tatablauf des „Axtmord“ klar. Zwölf Fragen und Antworten zum „Prozess des Jahres“ in Limburg und den äußeren Umständen.

Worum geht es?

Imad A. hat am 25. Oktober 2019 in der Limburger Weiersteinstraße mit einem Auto gezielt seine Frau umgefahren und anschließend mit mehreren wuchtigen Schlägen mit einer Axt und einem Beil ihren Kopf zertrümmert. Sana war mit den beiden Kindern Ende Juli ins Limburger Frauenhaus geflüchtet, wo sie ihr Mann ausfindig machte. Am 25. Oktober beobachtet der Deutsche mit tunesischen Wurzeln die 31-Jährige von einem Parkplatz am Bahnhof aus. Sie bringt den Sohn und das Mädchen in die Kita und ist auf dem Rückweg. Imad dreht langsame Runden im Kreisel und gibt um 8.22 Uhr Vollgas. Innerhalb von fünf Sekunden beschleunigt er den Audi A 6 Avant von ca. 44 auf 89 km/h und rast auf seine Frau auf dem Bürgersteig zu. Sana bekommt nichts mit. Sie wird von hinten erfasst und 22,5 Meter weit nach vorn geschleudert. Ihr Körper verdreht Verkehrsschilder an einer Straßenlaterne in 3,60 Meter Höhe. Der Unfall ist die Todesursache. Der Wagen kracht in eine Hauswand. Zwei Zeugen ziehen den eingeklemmten Fahrer aus dem Wrack. Imad sammelt sich kurz und zielt mit einer Waffe auf die Helfer. Der Täter holt von der Rückbank ein 30 Zentimeter langes Küchenbeil und aus dem Kofferraum eine 45 Zentimeter lange Axt. Schlägt mehrfach auf Kopf und Hals, schreit dabei laut "Blöde Schlampe" und "Du hast es ja so gewollt". Das Opfer wird fast enthauptet.

Was ist mit den Kindern?

Sie sind bei einer Pflegefamilie an einem geheimen Ort. Das Jugendamt tritt im Prozess für den inzwischen vierjährigen Jungen und das im nächsten Monat drei Jahre alt werdende Mädchen als Nebenkläger auf.

Limburg: Prozessbeginn nach „Axtmord“ - Schuldfähigkeit umstritten

Wie lautet die Anklage?

Die Staatsanwaltschaft Limburg legt Imad A. heimtückischen Mord aus niedrigen Beweggründen zur Last. "Durch sein Handeln wollte er seine Frau dafür bestrafen, dass sie ihn mit den Kindern verlassen und sich seinen Wünschen widersetzt hatte", heißt es in der Anklage. Nebenbei geht es um die Gefährdung des Straßenverkehrs durch den absichtlich herbeigeführten Unfall und die Bedrohung von Menschen mit einer Schusswaffe. Die Anklage wegen des fehlenden Waffenscheins hat das Gericht auf Antrag des Verteidigers mangels hinreichenden Tatverdachtes nicht zugelassen.

Was sagt der Angeklagte?

Gegenüber den Ermittlern hat er sich nicht zur Tat geäußert, jedoch später im Rahmen des psychiatrischen Gutachtens. Dabei hat er die Tötungsabsicht zugegeben. Angeblich soll er gesagt haben, er habe seine Frau erstechen wollen, es sich aber kurzfristig anders überlegt. Was dafür spricht: Nach Informationen dieser Zeitung hat Imad sich im Internet über das Vorgehen des "Schwertmörders" in Stuttgart informiert. Was dagegen spricht: Er hat 16 Stunden vor der Tat, als "Mordwaffe" einen PS-starken Audi A 6 Avant, neuestes Modell, mit 150 KW gemietet. Imad A. werde sich zu Beginn des Verhandlung voraussichtlich zur Tat äußern, sagt Verteidiger Wolfgang Stahl.

Verteidiger Wolfgang Stahl.
Verteidiger Wolfgang Stahl. © Privat

Ist Imad A. voll schuldfähig?

Das ist die spannendste Frage des Prozesses - und für das Urteil die entscheidende. Ja, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Hans-Joachim Herrchen, und bezieht sich auf das psychiatrische Gutachten. Abwarten, kontert Verteidiger Wolfgang Stahl. Er betont, dass es sich um ein vorläufiges Gutachten handelt und somit auch nur um ein vorläufiges Ergebnis. "Die Staatsanwaltschaft Limburg hat mit dem Konjunktiv und der Unschuldsvermutung erhebliche Probleme und verkündet ihre Anklagehypothese oder das vorläufige Ergebnis des Sachverständigen, als handele es sich um bereits feststehende Tatsachen", sagt der Anwalt. Er habe das Gutachten von zwei aktiven Universitätsprofessoren methodenkritisch überprüfen lassen. "Nach deren für mich ausgesprochen gut nachvollziehbarer Bewertung besteht noch erheblicher gutachterlicher Erörterungsbedarf", so Stahl.

Verteidiger zweifelt an Schuldfähigkeit: „Axtmord“-Prozessbeginn in Limburg

War der Täter angetrunken oder krank?

Die Blutuntersuchung nach der Tat ergab weder Alkohol- noch Drogeneinfluss. Imad war vorher wochenlang krankgeschrieben. Angeblich soll er aufgrund der Sorge um die Kinder psychische Probleme gehabt haben. Als er Mitte Oktober von den Anzeigen wegen Körperverletzung erfuhr, soll er sehr angeschlagen gewesen und zu einer Psychotherapeutin gegangen sein. Seiner Schwester soll er nach der Tat geschrieben haben, es sei wohl etwas Schlimmes passiert, aber er wisse nicht, was.

Welche Strafe erwartet den Angeklagten?

Eine lebenslange Haftstrafe, die frühestens nach 15 Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden kann - wenn er wegen Mordes verurteilt werden sollte. Alles andere wäre für die meisten Beobachter eine große Überraschung. Nur nicht für Wolfgang Stahl. Er hält es für durchaus denkbar, das sein Mandant nicht "Lebenslänglich" bekommt. Erstens wegen der möglichen verminderten Schuldfähigkeit, zweitens, weil das angeklagte Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe nach der Rechtsprechung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs bei "Intimiziden" nicht unproblematisch sei. Im Raum steht dagegen auch die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld; in diesem Fall käme der Täter auch nach 15 Jahren nicht frei. Eine Wiederholungsgefahr dürfte die Kammer nicht sehen. Andererseits könnte sein Verhalten nach dem Unfall - der absolute Vernichtungswille - ein Kriterium dafür sein.

Limburg: Alle Hintergründe zum Prozessbeginn gegen „Axtmörder“ 

Was ist zu den Hintergründen bekannt?

Sana hat das gemeinsame Haus in Nickenich (bei Mendig in Rheinland-Pfalz) Ende Juli mit den Kindern verlassen, weil ihr Mann sie mehrfach heftig ins Gesicht geschlagen haben soll - und zumindest einmal auch den Sohn. Anfangs bemüht Imad sich freundschaftlich um einen Kontakt. Seine Sorge gilt den Kleinen, die er unbedingt bei sich haben will. Das Blatt wendet sich nach ein paar Wochen. Sana zeigt Imad nach Gesprächen mit Mitarbeiterinnen des Frauenhauses an. Erst wird ihm ein Annäherungsverbot zugestellt, gegen das er mehrmals verstößt, Mitte Oktober dann die Vorladung für den 29. Oktober. An diesem Tag sollte auch das Sorgerechtsverfahren geführt werden. Imad muss dadurch klar geworden sein, dass er nicht mehr mit den Kindern zusammenleben kann. Er fasst den Entschluss, seine Frau umzubringen. Sana, die bis dahin keine Angst vor ihm hat, fürchtet sich, fühlt sich verfolgt und sucht eine Wohnung. 2012 haben die beiden in Tunesien geheiratet, wo Sana Lehrerin war. Die Ehe soll von den Eltern des Paars arrangiert gewesen sein. 2013 der Umzug nach Andernach. Dort und in der Umgebung leben Imads Eltern und drei Geschwister. Er arbeitet als Maschinenführer; seit Frühjahr 2019 zusätzlich als Minijobber.

Warum hat Imad auf die Polizei gewartet, obwohl er sich tarnen wollte?

Interessante Frage. . . Imad hat sich kurz vor der akribisch geplanten Tat einen Bart und eine Perücke gekauft. Die Ermittler finden die Utensilien im Auto. Außerdem eine Axt, zwei Küchenbeile, drei Messer, Pfefferspray mit Patronen, eine geladene Schreckschusswaffe, Klebeband und Einweghandschuhe. Nach dem Verbrechen will er jedoch nicht fliehen. Etwa zwei Minuten lang geht er auf dem Parkplatz ruhig hin und her, wartet geduldig auf die Polizei und legt sich bei ihrem Eintreffen mit ausgestreckten Armen auf den Bauch. "Das bisherige Ergebnis der Ermittlungen rechtfertigt nach meiner Auffassung zwar den Verdacht, dass mein Mandant die konkrete Tat geplant haben könnte; offensichtlich ist diese Hypothese der Staatsanwaltschaft aber keineswegs. Sie stellt lediglich einen von mehreren denkbaren Handlungsverläufen dar", sagt Stahl.

Die wichtigsten Fragen zum „Axtmord“-Prozess in Limburg beantwortet

Wie hat der Mann das Versteck im Frauenhaus ausfindig gemacht?

Fest steht, dass Imad Mitte August einen Detektiv beauftragt hat, den Aufenthaltsort seiner Frau herauszufinden. Der Detektiv beobachtet eine Freundin von Sana, zu der sie nach dem Auszug geflohen ist, und kommt so schnell auf das Frauenhaus. Nach Informationen dieser Zeitung soll der Mann allerdings schon vorher das Versteck gekannt und dies auf einem Video dokumentiert haben. "Dazu wird mein Mandant sich gegenüber dem Gericht erklären", kündigt Verteidiger Stahl an.

Wie läuft der Prozess ab?

Die Strafsache 2 Ks-3 Js 16571/19 beginnt um 9 Uhr im Saal 129 des Landgerichts (LG). Morgen wird die Anklage verlesen und dem Angeklagten die Gelegenheit gegeben, sich zu erklären. Die ersten der 14 geladenen Zeugen sagen am 20. Mai aus. Weitere Termine sind für den 25. und 29. Mai, 2. und 4. Juni angesetzt. "In Abhängigkeit vom Verlauf der Hauptverhandlung werden weitere Termine bestimmt werden", sagt LG-Sprecher Henrik Gemmer.

Limburg: Prozessbeginn nach „Axtmmord“ - Volle Schuldfähigkeit?

Vors. Richter Dr. Andreas Janisch. Staatsanwältin Sabine Hönnscheidt.Wer sind die Hauptakteure?

Vors. Richter Dr. Andreas Janisch.
Vors. Richter Dr. Andreas Janisch. © Privat
Staatsanwältin Sabine Hönnscheidt.
Staatsanwältin Sabine Hönnscheidt. © Anken Bohnhorst-Vollmer

Vorsitzender Richter der 2. Schwurgerichtskammer ist LG-Vizepräsident Dr. Andreas Janisch. Er gilt als sehr erfahren, besonnen und ruhig; scheut sich nicht vor harten Urteilen. Ihm zur Seite sitzen Tanja Schmidt und Matthias Arz. Ein bewährtes Team: In dieser Besetzung hat die Kammer bereits im November 2015 im "Geisterfahrer"-Prozess verhandelt. Die Anklage vertritt Sabine Hönnscheidt, Dezernentin der Staatsanwaltschaft Limburg für Kapitaldelikte. Das Jugendamt tritt als gesetzlicher Vertreter der Kinder als Nebenkläger auf.

Wahl-Verteidiger Wolfgang Stahl zählt zu den renommiertesten Strafverteidigern Deutschlands. Das Magazin "Focus" bezeichnet ihn als "rhetorisch versiert, höflich im Ton, hart in der Sache". Psychiatrischer Gutachter ist Prof. Dr. Hartmut Berger aus Frankfurt. Als Kfz-Sachverständiger analysiert Christian Wellstein von der Dekra in Mainz die Todesfahrt. Dr. Gabriele Lasczkowski vom Institut für Rechtsmedizin in Gießen berichtet über das Obduktionsergebnis. Die Forensiker stellten 18 Hiebverletzungen sowie eine Vielzahl weiterer schwerster Verletzungen fest.

Wie viele Zuschauer können dabei sein?

Aufgrund des vorgeschriebenen Mindestabstands von 1,50 Meter nur 13. Einlass wird ab 8.30 Uhr nach der Reihenfolge des Erscheinens gewährt. Auch die Zahl der Medienvertreter wird stark verringert: Für Journalisten sind sechs Sitzplätze reserviert.

Joachim Heidersdorf

Überraschung zum Prozessauftakt gegen den sogenannten „Axtmörder“ in Limburg: Imad A. wollte nicht nur seine Frau töten, sondern auch sich selbst. Das sagte sein Verteidiger Wolfgang Stahl. “Axtmord„ in Limburg: Am vierten Verhandlungstag haben Zeugen des bestialischen Verbrechens ausgesagt. Der Starverteidiger wird jetzt vom Staat bezahlt.

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