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"Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen"

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Von: Sabine Rauch

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Das Ehrenamt gehört dazu - auch in Zeiten von Corona: Damit das Lädchen geöffnet bleiben kann, arbeiten Evi Grasmäher (von links) , Ulla Laux, Edmund Muth und Alexander Rill eben mit Maske und dem nötigen Abstand. © Sabine Rauch

Am 5. Dezember ist der internationale Tag des Ehrenamts. Sechs von ihnen aus dem Kreis Limburg-Weilburg berichten von den aktuellen Herausforderungen.

Limburg-Weilburg -Wer arbeitet, um Geld zu verdienen, hat in den Zeiten von Corona verschiedene Optionen: Er kann den Computer zu Hause nutzen, aufs Telefonieren umsteigen, sich, wenn das nicht geht, hinter Plexiglaswände zurückziehen, immer auf den Sicherheitsabstand achten, Hände waschen, Mund-Nasenschutz tragen oder zur Not umsatteln. Wer kein Geld mit seiner Arbeit verdient, muss sich noch mehr ins Zeug legen, muss Hygienekonzepte entwickeln, immer wieder neue Vorgaben umsetzen und ist dann vielleicht doch zur Untätigkeit verdammt. Nur eines eint alle - die Berufstätigen und diejenigen, die sich ehrenamtlich engagieren: Otto Hattler, der Vorsitzende der Hospizdienste Limburg, formuliert es so: "Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen."

Er und die anderen Mitglieder des Vereins gehören zu denen, die in Tagen wie diesen zum Müßiggang gezwungen sind. Sie haben nur noch wenig zu tun, Besuche in Altenheimen sind schwierig geworden, zu groß ist die Angst vor Ansteckung. "Begleitung in der letzten Sterbephase ist derzeit kaum möglich, obwohl Corona da ja gar kein Thema mehr sein dürfte." Und auch in den Familien sind die Hospizbegleiter in Zeiten der Pandemie nur noch selten willkommen. Obwohl niemand Zweifel daran hat, dass Sterbebegleitung auch und vielleicht gerade in diesen Zeiten wichtig ist, und dass viele alte Menschen mehr Angst vor der Einsamkeit als vor Corona haben.

Otto Hattler erinnert sich an einen Mann, den er lange begleitet hat: Im Frühjahr durfte er ihn dann nicht mehr im Heim besuchen, nur noch am Telefon mit ihm sprechen. Trotzdem ist Otto Hattler immer wieder nach Bad Camberg gefahren, brachte die gewünschte Schokolade mit, hat das Päckchen vor der Tür abgegeben und dann einmal durch die Scheibe gewunken. "Der Mann ist einsam verstorben."

Gemeinsam üben für

blindes Verständnis

Einsam ist Jürgen Lang nicht, und auch ansonsten geht es ihm gut. Aber die Kameradschaft in der Feuerwehr, die fehlt ihm schon. Und das auch aus pragmatischen Gründen: "Feuerwehr ist Teamwork, ein Einzelner ist da verloren", sagt der Kreisbrandmeister und Wehrführer der Freiwilligen Feuerwehr Kirberg. Aber um ein gutes Team zu sein, müsse man auch gemeinsam üben, "damit wir uns im Notfall blind aufeinander verlassen können". Aber die Übungen fallen wieder aus, die Theorie findet seit ein paar Wochen wieder online statt. "Die Sozialkontakte sind völlig weggebrochen."

Und die Ausbildung der Feuerwehrleute hat sich ebenfalls geändert - notgedrungen. Von März bis Juni fanden gar keine Lehrgänge statt. Dann stand das Hygienekonzept, ein neuer Lehrgang konnte beginnen - und musste wieder abgebrochen werden. Dabei hätten die Brandbekämpfer jetzt Zeit für die Ausbildung: Die Zahl der Einsätze ist seit Beginn der Pandemie gesunken, die meisten Freizeitaktivitäten sind verboten, auch die Feuerwehrleute machen es sich zu Hause bequem. Und was ist, wenn die Pandemie einmal vorbei ist? "Ich habe Angst, dass die Leute nicht mehr wiederkommen", sagt Jürgen Lang. Zum Glück sei die Kirberger Feuerwehr gut aufgestellt, auch in Sachen Nachwuchs. Aber es gebe ja auch Feuerwehren, bei denen es anders aussieht. Die dann bangen müssen, ob die Jugendlichen lieber zocken als wieder zur Feuerwehr zu gehen.

Die Angst um den Nachwuchs spielt auch im Sport eine Rolle. "Wir hatten gerade mit dem Wintertraining angefangen und mussten es dann wieder einstellen", sagt Walter Haas, der Vorsitzende der Leichtathletikfreunde Villmar. Das gemeinsame Training und natürlich auch die Wettkämpfe fehlten den Athleten. "Sportler wollen sich ja auch messen." Damit das in diesem Jahr nicht ganz ausfällt, hatten die Leichtathletikfreunde zum Sommersportfest und zum Werfer- und Stoßertreffen eingeladen. Jetzt hoffen sie auf das kommende Jahr und darauf, dass sich alle Athleten auch ganz alleine fit halten - bei Waldläufen oder auf dem Hometrainer.

Aber die Fitness ist nicht alles: Er sei seit 53 Jahren im Sport engagiert, sagt Walter Haas, und seit 23 Jahren im Gemeindevorstand. "Der Kontakt zu den Menschen und die ehrenamtliche Arbeit fehlen mir schon." Und die Diskussionen in der Gemeindevertretung auch. Dass die meisten Gemeindevertretersitzungen ausgefallen sind, sei schade, aber "Umlaufbeschlüsse per Mail sind auch nicht optimal". Mit Video-Sitzungen haben es die Villmarer Gemeindevertreter nicht versucht - anders als die Hünfeldener. Die wollten am Mittwoch per Video über den Haushalt und vor allem über das Kirberger Schwimmbad reden. Sehen konnten sie sich, miteinander sprechen nicht. Mit dem nötigen Equipment sind alle Hünfeldener Gemeindevertreter schon lange versorgt, "aber es ist an der Technik gescheitert", sagt Jürgen Lang.

Um Hygiene kümmern

statt Fußball gucken

Videokonferenzen sind im Fußball sowieso keine Alternative. Die Fußballer des SV Bad Camberg hoffen auf das kommende Frühjahr und darauf, dass sie dann wenigstens eine einfache Runde spielen können. "Eigentlich müssten wir noch 21 Spiele absolvieren", sagt Rolf Enzmann, der ehemalige Abteilungsleiter Fußball beim SV und aktuelle Hygienebeauftragte. Er und seine Kollegen waren es, die im Frühjahr ein Hygienekonzept erarbeitet haben. Er war es, der dann darauf achten musste, dass sich jeder Zuschauer in eine Besucherliste einträgt, dass immer genug Desinfektionsmittel da ist, dass niemand dort rausgeht, wo Eingang steht und umgekehrt, dass sich in den Kabinen nur noch fünf Mann gleichzeitig umziehen und nicht mehr die ganze Mannschaft, und darauf, dass in den beiden Duschen nur noch jeweils zwei Mann duschen. "Und wir haben ja noch Glück: Wir haben vier Kabinen mit zwei Duschen in der Mitte."

Grobe Regelverstöße habe es nicht gegeben, sagt Rolf Enzmann. Es sei zwar mal vorgekommen, dass eine Spielerfrau auf der Auswechselbank Platz nahm, mehr aber nicht. "Es lief besser als erwartet." Und der ganze Aufwand hat sich offenbar gelohnt. Der Verein sei nie aufgefordert worden, eine Besucherliste zu schicken. "Es ist anscheinend nichts passiert." Aber viel Arbeit war das schon. "Jetzt braucht man für die Durchführung eines Spiels viel mehr Personal." Und mit Fußball hat das dann nicht mehr unbedingt etwas zu tun: Er sei bei jedem Spiel gewesen, aber gesehen habe er davon nicht viel. "Ich musste mich ja um die Hygiene kümmern."

Elke Weimer hat inzwischen ähnliche Prioritäten, wenn sie in den Gottesdienst geht. Sie ist seit 23 Jahren im Vorstand der Evangelischen Kirchengemeinde Hadamar, hat sich immer engagiert und nur selten einen Gottesdienst verpasst, aber so viel Arbeit wie in diesem Jahr hat ihr das Ehrenamt noch nie gemacht. Für die Monate ohne Gottesdienst haben sie und ihre Kollegen sich Alternativen überlegt, zum Beispiel kleine Andachten für zu Hause.

Küsterin wird

zur Platzanweiserin

Im Sommer musste ein ausgeklügeltes Hygienekonzept her, das genau regelt, wie die Gottesdienstbesucher in die Schlosskirche und wieder hinaus kommen, wo der sicherste Weg zur Toilette ist. Dann mussten die Polsterstühle raus und durch Holzstühle ersetzt werden, weil die sich leichter abwischen lassen. Und natürlich muss jetzt immer ein Kirchenvorsteher am Eingang stehen und darauf achten, dass die Abstände eingehalten und alle Besucher in eine Liste eingetragen sind.

Den Job der Platzanweiserin hat die Küsterin übernommen. Sie muss aufpassen, dass sich die Kirche von hinten nach vorne füllt, damit es keinen Begegnungsverkehr gibt. Die Schlosskirche ist klein, zunächst durfte die Empore gar nicht besetzt werden, damals standen nur knapp 20 Plätze zur Verfügung. Jetzt sind es 30 Plätze. Und damit das so bleibt, muss der Pfarrer mit Maske in die Kirche und dann direkt auf die Kanzel - damit im Altarraum Platz für die Besucher ist. "Die Gottesdienste sind mehr Stress", sagt Elke Weimer. "Aber wir wollen ja, dass alles in Ordnung ist und niemand Bedenken haben muss."

Die sollen auch die Kunden des Lädchens nicht haben. Und das gilt natürlich auch für die rund 30 ehrenamtlichen Mitarbeiter des kleinen Geschäftes für bedürftige Menschen. Schließlich gehören sie meist zur Risikogruppe, jedenfalls sind sie in der Regel über 60. "Unsere Arbeit hat sich durch Corona sehr verändert", sagt Georg Fritz, der Vorsitzende des Förderkreises Obdachlosenhilfe Limburg. Was den Umgang mit den Lebensmitteln angeht selbstverständlich nicht. "Die Hygienevorschriften haben sich nicht verändert."

Aber für die Kunden ist einiges anders, damit das Lädchen auch in diesen Zeiten geöffnet bleiben kann. Den ganzen Sommer über durften die Kunden gar nicht in das kleine Lädchen, die Mitarbeiter haben die Einkaufstüten vollgepackt, auch bezahlt wurde draußen. Inzwischen lässt das Dienstagsteam wieder jeweils zwei Kunden in den Laden - die anderen müssen draußen warten.

Und die Schlangen vor der Tür sind lang. Denn auch da hat sich etwas geändert: Früher hat der Verein Kundenkarten ausgegeben und nach der Bedürftigkeit gefragt. Diese Zeiten sind vorbei, heute kann jeder kommen, er muss sich nur anstellen - und dann geht es der Reihe nach. Wer in das Lädchen will, muss sich die Hände desinfizieren und einen Mund-Nasenschutz tragen. Der ist auch für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Pflicht, für eine schützende Plexiglasscheibe ist kein Platz. Eine FFP2-Maske trage niemand, sagt Georg Fritz. "Einige von uns können nicht mehr in der Kundenbetreuung tätig sein. Aber die meisten haben keine große Angst."

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