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Schifffahrt sorgte für Wohlstand an der Lahn

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Was waren das noch Zeiten, als die Limburger Bäckergenossenschaft ihre Rohstoffe für Backwaren mit Frachtschiffen auf der Lahn transportierte.
Was waren das noch Zeiten, als die Limburger Bäckergenossenschaft ihre Rohstoffe für Backwaren mit Frachtschiffen auf der Lahn transportierte. © privat

Noch bis vor gut 50 Jahren fuhren Frachtkähne auf der Lahn. Heute verbringen hier Kanufahrer und Motorbootfahrer ihre Freizeit.

Limburg -Wer heute entlang der Lahn unterwegs ist, beobachtet Freizeitkapitäne, Kanufahrer und demnächst auch wieder das Fahrgastschiff. Ein Fluss, der allein der Freizeitgestaltung und dem Tourismus dient, das war die Lahn nicht immer. Ältere Anwohner mögen sich erinnern, dass sie einst als bedeutende Wasserstraße zum Transport von Gütern diente und einen wichtigen Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung in der Region leistete.

Wo es Bodenschätze gab und auch noch Wasser floss, da waren Lebensadern, dort ließen sich Menschen besonders gerne nieder: Marmor in Villmar, Kalkstein in Dehrn/Steeden und Diez, Erze an der oberen und unteren Lahn, Mineralwasser in Selters, Fachingen, Lahnstein und Bad Ems sowie Lahnweine aus Obernhof wurden mit Kähnen von der Lahn hinaus in die Welt transportiert.

Zeitzeuge Ralf Kölb, jüngster Spross des Limburger Landhandels von Ernst Kölb, erzählt: "Wir haben Weizen verladen. Mein Opa Emil ist mit dem Pferdefuhrwerk in den Schleusenweg gefahren, später haben wir dort den ganzen Tag 100-Kilo-Säcke von Lastwagen auf Kähne verladen. Von Limburg aus schipperte die 100-Tonnen-Ladung nach Niederlahnstein auf den Rhein zur Mühle nach Mannheim, später nach Worms."

Sechs bis sieben Tage waren sie auf dem Wasser unterwegs, und dennoch war das für Kölbs damals das beste Verkehrsmittel. Und als wäre es erst gestern gewesen, zitiert der 77-Jährige den spöttischen Kommentar eines von gigantischen Rhein-Lastkähnen verwöhnten Müllers als er die Frachtschiffe aus Limburg sah: "Jetzt kommen die Streichholzschachteln von der Lahn."

Eine im Limburger Stadtarchiv aufbewahrte Kurtrierische Amtsbeschreibung von Ende des 18. Jahrhunderts belegt, dass unsere Altvorderen bereits vor 220 Jahren die Bedeutung der Lahn als Wasserstraße erkannt haben, Bestrebungen zur Schiffbarmachung aber an der Kleinstaaterei scheiterten. In dem Dokument ist zu lesen:

"Die Lahn ist ein schifbarer fluß und könnte leichlich bis Marburg und also bis in die Mitte Deutschlands schifbar gemacht werden, wenn man nicht von seiten Oranien-Naßau diesen fluß durch einen bei dem Schloße Oranienstein unterhalb Limburg gelegtes mühlenweer gegen die reichsgesäze und selbst gegen die alte, zwischen der hohen Kurtrier und Nassau-Diez errichteten verträge zum grosten nachtheil der stadt und des amts gesperret hätte, dass also dermalen kein schif weiter als bis Diez fahren kann."

Erst mit der Klärung der territorialen Verhältnisse mit dem Ende des Alten Reiches, dem Rheinbund und dem Wiener Kongress verringerte sich die Zahl der vorhandenen Parteien drastisch, so dass konkrete Planungen in die Wege geleitet werden konnten. Constantin Schörnig verweist in dem Buch "Industriekultur an Lahn und Dill" zudem auf mehrere Phasen und Ausbaustufen, die den Fluss als wichtige Infrastrukturmaßnahme von 1808 bis 1964 zwischen Lahnstein und Gießen schiffbar machten.

20 Schleusen

bis nach Gießen

Durch Lücken in den Wehren konnten Schiffe bis 40 Tonnen Last fahren. Ab 1808 fuhren sie lahnaufwärts bis Limburg, im Jahr darauf bis Runkel, 1810 wurde Weilburg erreicht. Vor allem von 1840 bis 1852 sind die Maßnahmen vom Herzogtum Nassau und dem Königreich Preußen stark vorangetrieben worden, so dass um die Mitte des Jahrhunderts 20 Schleusen den Verkehr lahnaufwärts bis Gießen ermöglicht haben.

Stadtarchivar Dr. Christoph Waldecker berichtet von dem bedeutenden Jahr 1844. Damals schlossen Nassau, Preußen und Hessen-Darmstadt einen Vertrag über die Schiffbarmachung von der Mündung bis Gießen. In der Folge wurden 1847 der in Deutschland einzigartige, 195 Meter lange Schifffahrtstunnel in Weilburg errichtet und die Leinpfade ausgebaut. 1859 waren an allen Mühlenwehren Kammerschleusen errichtet und die Wasserstraße 142 Kilometer lang.

"Doch der Wassertransport auf der Lahn ist noch sehr viel älter", bemerkt Waldecker und führt als ersten Beleg die vom heiligen Lubentius überlieferte Legende an, der im 4. Jahrhundert als Priester in Kobern an der Mosel gewirkt haben soll. Sein Leichnam sei auf einem Boot aus der Mosel rhein- und lahnaufwärts getrieben, bis er an dem Felsen der heutigen Lubentiuskirche in Dietkirchen anlandete. Er gilt heute als Apostel des Lahngaus.

Konkurrenz

auf der Schiene

Die Steigerung der Produktion und die zunehmende Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einerseits und der mitunter niedrige Wasserstand bereiteten den Schiffern zunehmend Transportprobleme. Der Bau der Lahntalbahn 1862 wurde daher als wirtschaftlicher Segen gefeiert, und immer mehr Güter konnten fortan schneller auf den Gleisen befördert werden. So war es nur eine Frage von zehn Jahren, dass der Höhepunkt der Erzverladungen erreicht und ein Rückgang verzeichnet wurde.

"Infolge der Konkurrenz und zu klein dimensionierter Schleusen strebte das nach der Übernahme Nassaus ab 1866 für die gesamte Lahn zuständige Königreich Preußen nach Verbesserungen", berichtet Limburgs Stadtarchivar. Er verweist auf den Erlass einer Verfügung der Herzoglich-Nassauischen Regierung, dass in jedem Schleusenhause der Lahn ein Beschwerdebuch aufzulegen sei, "um den Schiffern jederzeit Gelegenheit zu geben, etwaige Beschwerden gegen Schleusenwärter darin einzutragen", was heutzutage als Qualitätskontrolle und Evaluation bezeichnet würde, so Waldecker.

Das Zeitalter der Dampfschifffahrt begann für Limburg 1882 mit der Eröffnung der Linie Limburg-Dehrn. "Später gab es einen fahrplanmäßigen Verkehr bis Balduinstein", berichtet der Stadtarchivar. Heute sei das die "Wappen von Limburg".

Waldecker berichtet, dass in Limburg 1903 der Lahnkanalverein gegründet wurde, der sich zum Ziel gesetzt hatte, "alle auf die Durchführung der Lahnkanalisierung gerichteten Bestrebungen nachdrücklichst zu fördern". Rund 250 Personen kamen zur Gründungsversammlung in der "Alten Post" am Limburger Neumarkt. Gefordert wurde ein Ausbau des Flusses für Schiffe bis 300 Tonnen. Bei der preußischen Regierung stieß dies auf nur sehr gebremste Gegenliebe. 1905/1906 wurde die untere Lahn bis Bad Ems so weit ausgebaut, dass Schiffe mit bis zu 180 Tonnen Ladung fahren konnten

1912 wurde sodann im "Preußischen Hof", dem heutigen Dom-Hotel, unter Beteiligung der Stadt die Lahn-Schifffahrtsgesellschaft gegründet, die auf die Ausbeutung der Kalk- und Basaltsteinbrüche abzielte. Die Lahnkanalisierung wurde 1928 abgeschlossen. Ab 1965 ließ die wirtschaftliche Entwicklung nach, 1971 schließlich wurden die Steinbrüche, die Bedeutung für den Schiffsverkehr hatten, geschlossen - soweit Waldeckers Erkenntnisse.

Pro Lahn kämpft für Bundeswasserstraße

Aber auch in unserer Zeit gibt es Menschen, die sich die Nutzung der Lahn auf die Fahne geschrieben haben. 1995 wurde Pro Lahn als Interessengemeinschaft aus Wassersportvereinen, Personenschifffahrt, Städten und Gemeinden, Unternehmen und Privatpersonen ins Leben gerufen, die sich im Oktober 2012 als gemeinnütziger Verein konstituiert hat.

Ihre Mitglieder verweisen darauf, dass der Fluss noch immer Existenzgrundlage für viele Unternehmen, die Gastronomie und vor allem für die Personenschifffahrt darstellt. Deshalb hat sich der Verein zur Aufgabe gemacht, die alte Tradition der Frachtschifffahrt auf der Lahn neu aufleben zu lassen. Der Verein rechnet sich als gemeinsamer Verdienst mit anderen Mitstreitern an, dass die Lahn als Bundeswasserstraße noch immer schiffbar ist und mit funktionierenden Schleusenanlagen und Staustufen als eines der schönsten Fahrtenreviere in Deutschland so erhalten bleibt.

Dieter Fluck

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