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Aus für den Dieselmotor? Stadt will Fahrverbote nicht klaglos hinnehmen

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Von: Stefan Dickmann

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Wenn bis Ende März nächsten Jahres der NO2-Grenzwert am Passivsammler (oben links) an der Fassade am Musikhaus Sandner noch immer überschritten wird, werden vom 1. April an Dieselfahrverbote bis einschließlich Euronorm 5 erlassen
Umweltstreit in Limburg eskaliert: Es drohen Dieselfahrverbote, wenn die Grenzwerte an der NO2-Prüfstelle weiterhin überschritten werden. © Stefan Dickmann

Ist das das Ende für Autos mit Dieselmotor in Limburg? Die Stadt will sich gegen den Plan des Landes Hessen wehren.

Limburg – Der neue Luftreinhalteplan des Landes Hessen tritt am Montag in Kraft. Vom 1. April 2022 an drohen in der Limburger Innenstadt Dieselfahrverbote, wenn bis Ende März nicht auch an der Schiede der seit 2010 verbindliche Grenzwert für das durch Dieselabgase entstehende Atemgift NO2 eingehalten wird. Die Fahrverbote sollen auf der B8 gelten, im Abschnitt zwischen Karstadt und der Pallottinerkirche. Das geht aus dem Luftreinhalteplan des Landes Hessen für die Stadt Limburg hervor, der am Montag (22.11.2021) verbindlich in Kraft tritt.

Bis kommenden März werden alle Augen auf den Passivsammler an der Hausfassade des Musikhauses Sandner gegenüber von Karstadt gerichtet sein - er war im vergangenen Jahr die einzige von sechs Messstellen in der Innenstadt, an denen der NO2-Grenzwert von 40 Mikrogramm im Jahresdurchschnitt nicht eingehalten wurde.

Diesel in Limburg: Diese Autos währen betroffen – Bürgermeister kritisiert das Land Hessen

Betroffen von den Fahrverboten wären überwiegend Fahrzeuge mit älteren Dieselmotoren bis einschließlich der Euronorm 5 sowie Diesel-Nutzfahrzeuge bis einschließlich Euronorm V. Auch Fahrzeugtypen mit älteren Ottomotoren, also Benziner, bis Euronorm 2 dürften dann auf diesem Straßenabschnitt der B8 nicht mehr fahren. Das dürfen sie seit Einführung der Umweltzone zwar grundsätzlich nicht mehr (erlaubt sind nur Fahrzeuge mit einer grünen Plakette), allerdings gibt es für Firmenfahrzeuge mit gelber und roter Umweltplakette die Möglichkeit, mit Sondergenehmigung in die Stadt als Umweltzone fahren zu dürfen. Kommen die Fahrverbote, benötigen die Halter dieser Fahrzeuge weitere Sondergenehmigungen.

Wie die Stadt Limburg am gestrigen Freitag mitteilte, hat das für den Luftreinhalteplan zuständige Umweltministerium die Stadt darüber informiert, dass die zweite Fortschreibung des Luftreinhalteplans mit Bekanntmachung im Staatsanzeiger am Montag, 22. November, in Kraft tritt. Damit rückt laut Stadt das streckenbezogene Fahrverbot in der Stadt deutlich näher.

Stadt Limburg will Maßnahmen nicht klanglos hinnehmen – und prüft rechtliche Schritte

Noch ist es nicht so weit und die Stadt will, wie es in einer gestern verschickten Pressemitteilung heißt, alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen, damit es nicht dazu kommt, macht Bürgermeister Dr. Marius Hahn (SPD) deutlich. „Wir nehmen den neuen Luftreinhalteplan und die darin vorgesehenen Maßnahmen nicht klaglos hin“, sagt er. „Hierzu müssen alle Schritte mit dem Landkreis als anordnende Straßenverkehrsbehörde abgestimmt werden.“

In ihren Stellungnahmen zum Entwurf des neuen Luftreinhalteplans hatten Stadt und Landkreis deutlich gemacht, die vorgesehene Einführung eines streckenbezogenen Fahrverbots - auch mit dem Schlagwort „Dieselfahrverbot“ bezeichnet - abzulehnen.

Verkehr in Limburg: Fahrverbot verteilt Autos lediglich auf Nebenstraßen

„Dem Ministerium und dem Land geht es lediglich darum, den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft an einzelnen Messstellen irgendwie zu unterschreiten und die Deutsche Umwelthilfe dazu zu bewegen, ihre Klage gegen das Land wegen des Luftreinhalteplans zurückzuziehen“, erklärt Hahn weiter. „Es geht nicht wirklich darum, den Verkehr in der Innenstadt insgesamt zu reduzieren.“

Die Stadt hatte im Rahmen der Anhörung verdeutlicht, dass durch ein streckenbezogenes Fahrverbot auf der B8 (Frankfurter Straße/Schiede) der Verkehr lediglich auf die Nebenstraßen verteilt werde. „Das kann nicht unser Ziel sein, den Hotspot Schiede zu entlasten und den Verkehr auf umliegende Straßen zu verteilen, die dafür gar nicht geeignet sind, da sie durch Wohngebiete führen, Senioreneinrichtungen und Schulen oder Kindertagesstätten passieren“, kritisiert der Limburger Bürgermeister.

Stadt Limburg empört: Masterplan Mobilität wird durch Fahrverbot infrage gestellt

Nach seinen Angaben ist das in dem Anhörungsverfahren nicht nur von der Stadt deutlich gemacht worden, sondern auch von zahlreichen Bürgern. Das Land hält jedoch an dem vorgesehenen streckenbezogenen Fahrverbot fest, da es keineswegs als unverhältnismäßig erscheine. Eine der Straßen, die vermutlich mit deutlich mehr Verkehr rechnen müssen, sei die Grabenstraße, wie die Stadt weiter mitteilt. Eine Zunahme des Verkehrs werde dort auch zu einer höheren Schadstoffbelastung führen. Nach Angaben von Hahn wird die Stadt prüfen, die dann dort auftretende Belastung zu messen.

Mit dem streckenbezogenen Fahrverbot wird nach Einschätzung von Hahn der Verkehr nicht nur auf die Nebenstraßen verlegt, da eine Umgehung für den vor allem über die Bundesstraßen durch die Stadtmitte führenden Verkehr nicht vorhanden ist, sondern auch wichtige Schlüsselmaßnahmen des Masterplan Mobilität infrage gestellt.

Stadt Limburg sieht sich ausgebremst: Pläne des Landes Hessen stehen konträr zu denen der Stadt

Durch Dieselfahrverbote sieht die Stadt Limburg die eigenen Ziele gefährdet, dauerhaft für weniger Verkehr in der Innenstadt zu sorgen. „Eine nachhaltige Entlastung der Innenstadt wird erreicht, wenn der motorisierte Individualverkehr stärker auf die Autobahn verlagert wird oder wenn umweltfreundlichere Verkehre gefördert werden“, erklärt der Erste Stadtrat Michael Stanke (CDU).

Gerade bei der Förderung des umweltfreundlichen Verkehrs habe die Stadt mit dem Start des „Lahn Stars“ eine neue Stufe erreicht. Deutliche Verbesserungen im Radverkehrsnetz mit der ersten Fahrradstraße (im Schleusenweg), die Ausstellung eines Radverkehrskonzepts, Lückenschließungen im Radwegenetz und mehr zeigten zudem die Bemühungen der Stadt bei der Verkehrswende.

Die Stadt habe in den vergangenen Monaten gegenüber dem Umweltministerium immer wieder ihre Ziele und Bemühungen zu einer Verkehrswende verdeutlicht. So sei ein weiterer Ausbau des ÖPNV geplant. Das gelte auch für die Weiterentwicklung des Innenstadtführungskonzepts mit Einbahnstraßen, Fußgängerzonen und Durchfahrtsverboten auf dem Nebennetz zwischen Schiede und Altstadt mit schnellen Wegen in Tiefgaragen und Parkhäuser. Um am Stadtrand ein System der Dosierung des Verkehrszuflusses aufzubauen, sei abgestimmt mit Hessen Mobil ein Konzept in Auftrag gegeben worden. Und es werde ein Parkraumkonzept erstellt, um den Verkehr besser zu leiten.

Limburg in der Kritik: Anwalt der Deutschen Umwelthilfe hält Klage für „Schmarrn“

Mit drastischen Worten reagiert der Rechtsanwalt der Deutschen Umwelthilfe, Professor Dr. Remo Klinger aus Berlin, auf die Ankündigung der Stadt, gegen den Luftreinhalteplan möglicherweise klagen zu wollen, weil er Dieselfahrverbote enthält. „Das ist ein Schmarrn, was die Stadt macht, und eine aufschiebende Wirkung wird es deshalb nicht geben“, sagte er gestern auf Anfrage.

Aus seiner Sicht wäre eine Klage der Stadt Limburg gegen den Luftreinhalteplan unzulässig. Klagen könnten nur von den Fahrverboten direkt betroffene Autofahrer. Um eine aufschiebende Wirkung zu erreichen, also, dass Dieselfahrverbote erst einmal nicht kommen, solange die Klage der Stadt Limburg nicht entschieden sei, müsste dafür ein gesondertes Eilverfahren beantragt werden. Doch auch hier sieht Klinger keine Chance auf einen Erfolg der Stadt.

Streit reicht bis nach Kassel: Umwelthilfe verklagt Land Hessen vor dem Verwaltungsgerichtshof

Eine mögliche Klage Limburgs wiederum hat aus seiner Sicht Auswirkungen auf den noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreit zwischen der Deutschen Umwelthilfe und dem Land Hessen vor dem Verwaltungsgerichtshof in Kassel. Das Land muss sich dort seit 2018 wegen des Luftreinhalteplans für Limburg verantworten, weil bis heute der Grenzwert für NO2 an der Schiede nicht eingehalten wird. Die Umwelthilfe ist zwar grundsätzlich bereit, diese Klage für erledigt zu erklären, weil der neue Luftreinhalteplan Dieselfahrverbote enthält, die dazu führen würden, dass Limburg an der Schiede den NO2-Grenzwert einhält.

Aber: Die Umwelthilfe ist nach Klingers Angaben nur dann dazu bereit, wenn der neue Luftreinhalteplan nicht in einem von der Stadt angestrengten Gerichtsverfahren auf den Prüfstand gestellt wird. Das Verfahren in Kassel würde vorerst weiterlaufen. Und das Ziel des Landes Hessens, in Kassel ein (negatives) Urteil zu vermeiden, wäre doch noch nicht erreicht, falls die Stadt Limburg klagt. (Stefan Dickmann)

Zuletzt haben Anwohner ihre Sicht auf den Verkehr in Limburg geäußert. Die Schilderungen sind geprägt von Sorgen und Ärger.
Die Diskussion um das Diesel-Verbot in Limburg erhitzt zudem auch die Beziehung zwischen der Stadt und dem Landtag.

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