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Wie Ostern: Auch Ramadan im Lockdown

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Islam Hamdi Dündar nach dem Freitagsgebet vor der Ditib-Moschee an der Blumenröder Straße in Limburg. In diesem Jahr können die Gläubigen an Ramadan gemeinsam in der Moschee beten. Im vergangenen Jahr waren alle Gotteshäuser wegen des Lockdowns geschlossen.
Islam Hamdi Dündar nach dem Freitagsgebet vor der Ditib-Moschee an der Blumenröder Straße in Limburg. In diesem Jahr können die Gläubigen an Ramadan gemeinsam in der Moschee beten. Im vergangenen Jahr waren alle Gotteshäuser wegen des Lockdowns geschlossen. © Mariam Nasiripour

Muslime müssen sich einschränken. Gebete in Moschee sind möglich

Limburg -Am Dienstagmorgen um 5.12 Uhr beginnt der islamische Fastenmonat Ramadan. In den nächsten vier Wochen werden Muslime überall auf der Welt und auch im Nassauer Land von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder etwas essen noch etwas trinken. Die Gläubigen verrichten in dieser Zeit ihren beruflichen und privaten Alltag mit leerem Magen und trockenen Kehlen.

Auch der diesjährige Fastenmonat steht im Zeichen der Corona-Pandemie. Bereits im vergangenen Jahr mussten die Muslime auf das gemeinsame Fastenbrechen und beten in der Moschee sowie großen Familientreffen verzichten. 2021 sieht es ähnlich aus, allerdings gibt es in diesem Jahr einen Unterschied: die Moscheen dürfen für Gottesdienste öffnen und eine gewisse Zahl an Gläubige aufnehmen. Den Muslimen geht es genauso wie den Christen, die 2021 zum zweiten Mal ihr Osterfest mit Einschränkungen feiern mussten.

"Auch in diesem Jahr feiert jeder Ramadan für sich in der Familie", sagt Aziz Agman, Sprecher der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) in Limburg (IGMG ist in Deutschland nicht unumstritten und wird vom Verfassungsschutz beobachtet). Zwar bleibe das Gotteshaus für die Gläubigen geöffnet und auch das gemeinsame Beten in der Moschee sei erlaubt. Aber das gemeinsame Fastenbrechen, das sonst jedes Jahr begangen wurde, muss erneut ausfallen. Für diesen geselligen Teil des Ramadan versammeln sich in der Regel die Gläubigen in der Moschee, essen und beten anschließend gemeinsam.

Sondergenehmigung

wegen Ausgangssperre

Um während der geltenden Ausgangsbeschränkung nach 21 Uhr das Nachtgebet, das nach 21 Uhr gesprochen wird, in der Moschee zu zelebrieren, hat die IGMG-Gemeinde beim Ordnungsamt in Limburg eine Sondergenehmigung beantragt. "Für Religionsgemeinschaften gibt es eine Sonderregelung. Damit es keine Probleme oder Ärger gibt, haben wir den Antrag für eine Sondergenehmigung gestellt", erklärt Agman. Sie wurde am vergangenen Freitag vom Ordnungsamt erteilt. Agman fügt hinzu, dass das gemeinsame Beten in der Moschee für die gläubigen Muslime eine hohe Bedeutung hat.

Das bestätigt auch der Vorstandsvorsitzender der Ditib-Gemeinde in Limburg (Ditib ist in Deutschland wegen der Nähe zum türkischen Staat ebenfalls umstritten), Islam Hamdi Dündar. Das gemeinsame Fastenbrechen und Beten in der Moschee während des Ramadans versprühe einen besonderen Zauber. Trotzdem habe sich die Gemeinde entschieden, keine Sondergenehmigung zu beantragen. "Wir warten die sechs Tage bis zum 18. April ab und sehen wie es dann weitergeht", erklärt er. Das bedeutet für die Muslime, dass sie das Nachtgebet zu Hause sprechen müssen. Die Moschee wird nur am Tag für die Gläubigen geöffnet sein.

Sollte die Ausgangsbeschränkung dann weiterhin gelten, werde die Gemeinde überlegen, ob sie eine Ausnahmegenehmigung beantragt oder nicht. Die Gläubigen seien aber sehr verständnisvoll, sagt Dündar. Er habe bis jetzt noch keine Beschwerden gehört. In der Türkei gelten ebenfalls Ausgangsbeschränkungen, weswegen dort das Nachtgebet ebenfalls ausfällt.

Fasten fällt

Yusuf Kutlucan nicht schwer

Wie es aussieht nur mit der Familie Ramadan zu feiern, erzählt Yusuf Kutlucan. Der 30-jährige Familienvater hat bereits im Alter von zehn Jahren angefangen, zu fasten. Aber nur für wenige Stunden am Tag, mehr haben ihm seine Eltern nicht erlaubt. Erstmals richtig gefastet wie die Erwachsenen hat er mit zwölf Jahren. Seit dem tut er das ohne größere Unterbrechung. "Ich kann mich daran erinnern, dass ich mal einzelne Tage ausgelassen habe. Ich weiß nicht mehr warum, wahrscheinlich wegen Krankheit", erzählt der Jurist. In diesem Jahr fastet er alleine, denn seine Frau muss den einjährigen Sohn stillen und darf nach den Regeln des Koran nicht fasten, um ihre Gesundheit nicht zu gefährden.

Ihm falle es nicht schwer, zu fasten, sagt Kutlucan. Der Körper gewöhne sich irgendwann daran. Sogar jetzt, in der Prüfungsphase für sein Staatsexamen, möchte er es tun. Ein Kommilitone und Freund von ihm, der ebenfalls für das Staatsexamen lernen muss, wolle dagegen in diesem Jahr aussetzen. Denn er könne nicht mit leerem Magen lernen.

Auch das Fastenbrechen begeht der Vater von zwei Kindern anders als seine Glaubensbrüder und -schwestern. Während andere Gläubige zum Fastenbrechen nach Sonnenuntergang den Tisch üppig decken und ordentlich zulangen, möchte Yusuf Kutlucan es eher Bescheiden halten. "Im Ramadan geht es um Verzicht. Sich abends den Bauch vollzuschlagen, ist gegen das Prinzip des Ramadan", so der 30-Jährige. "Ich werde abends eine Suppe oder einen Salat essen und vor dem Sonnenaufgang etwas mehr essen, um mich für den Tag zu stärken."

Für ihn steht in diesem Jahr der spirituelle Aspekt des Fastenmonats im Vordergrund. Darauf will er sich konzentrieren. Er ist der Meinung, dass die Menschen wieder lernen müssten, genügsam zu sein. Der Verzicht bringe die Menschen wieder näher zu Gott. Trotzdem wird Kutlucan zum Zuckerfest am Ende des Ramadans Geschenke für seine Frau und seine Kinder kaufen. "Sie sollen merken, dass es ein besonderer Tag ist", sagt er. Die Begegnungen werden sich im zweiten Corona-Jahr auf die engste Familie beschränken. Den Besuch von Freunden und Bekannten lassen er und seine Familie ausfallen.

Ganz besonders die Begegnungen in der Moschee vermisst Yusuf Kutlucan. Nach dem Gebet habe man sich unterhalten und ausgetauscht. Aber auch die Nähe beim Gebet fehle ihm, sagt der Jurist. Jetzt müsse man wegen Corona mindestens 1,5 Meter Abstand halten. Vor Corona hätten die Gläubigen Schulter an Schulter gestanden und gebetet.

Zuckerfest

zum Abschluss

Das Fasten gehört zu den fünf Säulen des Islam, die jeder gläubige Muslime befolgen müsse. Die fünf Säulen sind: Schahada (Bekenntnis), Salat (Gebet), Zakat (Almosensteuer), Saum (Fasten) und Haddsch (Pilgerfahrt). Aber Ramadan ist mehr als nur von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang nichts zu essen oder zu trinken. In diesen vier Wochen sind auch üble Nachrede, Verleumdung, Lügen und Beleidigungen aller Art untersagt. Außerdem dürfen die Gläubigen auch nicht rauchen oder Geschlechtsverkehr haben.

Das Fasten ist für jeden gesunden Erwachsenen verpflichtend. Nur Ältere, Kinder, Kranke und Schwangere sind von dieser Pflicht befreit. Aber auch wer täglich mehr als 60 Kilometer fährt oder auf Reisen ist, muss nicht fasten. Am Ende des Fastenmonats wird das dreitägige Zuckerfest gefeiert. Das ist ein großes, fröhliches und geselliges Fest. Die Gläubigen ziehen dann ihre Festtagskleidung an und besuchen ihre Verwandten.

Bätzing: Hoffnung verbindet

Christen und Muslime

Zu Beginn des islamischen Fastenmonats Ramadan am heutigen Dienstag hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, Verbindendes zwischen Christen und Muslimen hervorgehoben. "In der Pandemie müssen wir jedoch auf viele vertraute und liebgewonnene Traditionen verzichten. Besonders schmerzlich ist dabei der Verzicht auf zwischenmenschliche Begegnungen, auf Gelegenheiten des Dialogs und der Gemeinschaft", so der Limburger Bischof in einer Grußbotschaft, die sich an die Muslime in Deutschland richtet.

Weder die Festtage noch die "Zeiten des Alltags" verliefen in der bekannten Art und Weise. "Diese Erfahrung verbindet Christen und Muslime in unserem Land. Doch uns verbindet auch die Hoffnung auf bessere Zeiten", betonte Bätzing. Hoffnung scheine ein Markenzeichen des gläubigen Menschen zu sein, der auch angesichts von Krankheit und Leid nicht verzagen müsse. "Gemeinsam können Christen und Muslime Zeugen der Hoffnung sein: indem wir Werkzeuge des Friedens und der Gerechtigkeit werden, indem wir im Nächsten unseren Bruder und unsere Schwester erkennen."

Bätzing erinnerte in seinem Schreiben an einen Appell des Papstes auf seiner Irak-Reise: Franziskus habe die Iraker unterschiedlicher Religionen ermutigt, sich gegenseitig als Geschwister zu betrachten und die Gewalt zu überwinden. "Das Fasten bietet gläubigen Menschen die Möglichkeit, den gewohnten Alltag zu unterbrechen, sich zu überprüfen und sich neu auf Gott auszurichten. Gleichzeitig ist die Zeit des Fastens auch eine Zeit der Gemeinschaft - im familiären wie im öffentlichen Bereich", schrieb der Limburger Bischof.

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