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"Wie rettest Du Ostern?"

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Bischof Dr. Georg Bätzing entzündet eine Kerze in der Osternacht: Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 2019, als Corona noch unbekannt war. Und selbst wenn in diesem Jahr an Ostern Präsenzgottesdienste gefeiert werden, dann sicherlich nicht mit einem solch engen Kontakt zu den Menschen wie 2019.
Bischof Dr. Georg Bätzing entzündet eine Kerze in der Osternacht: Diese Aufnahme stammt aus dem Jahr 2019, als Corona noch unbekannt war. Und selbst wenn in diesem Jahr an Ostern Präsenzgottesdienste gefeiert werden, dann sicherlich nicht mit einem solch engen Kontakt zu den Menschen wie 2019. © Bistum Limburg

Kirchen überlegen, wie sie mit der Empfehlung umgehen

Dass ein Online-Gottesdienst keine wirkliche Alternative zur Messe in der Kirche sein kann, ist allen klar. Und schon gar nicht zu Ostern, dem höchsten Fest der Christen. Seit gestern und mit den neuen Beschlüssen zur Eindämmung der Corona-Pandemie ist die Osternacht per Live-Stream aber wieder wahrscheinlicher geworden. Jetzt überlegen die Pfarreien, wie sie Jesu Auferstehung feiern können. Und hoffen darauf, dass die Länder aus der Empfehlung der Kanzlerin keine Pflicht machen.

Noch einen Ostergottesdienst "ohne Volk" wolle er sich nicht vorstellen, sagt Bezirksdekan Andreas Fuchs. "So ein trauriges Osterfest wie im vergangenen Jahr habe ich noch nie erlebt." Natürlich hatte er es damals in der Kirche St. Nepomuk in Hadamar die Liturgie gefeiert, aber nur mit seinen Mitbrüdern. Und das sei nicht dasselbe.

Gestern Nacht um 4 Uhr hatte die Push-Nachricht ihn um den Schlaf gebracht, dass die Regierung die Absage der Präsenzgottesdienste empfehle. Seitdem habe er überlegt: "Wie rettest Du Ostern?" Natürlich habe er Pläne gehabt, wie er dieses Jahr mit seiner Gemeinde feiern kann, die Weihnachtsgottesdienste hätten ja gezeigt, dass die Hygienekonzepte wirken. "In unseren Gottesdiensten hat sich niemand angesteckt." Und das, obwohl das Pfarrbüro zweimal die Teilnehmerliste herausgeben muste, weil Gottesdienstbesucher Corona-positiv waren, ohne es zu wissen. "Einkaufen oder der Ferienflieger nach Mallorca sind gefährlicher." Zur Not würde er die Gottesdienstbesucher auch vorher zum Schnelltest laden. "Ich achte das irdische Leben hoch. Aber nicht so hoch, dass ich dafür das ewige Leben aufs Spiel setze." Und deshalb sei es wichtig, das Osterfest zu feiern. Er hoffe auf eine vernünftige Entscheidung des Bistums.

Vermutlich entscheiden

die Gemeinden selbst

Das Bistum habe noch gar nichts entschieden, "wir sind überrascht worden", sagt Stephan Schnelle, der Sprecher des Bistums, und verweist auf das Subsidiaritätsprinzip. Nun müsse man erst einmal die Entscheidung der Politik abwarten. "Wir sind mit den Ländern im Gespräch." Wie "haltbar der Wunsch der Kanzlerin ist, bleibt abzuwarten". Das Bistum jedenfalls wolle nicht klein beigeben. "Gottesdienste sind kein Beiwerk." Und wenn es denn in Hessen und Rheinland-Pfalz kein striktes Gottesdienstverbot zu Ostern gebe, werde es das Bistum vermutlich in das Ermessen der einzelnen Gemeinden legen, ob sie das Osterfest mit oder ohne Gemeinde feiern.

Auch in den evangelischen Dekanaten Runkel und Weilburg ist noch nicht entschieden worden, wie mit der Empfehlung der Bundesregierung umgegangen wird, berichtet Sprecher Pater Wagner. Die Dekane Manfred Pollex (Runkel) und Ulrich Reichardt (Weilburg) tendierten aber deutlich dazu, der Bitte der Regierung nachzukommen, so Wagner. "Denn diese Empfehlung ist schon sehr eindeutig formuliert." Alternativ kämen Online-Gottesdienste in Betracht, wie sie bereits im ersten Lockdown vor einem Jahr eingeführt worden seien.

Allerdings werde die Kirchenleitung den einzelnen Gemeinden keine Vorschriften machen, ob und wie sie der Empfehlung folgen. "Wenn eine Gemeinde sagt, dass sie etwas machen will, kann sie das auch tun", sagt Wagner. Allerdings hätten die beiden Dekanate sämtliche Kirchengemeinden für heute Nachmittag zu einer einstündigen Zoom-Konferenz eingeladen. Darin soll das weitere Vorgehen beraten werden. Wie Wagner berichtete, planten einige Gemeinden bereits Freiluftgottesdienste. Allerdings sei auch dabei noch nicht entschieden, ob diese auch tatsächlich stattfinden.

"Wir sind für digitale Alternativen gerüstet", sagt Pfarrer Carsten Adams von der evangelischen Kirchengemeinde Runkel. Als "altgedientem Gemeindepfarrer" falle es ihm allerdings schwer, zum zweiten Mal auf die gewohnten Osterrituale und die Gesänge in der Kirche zu verzichten. "Ich kann aber auch Zahlen lesen", so Adams mit Blick auf die Zunahme der Infektionen. Abgesagt worden sei noch nichts, dies werde nach der heutigen Videokonferenz auf Dekanatsebene entschieden. "Ich bin unentschlossen", sagt Adams. "Ich habe Verständnis mit Bauchgrimmen."

Schon jetzt mehrgleisig

unterwegs

Für die evangelische Kirchengemeinde Bad Camberg und Niederselters stellten die erneuten Einschränkungen keine große Herausforderung dar, berichten Pfarrer Bastian Michailoff und Pfarrerin Helge Stöfen: "Wir sind seit langem mehrgleisig unterwegs, stellen nun seit einem Jahr jede Woche und zu allen Feiertagen ein Youtube-Video online, machen alle drei Wochen via Zoom einen Gottesdienst und haben unsere Kirchengebäude jeden Sonntag geöffnet und lassen den ganzen Tag über eine Hörandacht in Dauerschleife abspielen." Sie hatten für Ostern angedacht eventuell kleine, mobile Outdoor-Andachten in jedem der acht Orte und Ortsteile anzubieten. Das wollen sie nun lassen. Statt dessen gibt es wie geplant Impulse und Zoom-Gottesdienste, außerdem Hörandachten in den Kirchen, zu denen die Besucher zu individuellen, unterschiedlichen Zeiten kommen.

"Am Ostermontag feiern wir gemeinsam mit der katholischen Pfarrgemeinde und der freien evangelischen Gemeinde (FeG) vor Ort einen Zoom-Familiengottesdienst", nennt Pfarrer Michailoff ein Beispiel. Und: "Nach unserer Erfahrung ist das eigentliche Problem auch nicht der Gottesdienstbesuch an sich, sondern der Weg dorthin und besonders das Aufeinandertreffen davor und danach im Kirchhof. Das alles hat uns dazu bewogen, weitestgehend auf Präsenz zu verzichten, was uns natürlich schmerzt, aber zurzeit unserer Meinung nach eben das Gebot der Stunde ist. Unserer Meinung nach hätten die große Kirchen und auch unsere Landeskirche entschiedener solidarisch handeln sollen und sich in die gebotenen Einschränkungen einreihen."

Sicher: "Ein Gottesdienstbesuch mit Begegnung, gemeinsamem Gesang und allem, was dazugehört, lässt sich durch nichts ersetzen", so Michailoff. Und das Thema gehe ihm nahe, da er die Religionsausübung als hohes Recht ansieht. Dennoch könne er nicht nachvollziehen, "warum dieses Grundrecht höher gewertet werden soll als so viele andere, die im Moment Menschen so schmerzlich vermissen". Deshalb feiert er seit kurzem im Anna-Müller-Haus in Bad Camberg wieder Gottesdienst und will dies auch an Ostermontag tun. Der Pfarrer steht dann im Innenhof, hat eine mobile 100-Watt-Box mit Mikrofon und Kirchenliedern vom Tablet dabei. Die Bewohner und Bewohnerinnen, die am Gottesdienst teilnehmen wollen, haben ein Liedheft und sitzen auf ihren Balkonen oder auf der Terrasse. Michailoff: "So können wir auch in diesen schweren Zeiten gemeinsam Beten und sogar gemeinsam singen."

"Wertesystem

ist in Schieflage"

Der Beschluss der Bund-Länder-Konferenz habe auch die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) unerwartet getroffen, heißt es in einer Erklärung der EKHN. "Die Maßnahme betrifft mit Ostern das wichtigste Fest der Christenheit. Es gab dazu im Vorfeld keinerlei Hinweise an die Kirchen, dass der Verzicht auf Präsenzgottesdienste zum neuen Maßnahmenpaket gehören wird", erklärt die EKHN. Es sei unverständlich warum die bundesweit bewährten Hygieneschutz-Maßnahmen, die alle Landeskirchen für ihre Gottesdienste haben, nun nicht mehr ausreichen sollen. Aktuell befänden sich die Kirchen bundesweit in Sondierungs- und Abstimmungsgesprächen. Ganz besonders ärgerlich sei der wiederholt kurzfristige Kurswechsel der Regierung.

Enttäuscht und befremdet ist Axel Wengenroth, Dekan im Evangelischen Dekanat Westerwald, dass das wichtigste Fest der Christen in diesem Jahr nicht in der Kirche gefeiert werden soll. "Viele Gläubige können die Entscheidung nicht nachvollziehen. Da ist das Wertesystem offenbar ziemlich in Schieflage", fasst er zusammen. Aber er betont auch, dass sich die Kirchengemeinden der Situation "verantwortungsvoll anpassen" werden. Denn das digitale Angebot der Gemeinden und des Dekanats wachse seit Monaten kontinuierlich.

Wie Muslime feiern - oder nicht

Zwar feiern Muslime kein Osterfest, dennoch betrifft sie die Bitte der Kanzlerin, Gottesdienste an Ostern nur digital abzuhalten. Betroffen ist in diesem Fall der Karfreitag. Denn das wöchentliche Freitagsgebet der Muslime ist ihnen genauso heilig und wichtig, wie der Sonntagsgottesdienst den Christen. Bislang sei noch nicht geklärt, ob die IGMG-Moscheegemeinde in Limburg ihr Gotteshaus an Karfreitag für die Gläubigen öffnen darf. Wie ihr Sprecher Aziz Agman mitteilt, fanden gestern Beratungsgespräche zwischen dem Landesverband der IGMG-Moscheen in Hessen und Vertretern der Hessischen Landesregierung statt. Das Ergebnis dieser Gespräche war bis Redaktionsschluss noch nicht bekannt.

Einen Ausfall des Ramadanfestes, wie im vergangenen Jahr, fürchtet die Moscheegemeinde jedoch nicht, teilt Agman mit - allerdings unter dem Vorbehalt, dass sich nichts an den Verordnungen und Regelungen ändert. Im vergangenen Jahr musste das gemeinsame Fastenbrechen und Beten in der Moschee wegen Corona und den Kontaktbeschränkungen entfallen. Stattdessen feierten die Familien in ihren eigenen vier Wänden. Die Moscheegemeinde will die nächste Bund-Länder-Konferenz am 12. April abwarten. An diesem Tag beginnt auch der Fastenmonat Ramadan. na

sbr/pp/na/goe

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