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Mengerskirchen: In der Dorfmitte wird Inklusion gelebt

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Von: Rolf Goeckel

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Walter Beck, Christoph Pötz und Thomas Scholz schnitten die riesige Inklusionshaus-Torte an.
Walter Beck, Christoph Pötz und Thomas Scholz schnitten die riesige Inklusionshaus-Torte an. © Rolf Goeckel

14 barrierefreie Wohnungen für Menschen mit Behinderung

Waldernbach -In der Gemeinde Mengerskirchen werden Menschen mit Behinderung nicht an den Rand gedrängt oder auswärts untergebracht. Nein, hier leben sie mitten im Dorf. Nach rund zweijähriger Bauzeit ist das Inklusionshaus Dorfmitte Waldernbach am Freitagnachmittag eröffnet und eingesegnet worden. Damit, so der Vorsitzende der Trägergenossenschaft Walter Beck, sei ein Projekt verwirklicht worden, das zu Beginn viele für nicht möglich gehalten hätten.

"Jeder sollte die Möglichkeit haben, in seinem Heimatort wohnen und leben zu können", sagte Beck, der in seiner Rede in die Zeit der ersten Ideen und Planungen zurückblendete. Vor allem die Finanzierung bereitete anfänglich Probleme. "Unser einziges Eigenkapital", so Beck, "war zunächst die außerordentlich engagierte und gut besetzte Planungsgruppe." Ihr sei es gelungen, so viele Unterstützer für das Drei-Millionen-Projekt zu finden, "dass unsere kühnsten Erwartungen übertroffen wurden". Am Ende konnten die Genossenschaft als Betreiberin des Inklusionshauses und der eigens gegründete Verein "Mittendrin für Alle" eine Eigenkapitalquote von 50 Prozent erreichen. Mit Blick auf die breite Unterstützung von Landkreis, Kirche, Privatleuten und Firmen rief Beck: "Das Haus gehört uns allen!"

Entstanden ist ein architektonisch ansprechendes dreigliedriges Gebäude direkt an der Durchgangsstraße von Waldernbach, das 14 barrierefreie Wohnungen sowie Arbeitsplätze in einer Werkstatt, Büros und als Treffpunkt das Bistro "Cafétante" bietet. Über eine Terrasse wurde eine direkte Verbindung ins benachbarte Familienzentrum geschaffen. Bis auf eine Wohnung sind alle Gebäudeteile bereits bezogen.

"Verrückte Idee" im Familienzentrum

Nicole Schäfer vom Bildungsforum Mengerskirchen, die Beck zuvor als "Motor des Projekts" gewürdigt hatte, ließ das Entstehen des Inklusionshauses seit einer 2013 im Familienzentrum geborenen "verrückten Idee" bis heute Revue passieren. Damals, so Schäfer, war es bereits gelungen, dass Inklusion in allen Kitas der Gemeinde und in den Schulen selbstverständlich war. "Und das sollte mit dem Erwachsenwerden aufhören?", fragte die Pädagogin. "Sollten nun alle mit dem Bus irgendwohin gefahren werden? Und was war mit den älteren Menschen?" Die Antwort auf diese Fragen war schnell gefunden, erinnerte sich Schäfer. Ein Inklusionshaus musste her, am besten mitten im Dorf.

Die Rektorin der Franz-Leuninger-Schule dankte dem "Sondereinsatzkommando", ohne die das Inklusionshaus nicht hätte realisiert werden können. Dazu gehörten Vertreter der lokalen Politik, Bürger, unter ihnen Fachleute auf verschiedenen Gebieten, aber auch Unternehmer und Vertreter der heimischen Wirtschaft. "Ja, so ein Inklusionshaus ist wie ein guter Kuchen, es braucht Zutaten, eine Form und Halt, und es braucht Bäcker, also Fachleute, die den Kuchen dann auch fertigstellen", sagte Schäfer. Sie dankte dem Land Hessen, dem Landkreis Limburg-Weilburg, der Gemeinde Mengerskirchen, der Kreissparkasse, dem Bistum Limburg, den Sponsoren sowie allen Genossenschafts- und Vereinsmitgliedern für ihre Unterstützung. Gemeinsam hätten sie die Finanzierung von 3,05 Millionen Euro gestemmt.

Die Menschen zusammenführen

Landrat Michael Köberle (CDU) lobte, dass es gelungen sei, Menschen im Herzen von Waldernbach zusammenzuführen. "Ich freue mich, dass die Inklusion hier lebt", sagte der Christdemokrat und Kreischef. Alle an dem Projekt Mitwirkende hätten ein "tolles Engagement" und "viel Herzblut" gezeigt.

Das Inklusionshaus, so der Vorsitzende der Gemeindevertretung Mengerskirchen, Manfred Gotthardt (CDU), sei ein "lebendiger Ort in einem lebendigen Dorf". Der Marktflecken habe mit 200 000 Euro zur Finanzierung beigetragen - Geld, so Gotthardt, "das selten so gut angelegt" gewesen sei. Darüber hinaus habe die Gemeinde die Bürgschaft über Fremdmittel in Höhe von 1,5 Millionen Euro übernommen und mit dem Ankauf und Abriss von zwei Gebäuden dem Projekt den Weg geebnet. Das Gelände sei der Genossenschaft in Erbpacht über 66 Jahre überlassen worden.

Auch zur Dorfentwicklung trage das Inklusionshaus bei. Sei es doch Teil einer "Achse", die mit einem Lebensmittelgeschäft beginnt und sich über zwei Gaststätten bis hin zum Familienzentrum, dem Pfarrheim und der Kirche St. Katharina erstrecke.

Über die Planungs- und Bauzeit berichtete Architekt Daniel Ebert. Nach einem schwierigen Beginn wegen schlechter Bodenverhältnisse sei der Rohbau zügig vorangeschritten. Corona sorgte für Verzögerungen beim Innenausbau, so dass die ersten Wohnungen statt im Winter 2020 erst im Frühjahr 2021 bezogen werden konnten. Den Abschluss des Gesamtprojekts bildete der Umbau des ehemaligen Feuerwehrhauses. Ebert überreichte den symbolischen Schlüssel an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Genossenschaft Christoph Pötz.

Zu Wort kam auch Jutta, eine Bewohnerin des Inklusionshauses, die zu diesem Anlass eine kleine Rede vorbereitet hatte. "Ich fühle mich sehr wohl und angekommen in meiner neuen Wohnung", sagte sie. Sie äußerte außerdem den Wunsch nach einem rollstuhlgerechten Auto.

Henrik May drückte auf der Trompete die Gefühle der mehr als 100 Gäste und Bewohner wohl am besten aus: Er spielte das Lied Wonderful World von Louis Armstrong. Bischofsvikar Dr. Christof May segnete das Haus, bevor abschließend Walter Beck, Bürgermeister Thomas Scholz (CDU) und Christoph Pötz einen riesigen Kuchen in Form des Inklusionshauses anschnitten. Anschließend bestand Gelegenheit, das Haus gruppenweise zu besichtigen.

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