Runkel/Villmar: Ein neuer Interessent für den Windpark

"Energiequelle" führt laut Bürgerinitiative schon Gespräche mit Grundstückseigentümern
Runkel/Villmar -Mehr als ein Jahr ist es her, dass der Windkraftprojektierer Naturwerk aus Herten (früher Recklinghausen) seine Pläne für einen Windpark auf einer Fläche zwischen Falkenbach, Seelbach und Arfurt fallen gelassen hat. Das Unternehmen aus dem Ruhrgebiet hatte sein über Jahre betriebenes Vorhaben Ende 2019 aufgegeben, weil nach damaligen Angaben auf dem Gelände schützenswerte Vorkommen von Rotmilan und Schwarzstorch gesichtet worden waren. Jetzt interessiert sich erneut ein Projektierer für das Gebiet.
Es handelt sich um den Windkraftprojektierer "Energiequelle" aus Erfurt, der schon seit November 2019 mit der Planung für einen Windpark begonnen habe, wie das Unternehmen auf Anfrage dieser Zeitung mitteilt. Bis zu sieben Anlagen seien auf dem Gelände vorgesehen. Seit Anfang dieses Jahres liefen Kartierarbeiten, die bis Ende 2021 abgeschlossen sein sollen.
Auch der Runkeler Bürgermeister Michel Kremer (parteilos) und sein Villmarer Amtskollege Matthias Rubröder (CDU) wissen von den Plänen der Erfurter, die schon vor einigen Monaten auf beide Verwaltungschefs zugekommen sind, um sie über ihre Absichten zu informieren.
Die ersten Windkraftpläne zwischen Falkenbach und Arfurt, die vor acht Jahren zur Gründung der Bürgerinitiative (BI) "Wind-Wahn" Runkel-Villmar geführt hatten, sahen den Bau von bis zu 23 Anlagen vor. Diese Zahl wurde reduziert, nachdem das "Vorranggebiet (VRG) für die Windenergienutzung" 1117 im Teilregionalplan Energie Mittelhessen deutlich zusammengestrichen worden war. Naturwerk hatte zuletzt noch zehn Anlagen geplant.
Nach Informationen des BI-Vorsitzenden Wolfgang Nawroth wurden mehreren Grundstückseigentümern bereits lukrative Pachtverträge angeboten. Bei den "Wind-Wahn"-Mitgliedern lösen die Pläne von "Energiequelle" Befürchtungen aus, ob die "Brandmauer" Vogelschutz hält. Nawroth erklärte, dass es keineswegs sicher sei, dass aufgrund der Vogelschutzsituation ein Windpark zwischen Falkenbach und Arfurt für alle Zeit ausgeschlossen ist. "Wenn der Projektierer die Flächen zusammenbekommen hat, wird er ein neues avifaunistisches Gutachten in Auftrag geben", so der BI-Vorsitzende. Und zu welchem Ergebnis dieses Gutachten kommen wird, ist aus seiner Sicht leicht zu erraten. Nawroth: "Es wird ergeben, dass die Windkraft dort zulässig ist."
"Energiequelle" gibt sich hinsichtlich des Artenschutzes in der Tat optimistisch: "Wir prüfen durch aktuelle Gutachten, ob sich die Sachlage zum Artenschutz geändert hat. Auch die neue Verwaltungsvorschrift VwV 'Naturschutz Windenergie' spielt dabei eine Rolle. Zudem gibt es inzwischen neue technische Möglichkeiten mit Detektionssystemen zum Artenschutz. Wir hoffen damit, Energiewende und Artenschutz gleichermaßen ermöglichen zu können", so das Unternehmen.
Die Befürchtungen der Windkraftgegner werden genährt durch den jüngsten Runderlass des Hessischen Wirtschaftsministeriums gemeinsam mit dem Umweltministerium. Nawroth, der das Papier studiert hat, urteilt: "Beim Abwägen zwischen Vogelschutz und Windkraft soll im Zweifelsfall für die Windkraft entschieden werden." Da kommt es dem BI-Chef gerade recht, dass der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Kassel bereits Mängel in dem Runderlass festgestellt habe.
Offener Brief an das Regierungspräsidium
In einem "Offenen Brief" an das Regierungspräsidium Gießen fordern die Windkraftgegner nicht nur Auskunft über den Planungsstand des Projekts, sondern auch über den Umgang der Genehmigungsbehörde mit den "schwerwiegenden und bekannten artenschutzrechtlichen Konflikten im VRG 1117". Das Schreiben, das auch vom Vorsitzenden der Kreisgruppe der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), Dieter Stahl, unterschrieben wurde, endet mit deutlicher Kritik an der Regierungsbehörde: "Gleichzeitig fordern wir, dass Kontrollen der Greifvogelhorste während der Brutzeit nicht stattfinden dürfen. Ihre Behörde hatte diesbezüglich schon mehrmals gesetzeswidrig Ausnahmen erteilt."
Bürgermeister Michel Kremer indes sieht keinen Grund zu grundsätzlicher Kritik an dem Vorhaben von "Energiequelle". Im Gegenteil: Ein Windpark würde aus seiner Sicht zu dem erst 2020 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Ziel passen, sich zur Hessischen Klima-Kommune entwickeln zu wollen. Die Möglichkeiten, auf die Pläne des Projektierers Einfluss zu nehmen seien ohnehin begrenzt, sagt Kremer. Denn zum einen seien die Flächen in dem Vorranggebiet fast ausnahmslos in Privatbesitz, zum anderen seien die planungsrechtlichen Voraussetzungen für einen Windpark vorhanden, seitdem das Gelände zum Windvorranggebiet erklärt worden sei. "Wir werden aber sicherlich in der Stadtverordnetenversammlung noch darüber reden, ob ein Windpark dort hin passt", so Kremer. "Außerdem muss geschaut werden, ob der Schwarzstorch noch vorhanden ist."