1. Startseite
  2. Region
  3. Limburg-Weilburg
  4. Villmar

Villmar: Landwirtschaft soll nachhaltiger werden

Erstellt:

Von: Tobias Ketter

Kommentare

Das Verhalten von 128 Kühen wird auf dem Gladbacherhof in den kommenden vier Jahren untersucht.
Das Verhalten von 128 Kühen wird auf dem Gladbacherhof in den kommenden vier Jahren untersucht. © Privat

Neues Forschungsprojekt auf dem Gladbacherhof - Stall wird gebaut

Aumenau -Auf dem Gladbacherhof in Aumenau startet ein neues Forschungsprojekt namens Green Dairy. Dabei geht es um eine enge Verzahnung von Tierhaltung und Pflanzenanbau in landwirtschaftlichen Betrieben. Die Wissenschaftler haben sich das Ziel gesetzt, innovative Tier-Pflanzen-Agrarsysteme zu entwickeln, die sowohl ökologisch und ökonomisch nachhaltig sind als auch ein besonderes Maß an Tierwohl ermöglichen.

Die wissenschaftliche Koordination des Projektes hat Professor Andreas Gattinger von der Justus-Liebig-Universität in Gießen inne. Er lebt auf dem Tannenhof nahe dem Selterser Ortsteil Eisenbach. Gattinger ist wissenschaftlicher Leiter des Gladbacherhofs, und er hat in der Vergangenheit dort schon einige Projekte betreut. Neben der Universität Gießen sind auch die Universität Kassel und das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg bei Berlin an Green Dairy beteiligt.

Tierzucht und Tierhaltung stellen für die deutsche Landwirtschaft wichtige Eckpfeiler dar. "Jedoch hat die Industrialisierung und Spezialisierung in der Landwirtschaft zu Strukturen geführt, die von entkoppelten Stoffkreisläufen mit hohen Stickstoffüberschüssen, Treibhausgasemissionen, Flächenkonkurrenz, Bodendegradation und Problemen beim Tierwohl gekennzeichnet sind", heißt es in einer Mitteilung der Uni Gießen. Durch das Projekt Green Dairy werden nun Alternativen untersucht.

Wissenslücken schließen

Doch wie soll das funktionieren? Die Wissenschaftler möchten auf dem Gladbacherhof einen modernen und ökologischen Gemischtbetrieb mit den Schwerpunkten Milchproduktion und Getreideanbau entwickeln. Die Rinderhaltung im Gemischtbetrieb gilt als eine der Lösungsmöglichkeiten, um die entkoppelten Stoffkreisläufe wieder zu schließen. Jedoch fehlt es noch an Wissen, welche Wirkungen auf Ökologie, Ökonomie und auf das Tierwohl von verschiedenen Intensitätsstufen solcher Produktionssysteme ausgehen. Diese Wissenslücke soll nun durch das Projekt geschlossen werden.

Milchkühe in zwei Gruppen aufgeteilt

Aber was geschieht eigentlich in den kommenden Monaten und Jahren genau auf dem Gladbacherhof, der ein Lehr- und Forschungsbetrieb der Universität Gießen ist? "128 Milchkühe mit täglichem Weidegang werden in zwei Gruppen aufgeteilt", sagt Gattinger. Die eine Gruppe werde mit hofeigenem Mais und Getreide gefüttert. Dieses Verfahren nennt sich High-Input-System. Die anderen Rinder erhalten kein Mais und Getreide, sondern nur Raufutter aus dem Grünland oder Luzerne von den Ackerfutterflächen. Diese Fütterungs-Methode, genannt Low-Input-System, wird bislang als der Standard in ökologisch wirtschaftenden Milchviehbetrieben angesehen. Doch ist sie wirklich auch die nachhaltigste? Andreas Gattinger geht nicht davon aus. "Durch das High-Input-System wird nämlich eine höhere Milchleistung ermöglicht. Es gab diesbezüglich bereits Datenerhebungen der Uni Gießen", sagt er. Er nimmt an, dass die deutlich höhere Produktivität des High-Input-Systems die negativen Umweltauswirkungen pro Produkteinheit bei mindestens gleichbleibendem Tierwohl reduziere.

Während des Vergleichs zwischen High-Input-System und Low-Input-System werden auf dem Gladbacherhof in dem Villmarer Ortsteil die Bereiche Tiere, Pflanzen und Umwelt genauestens untersucht. Dabei geht es unter anderem um die Zusammenstellung des Futters und um die Gesundheit und das Verhalten der Kühe. Darüber hinaus werden am Melkstand auch Methanmessungen durchgeführt sowie die Milchleistungen aufgezeichnet. Außerdem soll die Gülle der beiden 64 Rinder starken Gruppen mit Blick auf die Umweltauswirkungen untersucht werden. "Dabei geht es unter anderem um mögliche Nitratverluste und um klimarelevante Ammoniak- und Lachgasemissionen", erklärt Gattinger. "Im Projektbereich Systemanalyse laufen dann alle gesammelten Daten zusammen, so dass auch eine Klimabilanz und eine Gesamtbewertung erstellt werden kann", so der Wissenschaftler weiter.

Die Dauer des Projekts beträgt vier Jahre. Auf dem Gladbacherhof wird derzeit extra für die Untersuchungen ein neuer Stall gebaut, der Ende Juni fertiggestellt und später auch für andere Projekte genutzt werden soll. Für die unterschiedlichen wissenschaftlichen Arbeitsgruppen, die sich mit dem Green Dairy befassen, werden aktuell 13 Nachwuchswissenschaftler eingestellt, die in diesem Projekt ihre Dissertation durchführen oder sich im Rahmen ihrer Postdoc-Phase weiterqualifizieren. Das Projekt wird übrigens vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst im Rahmen des Programms "LOEWE" mit 4,8 Millionen Euro gefördert.

"Mit Green Dairy etablieren wir in Hessen eine deutschlandweit, wenn nicht sogar europaweit, einzigartige Plattform für eine vernetzte Agrar- und Ernährungssystemforschung. Wir erwarten Erkenntnisse, die die Diskussion um tierische Lebensmittel und Nutztierhaltung auf eine rationale und datenbasierte Ebene bringen", resümiert Gattinger.

Auch interessant

Kommentare