Steffi Riemer aus Weilmünster und ihr Igel-Krankenhaus

Anästhesie-Fachschwester kümmert sich im Kreis Limburg-Weilburg um hilflose und verletzte Tiere.
Weilmünster -Dennis liegt regungslos auf der Seite, und Steffi Riemer bangt um sein Leben: Der kleine Igel ist todkrank bei ihr abgegeben worden. Sie ist vor vier Wochen nach Weilmünster auf den Blumenhof umgezogen und hat ihre Igelstation mitgebracht, die nun "Igelhilfe Schöffengrund-Weilmünster" heißt. "Die Igelei ist mein Herzblutprojekt" verrät die Anästhesiefachschwester am Wetzlarer Krankenhaus, die wegen einer Hautkrebserkrankung ein Jahr lang krank war, nun aber die Krankheit besiegt hat und von Oberquembach nach Weilmünster umgezogen ist.
"Als ich 2017 meinen ersten verletzten Igel fand, machte ich damals so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann - und das Tier starb", blickt sie auf die Anfänge ihrer Igelliebe zurück. "Mit meinem heutigen Wissen hätte ich vermutlich diesem armen Tier das Leben retten können, denn seitdem habe ich mich täglich mit dem Thema befasst und mir ein umfassendes Fachwissen angeeignet."
Die kleine Kranken- und Pflegestation für Igel ist mittlerweile vom Veterinäramt abgenommen und zur "staatlich anerkannten Pflegestelle und Aufnahmestelle für Igel" ernannt worden. Dem anfangs erwähnten kleinen Patienten Dennis allerdings konnte auch die Igelfachfrau nicht mehr helfen: Inzwischen ist er gestorben, die Verletzungen waren einfach zu schlimm. Er war ausgehungert und schwer verwurmt. Fliegenmaden hatten schon begonnen, ihn bei lebendigen Leibe aufzufressen. Steffi Riemer hatte zwar alle Maden beseitigt, aber es nützte nichts mehr.
In der Igelstation, die sich - mit Erlaubnis des Vermieters natürlich - in einem großen Zimmer der Wohnung befindet, sieht es fast aus wie im Krankenhaus: Regale mit Medikamenten, Verbandsmaterialien und vielerlei mehr stehen bereit. Die Patienten sind in größeren, nach oben offenen Boxen untergebracht. Manche haben sich in eine Art Igelsack zurückgezogen, ein anderer bevorzugt Heu. Bonny ist am genesen: Er hatte eine Lungenentzündung und schwerste Verwurmung. Fynn litt ebenfalls an einer Lungenentzündung mit Atemnot und ruht jetzt im Kuschelsack. Alt-Igelmännchen Gigi war erst am Vorabend angekommen: Total ausgehungert, mit Atemproblemen und massivem Milbenbefall sowie einem Übermaß an Innenparasiten hatte er das große Glück, bei Steffi Riemer abgegeben zu werden. Sie beherrscht auch den Umgang mit dem Mikroskop und untersucht den Kot jedes Tieres. Jeder Parasit bedarf einer anderen Behandlung.
Gerade sind ihr sensationelle Aufnahmen mit dem Handy am Mikroskop gelungen: so kann man sehen, wie ein ausgereifter Wurm seine Larven ausschüttet. "Das Mikroskop ist das Herzstück einer Igelstation. Denn nur so kann man wissen, worunter ein Tier leidet", sagt die Tierfreundin, die beispielsweise bei Benny Kokzidien und bei Fynn Lungenwurmlarven festgestellt hat. Und sie fügt hinzu: "Tierärzte wissen oft nicht genügend über Igel Bescheid, weil dieses Thema im Studium nur überflogen wird. Dabei muss man sehr vorsichtig sein."
Hilfe von einer Tierärztin
Sie selbst arbeitet mit einer befreundeten Tierärztin zusammen, die mit ihr einen Betreuungsvertrag abgeschlossen hat und als ärztliche Leitung der Station fungiert. Natürlich hat sich die Tierärztin davon überzeugt, dass Steffi Riemer alles richtig macht, gut spritzen kann und die meist rezeptfreien Medikamente richtig anwendet, die sie über die Tierärztin bezieht.
"Ich bin eine Intensiv-Pflegestation für die schwerer erkrankten Tiere, habe aber auch einige Außenstellen, in denen genesene Igel noch bis zu ihrer Freilassung in die Natur gänzlich gesunden", erzählt Steffi Riemer, die von sich selbst sagt: "Ich habe sehr hohe Ansprüche an mich selbst: alles muss stimmen, von der Hygiene bis zur richtigen Therapie." Mehr als zehn Tiere nimmt sie nicht auf, um allen 100 Prozent gerecht werden zu können, denn die Versorgung schwerstkranker Tiere ist sehr zeitaufwendig und meistens rund um die Uhr nötig. Und das Telefon steht nie still: Viele Anrufer fragen um Rat, und auch Tierheime berät sie über die richtige Versorgung von Igeln.
Die gebürtige Hamburgerin, die in Lüneburg aufgewachsen ist und in Celle ihre Krankenpflegeausbildung absolvierte, lebte auch neun Jahre auf Norderney, bis sie nach Hessen zog. Aus Erfahrung weiß sie: "Wenn Sie tagsüber einen Igel sehen, dann stimmt etwas nicht, denn einen gesunden Igel werden sie am Tag nicht zu Gesicht bekommen, da die Tiere nachtaktiv sind. Tagaktivität ist fast immer ein Zeichen für Hilfebedürftigkeit."
Dann rollen sie sich nicht ein, torkeln, sind apathisch oder liegen auf der Seite und sind sehr oft massiv mit Flöhen, Zecken, Fliegeneiern und schlimmstenfalls mit Maden besiedelt. Verletzte Igel finden sich an Straßen, nahe von Bauarbeiten oder nach Zusammenstößen mit Menschen und deren Gartengeräten. Beim Auffinden von verwaisten Igel-Säuglingen, die sich tagsüber außerhalb ihres Nestes befinden, kann man davon ausgehen, dass diese Tiere mutterlos sind und sofort fachmännische Hilfe benötigen. Ein gesunder Igel ist tropfenförmig und hat kreisrunde halbkugelige Augen. Ein krankes, abgemagertes Tier hat einen sogenannten Hungerknick im Nacken, eingefallene Flanken und schlitzförmige Augen. "Wenn Sie solche Tiere sehen, rufen Sie mich bitte umgehend an", sagt die Fachfrau. Ihre ehrenamtliche Arbeit, in die sie viel Zeit, Geld und Liebe steckt, mache ihr viel Spaß, weil sie der Natur etwas zurückgeben möchte. "Wir alle sind Schuld an der Zerstörung der Lebensräume, am Insekten- und Vogelsterben. Wenn nicht jeder Einzelne umdenkt, wird es in wenigen Jahren keine Igel, Insekten und andere Wildtiere mehr geben. Wir brauchen Wildblumen, Bienen, verwilderte Ecken in den Gärten, einheimische Stauden, Hecken und Büsche zum Unterschlupf. Und wenn man dann noch ein großer Tierfreund ist, kann man eine Futterstelle einrichten. Aber keine Betongärten herrichten und kein Gift im Garten und auf den Feldern verwenden." Schon das Anlegen eines Totholzhaufens im Garten mit aufgetürmtem Gartenschnitt sei nützlich. "Man kann mit ganz wenig ganz viel bewirken", sagt Steffi Riemer.
Auf ihrer Facebook-Seite "Igelhilfe Schöffengrund" betreibt Steffi Riemer auch Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit. Und sie ist für Spenden und Hinweise auf geeignete Plätze zum Auswildern gesunder Igel dankbar.
Tipps für die Erstversorgung von Igeln
Und das rät Steffi Riemer für die Erstversorgung von Igeln: Igel sichern und fliegensicher unterbringen und folgende Informationen an eine Igel-Pflegestelle weitergeben:
- Rollt sich der Igel ein?
- Fühlt sich der Igel unter dem Bauch kälter an, als ihre Hand?
- Verletzungen vorhanden?
- Fliegeneier oder Maden?
- Ist der Igelkörper rund oder länglich?
Keine Angst vor den Außenparasiten! Sie sind wirtsspezifisch und ernähren sich vom Igelblut. Benötigt wird ein hoher Karton (mindestens 50 Zentimeter, Handschuhe und ein Handtuch. Sollte sich das Tier kühl anfühlen (Bauch kälter als die Hand), dann benötigt es eine Wärmequelle von unten. Wichtig: Nicht heiß, nur handwarm! Bedecken Sie den Igel mit einem Handtuch. Bieten Sie dem Igel Wasser, Katzennassfutter oder Rührei ohne Gewürz an. Einem apathischen Tier niemals Flüssigkeiten einflößen!
Nach der Erstversorgung holen Sie Hilfe über eine Igelpflegestelle in Ihrer Nähe - dazu in Google "Igelpflegestelle" eingeben, diese sind im Internet nach Postleitzahlen gelistet. mba
Das fressen Igel
- Hochwertiges, getreidefreies Katzenfutter mit Fleischanteil von mindestens 60 bis 70 Prozent.
- Rührei ohne Gewürz (schlabberig zubereitet).
- Gekochte Hühnerschenkel.
- Gebratenes Rinder-/ Geflügelhack (ohne Gewürze).
- Lebendinsekten (Heimchen, Grillen).
- Frisches Wasser
Bitte nicht füttern:
- Igel-Fertigfutter aus dem Handel.
- Saucen, Gelees und Aspik.
- Getreide, Haferflocken, Obst und Gemüse wie Äpfel und Rosinen, Nüsse oder Milch.
Von Margit Bach
Kontakt:
Igelhilfe Schöffengrund-Weilmünster Steffi Riemer, Weilstrasse 29 a, 35789 Weilmünster, 01 70-8 05 41 74, E-Mail an skysteffi@web.de.