Ex-Nazi-Tötungsanstalt bald Freizeitgelände?

Vereine in Weilmünster (Kreis Limburg-Weilburg) verlangen einen respektvollen Umgang mit einer Ex-Tötungsanstalt der Nazis. Es gibt Ärger über die Planungen am Vitos-Gelände.
- Weilmünster: Kein Freizeitgelände auf Vitos-Gelände.
- Verein "Gegen Vergessen - Für Demokratie" ist bestürzt über die Planungen.
- Vitos Weil-Lahn relativiert die Debatte.
Weilmünster - Der Verein "Gegen Vergessen - Für Demokratie" Regionale Arbeitsgruppen Rhein-Main und Mittelhessen ist bestürzt über Planungen, auf dem Gelände der Vitos-Klinik Weilmünster im Falle eines Umzugs nach Weilburg unter anderem Freizeit- und Eventeinrichtungen zu bauen.
"Der Schauplatz von NS-Massenverbrechen darf nicht als Freizeitarena oder Event-Location missbraucht werden", heißt es in einem Aufruf, den sieben Vereine und Arbeitsgruppen sowie einige Privatpersonen unterzeichnet haben, die sich dem Gedenken an die NS-Verbrechen widmen. Zu den Unterzeichnern gehören auch der Verein "Weilburg erinnert" und der "Arbeitskreis Stolpersteine der Verbandsgemeinde Aar-Einrich".
Die Unterzeichner dieses Aufrufs seien "bestürzt von solchen Plänen, die die besondere Geschichte der ehemaligen 'Heil- und Pflegeanstalt Weilmünster' und ihren Einbezug in die Ermordung von mehr als 6000 Menschen in der NS-Zeit konterkariert", heißt es weiter. "Wir fordern die Verantwortlichen der Gemeinde Weilmünster und der Vitos Weil-Lahn gGmbH auf, von diesen Planungen Abstand zu nehmen und einen würdevollen und angemessenen Gedenkort in die Planungen mit einzubeziehen."
Überlegungen der Gemeinde Weilmünster (Kreis Limburg-Weilburg) und von Vitos Weil-Lahn
Hintergrund für den Aufruf sind Überlegungen der Gemeinde Weilmünster und von Vitos Weil-Lahn, "das Freizeitpotenzial des Klinikgeländes auszubauen und einen Teil touristisch zu erschließen", wie es in einer Pressemitteilung von Anfang Dezember heißt. Bei einem Treffen einer Steuerungsgruppe, die Pläne für eine Nachfolgenutzung des Klinikgeländes entwickeln soll, war die Rede von "Übernachtungsmöglichkeiten, Hotellerie und Event-Locations". An keiner Stelle jedoch, so kritisieren die Unterzeichner des Aufrufs, sei die Rede von der "besonderen Geschichte der Klinik" gewesen.
Das Gelände hat bereits 1897 eine sogenannte "Provinzialirrenanstalt" beherbergt, und die Zeit des Nationalsozialismus brachte für mehr als 6000 Menschen, die in der "Heil- und Pflegeanstalt" untergebracht waren, den Tod. Als "lebensunwert" und "nutzlose Esser" verunglimpft, fanden etwa 3000 von ihnen den Tod direkt in der Anstalt. Bei einer nicht bekannten Zahl wurde nach dem Tod das Gehirn entnommen und der Forschung zugeführt. Weitere etwa 3000 Menschen wurden von Weilmünster in die NS-"Euthanasie"-Anstalt Hadamar gebracht, wo sie ermordet wurden - oftmals noch am Tag der Ankunft.
Weilmünster war darüber hinaus Ort von Zwangssterilisationen. Zudem existierte in der Anstalt zu jener Zeit eine bis heute nicht erforschte Ghettoabteilung für Menschen, die jüdischer Herkunft waren.
Nazi-Massenverbrechen in Weilmünster im Kreis Limburg-Weilburg: Erinnerung an Einzelschicksale
Besonders machen die Unterzeichner auf viele Einzelschicksale aufmerksam, zum Beispiel das von Anne Balser, die in Weilmünster am 13. September 1942 verstarb. An sie erinnert ein sogenannter Stolperstein in Kaltenholzhausen, ihrem letzten frei gewählten Wohnort. Irmgard Heiss starb Anfang 1944 an den Folgen der in Weilmünster erlittenen Hungerbehandlung. Die Unterzeichner fordern die Verantwortlichen auf, bei ihren Planungen das schwere historische Erbe als Tatort von NS-Massenverbrechen zu berücksichtigen.
Vitos Weil-Lahn hat auf Anfrage dieser Zeitung erklärt, dass der Umzug der Klinik von Weilmünster nach Weilburg noch nicht definitiv feststehe. Weiter versichert das Unternehmen jedoch, dass Vitos bei dem "möglicherweise stattfindenden Veränderungsprozess des Klinikgeländes in Weilmünster die Verantwortung für das Andenken der hier im Nationalsozialismus ermordeten Menschen ein wichtiges Anliegen ist". Daher werde die besondere Geschichte des Standortes in die Zukunftsentwicklung einbezogen.
Zum Thema Gedenken und Erinnerung sei Vitos Weil-Lahn bereits im Gespräch mit der Gedenkstätte Hadamar. Das Unternehmen stehe zu der Verantwortung für ein "würdiges Gedenken an die Opfer der NS-Zeit in der Heil- und Pflegeanstalt Weilmünster" und trage dafür Sorge, dass es auch in Zukunft angemessenen Raum findet. Es sei daher selbstverständlich, dass die Erinnerung an die ermordeten Menschen in das Nachnutzungskonzept integriert werde. (oho)