Hundertwasserhaus: Wohnen in Welle und Spirale

Grafiken von Friedensreich Hundertwasser stellt die Stadtgalerie im Badehaus in Bad Soden ab Freitag aus. Dies ist ein Anlass, das Haus am Quellenpark und seine Geschichte vorzustellen.
Eine Märchenburg, ein Dornröschenschloss, eine Wohnanlage mit vergoldeten Helmen und azurblauen Kuppeln: Bilder wie diese geisterten Ende der 1980er Jahre durch die Tagespresse. Ein „Hundertwasserhaus“, ein architektonisches Kunstprojekt in Bad Soden, einem Provinzstädtchen am Fuße des Taunus, das seinerzeit gerade mal 18 000 Einwohner zählte? Das musste Aufsehen erregen, es mobilisierte Befürworter und Gegner.
Mehrere Jahre hat der Bauingenieur Wolfgang Wachendorff nach einem Grundstück gesucht, um seinen Traum umzusetzen. Eine Wohnanlage im Sinne der Hundertwasser-Philosophie wollte er bauen. Am Rhein in Eltville in wunderschöner Lage fand er es. Doch sein Arbeitgeber in Wiesbaden, ein renommierter Baukonzern, wollte nicht mitziehen. Kurzerhand machte sich der Diplomingenieur selbstständig, schaute sich in seinem Wohnort um und wurde im Sanierungsgebiet in der Sodener Altstadt fündig. Seinen Kontakt zu dem österreichischen Künstler Friedensreich Hundertwasser hatte er nicht abreißen lassen – und der Meister ließ sich begeistern.
Natur und Architektur
Wachendorff nahm eine Million Mark in die Hand, erwarb das Haus Bockenheimer, das 1722 als erstes Kurhaus in Soden gebaut worden war. Es folgten Gespräche mit dem damaligen Sanierungsträger, der Nassauischen Heimstätte, und der Stadt Bad Soden. „Ich wollte ein Haus bauen“, sagt der 68-Jährige heute, „welches nicht in die Altstadt geprotzt wird“. Ganz nach Hundertwassers Weltbild, die Natur in die Architektur einbeziehen. Alle hätten die Idee damals mitgetragen, sagt Wachendorff. Und als das Modell des Wohnprojekts „Wohnen in den Wiesen“ den Stadtverordneten im November 1989 vorgestellt wurde, hätten sie euphorisch reagiert.
Besucherströme erwartet
Begeistert prophezeite SPD-Fraktionschef Ulrich Dillmann, dass dieses „Unikat“ Besucherströme anziehen werde und warnte vor „baubehördlichen Retuschen“. Das wäre, als wenn man an einem Rubens herumpinseln würde. Die CDU-Fraktion sah das Projekt nüchterner und forderte 30 öffentliche Parkplätze in der Hundertwasser-Garage sowie einen öffentlichen Weg durch das Anwesen. Mit der Bauphase begann dann ein langer Prozess, in dem sich das Verhältnis zwischen der Stadt und dem Bauherrn Wachendorff zuspitzte. „Das bis heute vergiftet ist“, wie Wachendorff betont.
Auf drei Texttafeln an dem ehemaligen Haus Bockenheimer, das in das Hundertwasser-Ensemble integriert wurde, stellt Wachendorff seine Sicht der Dinge dar. Bis heute habe sich die Stadt nicht bei ihm entschuldigt, obwohl sie ihn mit falschen Behauptungen in den Konkurs getrieben habe. Dabei sei es um die Verschmutzung der Quellen im Baugebiet gegangen, die man ihm angelastet habe, um versprochene Ablösesummen für die Parkplätze, die nicht eingelöst wurden, und einiges mehr.
Einen Tag nach dem Richtfest, das man gemeinsam gefeiert habe, erinnert Wachendorff, sei ihm aus dem Sodener Rathaus die Klage auf den Tisch geflattert. Sieben Jahre, sagt Wachendorff, habe er gebraucht, um aus dem Insolvenzverfahren herauszukommen. Das war 2003, als er alle 22 Wohnungen verkauft habe. Auch alle Handwerker seien bezahlt worden.
Wenn er heute die mit blau-grünen Mosaikbändern belegten Stufen zu seinem Turmzimmer hinaufsteigt, was etwas vom Erklimmen der Himmelsleiter hat, scheint er mit sich im Reinen zu sein. Der Blick streift eine mit Wildblumen bewachsene Terrasse. Der Hausherr zeigt auf die Gewölle auf dem Fenstersims. Hinterlassenschaften der Uhus, die alljährlich ihre Jungen hier oben großziehen. Von der Höhe öffnet sich ein faszinierender Blick über die Stadt, auf die Parks, die evangelische Kirche bis zum Hochhaus am einstigen Thermalbad. Die „drei Ks“, wie Wachendorff seine Sichtachse nennt: Kunst, Kirche und Kommerz. „Es ist schön, dass ich das Haus gebaut habe, gegen alle Widerstände“, sagt er mit Blick auf das Modell von 1989. Auf 250 Betonpfählen bis zu 15 Metern in die Tiefe wurde der Wohnhügel in dem Quellenschutzgebiet errichtet. 4000 Quadratmeter Grundstücksfläche umfasst er. Mit einem Kreditrahmen von 20 Millionen Mark ging Wachendorff ans Werk.
Noch zwei Jahre vor seinem Tod habe Hundertwasser ihn in seiner Biographie als „Weggefährten“ bezeichnet. „Er hat mir voll vertraut, ich bin stolz darauf“, sagt Wachendorff. Der Ansturm von Touristen-Bussen in die Stadt ist ausgeblieben. Einzelne Besucher bleiben erstaunt vor der Märchenburg stehen und zücken ihren Fotoapparat. Und prominente Künstler, die in der Stadtgalerie ihre Werke ausstellen, wie Armin Mueller-Stahl, pilgern zu dem Hundertwasser-Haus.