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Eppstein: Dreckiges, aber wichtiges Gewerbe

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Die Ausstellung zeigt auch das Dienstfahrrad der Firma Zimmermann & Kramer sowie einige Tafeln.
Die Ausstellung zeigt auch das Dienstfahrrad der Firma Zimmermann & Kramer sowie einige Tafeln. © preusche

Ausstellung beleuchtet Lederindustrie

Eppstein. Im letzten Viertel des vergangenen 20. Jahrhunderts gab es an Vockenhausens Hauptstraße noch vier große Lederfabriken. Der letzte Betrieb gab im Jahr 1992 aus wirtschaftlichen Gründen auf. Das Stadt- und Burgmuseum erinnert nun mit der Ausstellung „Die Tochter des Rotgerbers“ an das bedeutende Gewerbe sowie an dessen ehemalige Eigentümer. Es zeigt Ausschnitte aus der mit der Feinlederherstellung verbundenen harten Arbeitsabläufe. Zur Eröffnung kamen viele interessierte Besucher, darunter ein Nachkomme sowie Verwandtschaft einstiger Fabrikbesitzer.

Fritz Steingötter kann sich noch gut an den „brutalen Gestank“ erinnern. Als Heranwachsender half er im „Lederwerk Taunus“ in der Schmelzmühle, deren Inhaber seit 1932 sein Vater Waldemar und dessen Onkel Conrad Fuchs aus Lorsbach waren. Steingötters Erinnerungen reichen von frisch gefärbten Fellen, die zum Trocknen unterm Dach hingen, deren stechender und Atem raubender Geruch, der in der Nase blieb, bis zu deren Weiterbearbeitung mit der hydraulischen Presse, die dem Leder ein Muster einprägte. „Das war eine Riesensache. Heute hat man viel Glattleder. Damals wurden viele Narben ins Leder eingepresst.“ 30 Mitarbeiter, darunter einige Frauen, so der 83-Jährige, seien beschäftigt gewesen. Die Rohfelle, die zum Großteil aus Offenbach geliefert und zuvor aus Nordafrika oder dem asiatischen Raum importiert wurden, habe die Firma in Lohnarbeit veredelt oder als Fertigprodukt weiter verkauft. Weniger erfreulich ist die Erinnerung an den frühen Tod seines Vaters mit 44 Jahren. „Er hatte immer wieder wunde Finger“, weiß der Vockenhausener von dessen ungeschützten Kontakt beim Lederfärben. 1957 nach dem 25-jährigen Bestehen gaben Steingötters Mutter und Fuchs die Firma auf. Später lebte und arbeitete in dem Gebäude, das der Schwarzfarbenfabrik Michel & Morell gehörte, das Künstlerehepaar Robert Michel und Ella Bergmann-Michel.

Einen weiten Weg legten Werner Kramers Schaf- und Ziegenfelle aus Neuseeland bis nach Vockenhausen zurück. Der einstige Inhaber der letzten Lederfabrik hielt bis 1992 die Stellung, bis ihn wirtschaftliche Gründe und höhere Umweltauflagen zum Aufgeben zwangen. Gründe waren neben konkurrierenden und günstigeren Herstellern aus anderen Ländern, geänderte Geschäftsmodelle von deutschen Unternehmen, die er mit gegerbten und eingefärbten Produkten belieferte. „Von Limburg bis Frankfurt gab es 70 Lederfabriken“, sagt Kramer. Der heute 96-Jährige hatte 35 Angestellte in seiner „Lederfabrik Main-Taunus“ beschäftigt, die 2008 abgerissen wurde.

„Das Gerben gehört immer noch zu den dreckigsten Gewerben der Welt.“ Museumsleiterin und Stadtarchivarin Monika Rohde-Reith berichtet bei der Eröffnung von der anstrengenden Arbeit wie den gesundheitlichen Risiken beim Einsatz von Chromsalzen. Rheuma, Tumore oder schwere Hautreaktionen können auftreten. In Fés (Marokko) werden Tierhäute noch nach dieser Methode gegerbt. „Dort kann man das riechen und sehen“, so Rohde-Reith.

Auch die Entsorgung der Farbreste direkt in den Dattenbach - auch Goldbach genannt - warf in Vockenhausen bis in die 90er Jahre Probleme auf. „Der Goldbach schimmerte in allen Farben, desto mehr es nach Eppstein ging“, so Rohde-Reith. Als Folge starben Fische und Pflanzen. Ein Umdenken begann: „Viele verarbeiten heute pflanzliche Produkte“, stellt sie fest.

Diesem Trend folgt auch Klaus Freund. Der Inhaber von „Heim Leather Chem GmbH“ hat die einstige Firma seines Vaters Karl Freund übernommen und verlegte diese von der Taunusstraße ins Bremthaler Gewerbegebiet. Dort entwickelt das Unternehmen unter anderem Produkte zur Zurichtung und Veredelung von Leder sowie zum Einfärben von Tierhäuten. „Meistens aus nachwachsenden Rohstoffen und ohne Lösungsmittel“, erklärt Freund. Produziert wird aber in Spanien.

Die Ausstellung „Die Tochter des Rotgerbers“ im Burgmuseum sowie ein Film mit dem Zeitzeugen Fritz Steingötter ist während der Öffnungszeiten der Burg noch bis 3. Oktober zu sehen. Hier wird auch verraten, warum die Ausstellung den Titel erhielt. dp

INFO: Bekannte Betriebe

Im 18. Jahrhundert siedelten sich in Vockenhausen Gerbermühlen an. Zuvor prägten vom 14. bis 17. Jahrhundert Schmelzmühlen, die Eisenerz schmolzen und Eisen herstellten, den Ort. Auch eine Pulvermühle gab es. Bekannt sind Embs- und Mohrsmühle, zwei weitere Mühlen im Bereich Hauptstraße 128/ 130, eine Mühle Hauptstraße 95-97, die Ex-Pulvermühle am heutigen Bergmann-Michel-Weg. In den Lederfabriken wurden Taschen, Buchrücken, Gürtel geschmeidig gemacht und gefärbt. dp

Monika Rohde-Reith mit Fritz Steingötter und Adolf Straßer (r.).
Monika Rohde-Reith mit Fritz Steingötter und Adolf Straßer (r.). © preusche

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