Eppstein: „Märchen entrücken in eine andere Welt“

Burgschauspieler binden Nachwuchs bei Touren ein
Eppstein. „Das ist aber keine echte Prinzessin, oder?“, fragte ein kleines Mädchen seine Oma leise und schaute ein wenig ängstlich zu den beiden Rittern in Rüstung, die das Burgtor bewachten. Anlässlich des Märchentages erwachten am Sonntag in drei ausgebuchten Führungen der Eppsteiner Burgschauspieler der gestiefelte Kater, Hänsel und Gretel oder Rotkäppchen im passenden Ambiente der Burg zum Leben. Die Hoffnung auf gutes Wetter hat sich für die Vorsitzende Juliane Rödl glücklicherweise erfüllt. „Ein Märchentag ist wichtig und schön für alle, denn Märchen rufen besondere Gefühle hervor und entrücken einen in eine andere Welt - so was vergisst man so schnell nicht wieder“, sagte sie.
Ein Beitrag zum Europatag
Die Veranstaltung für Kinder war ein Beitrag der Burgschauspieler zu den bundesweiten Europawochen. Unter den acht in Szene gesetzten Märchen waren daher Dichtungen wie „Der Schütze Bryte“ aus Schweden oder „Des Kaisers neue Kleider“, ein Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen. „Es gab viel vorzubereiten, bewundernswert, wie die Burgschauspieler das schaffen“, so Museumsleiterin Monika Rohde-Reith, die den Märchentag in Kooperation mit den Burgschauspielern organisierte, begeistert.
Unter den 40 agierenden „Burgis“ waren viele Nachwuchsschauspieler. „Wahnsinn, wie die Zehnjährigen bereits ihre Rollen drauf haben“, lobte Rohde-Reith. Dabei seien die Jüngsten noch gar nicht lange dabei.
Zehn neue Jung-Darsteller
Über Erzieherin Sonja von Saldern, die in der Schülerbetreuung tätig ist, konnten zehn neue, enthusiastische junge Darstellende gewonnen werden. Darüber ist Rödl sehr froh. Früher seien nach dem jährlichen Weihnachtsmärchen viele Eltern auf sie zugekommen und hätten ihre Kinder angemeldet. „Drei Jahre Auszeit wegen der Coronapandemie haben eine Lücke in unsere Nachwuchsarbeit gerissen“.
In Workshops wurden die „Neuen“ intensiv auf ihre Märchenrollen vorbereitet, seit Ende März mit dem ganzen Ensemble jeden Samstag auf der Burg geprobt. „Die Kinder finden es toll, dass sie behandelt werden wie die ,alten“’ Schauspieler - alle werden mal korrigiert“, hat Rödl beobachtet.
Eine, die selbst seit Kindesbeinen auf der Bühne steht und nun das Rumpelstilzchen mimte, ist Erzieherin Janna Bergen. Sie kann aber nicht nur schauspielern: Für den Märchentag hat sie jeweils entscheidende Momente aus den Dichtungen herausgepickt, zu kurzen Szenen komponiert und die Regie übernommen. „Janna ist ein Märchenmensch und kann ganz toll mit Kindern umgehen“, ist Rödl überzeugt.
Begeistert und erwartungsvoll wanderten die kleinen Besucher und ihre Begleiter auf dem Weg durchs Burggelände von einem Schauplatz zum nächsten. Dabei wurden sie von den Schauspielern gekonnt eingebunden. Es durfte gerufen, geraten und viel gelacht werden. Vor allem bei der letzten Szene aus „Des Kaisers neue Kleider“ hatten alle ihren Spaß. Der Kaiser trat natürlich nicht nackt auf. In seinem Seidengewand klaffte jedoch am Hinterteil ein großer Riss, durch den eine bunt bedruckte Unterhose blitzte.
Die ehrenamtlich agierenden Burgschauspieler feiern in diesem Jahr übrigens ihren 55. Geburtstag. 155 Mitglieder im Alter zwischen 9 und 95 Jahren hat der Verein, darunter gut 50 Aktive sowie Akteure hinter der Bühne und das Catering-Team, das sich bei Veranstaltungen um die Bewirtung der Gäste kümmern. Am 17. Juni eröffnen die „Burgis“, wie jedes Jahr, die über die Region hinaus bekannten Eppsteiner Burgfestspiele auf der ältesten Freilichtbühne der Rhein-Main-Region. Dann steht die Krimikomödie „Trink oder stirb“ nach Sam Bobrick auf dem Programm, für die seit Dezember eifrig geprobt wird. Der Märchentag und der von den Burgschauspielern begleitete Osterspaziergang waren schnell ausgebucht. Man sollte sich daher rechtzeitig um Karten kümmern. (Eva-Maria Homann)