Frau Kogut ist ihren Hund los

Eine gehandicapte Eschbornerin erzählt, wie der Golden Retriever „Miss Sophie“ ihr den Alltag erleichterte. Doch sie musste den treuen Vierbeiner abgeben. War das nötig? Es gibt zwei Versionen dieser Geschichte.
Wenn die Rede von Miss Sophie ist, kommen Dominique Kogut noch immer die Tränen. Mit dem Assistenzhund an ihrer Seite hatte die kleinwüchsige und auf einen Rollstuhl angewiesene Frau nicht nur einen zuverlässigen, ständigen Helfer. Der treue Vierbeiner war ihr auch Gefährte und so etwas wie eine große Liebe.
„Die Zeit mit Miss Sophie war die schönste in meinem Leben“, sagt Dominique Kogut. Doch der Hund, der von „Vita“, einem auch im Rhein-Main-Gebiet agierenden Assistenzhunde-Verein für den Dienst an behinderten Menschen, ausgebildet wurde, ist nicht mehr bei ihr. Denn der Verein ist nach Darstellung seiner Vorsitzenden Tatjana Kreidler zu dem Schluss gekommen, dass es nicht zu verantworten gewesen wäre, den Golden Retriever in der Obhut der jungen Frau zu lassen.
„Tiere werden geschützt“
Für Dominique Kogut ist dies bis heute eine Entscheidung, die sie nicht akzeptiert und die sie tief verletzt. 2010 hatte die Geschichte zwischen der aus Bochum stammenden Frau, die alle nur „Domi“ nennen und Miss Sophie angefangen. Damals erhielt sie den Assistenzhund zunächst auf Probe und war so begeistert, dass sie alles daran setzen wollte, den Hund behalten zu können. Größte Hürde: Da die Ausbildung solcher Hunde als sehr aufwendig gilt, verlangt Vita 25 000 Euro für die Bereitstellung und den damit verbundenen Aufwand. Eine Spendengala mit einem Musical-Star half schließlich entscheidend, das Geld zusammenzubringen. Domi war überglücklich, wie in alten Zeitungsberichten unschwer nachzulesen ist. Sie unterschrieb den Vertrag, den Vita ihr vorlegte, und ging auch auf die Pflichtmitgliedschaft in dem Verein mit Sitz in Hümmerich (Rheinland-Pfalz) ein, die die Geringverdienerin 50 Euro monatlichen Beitrag kostete. Außerdem musste Miss Sophie mindestens einmal jährlich auf Koguts Kosten bei der Bad Sodener Tierärztin Ariane Volpert vorgestellt werden, die auch Zweite Vorsitzende des Vereins ist.
Für die Vita-Vorsitzende Tatjana Kreidler ist alles „ganz normal“, zumal man damit den Qualitätsstandards der Assistance Dogs Europe (ADEu) entspreche. Regelmäßige Trainings, an deren Ende es eine Benotung gibt, gehören ebenso zu den Auflagen. Das alles geschehe aus Sorge um die durch ihre Ausbildung als sehr wertvoll geltenden Tiere. Das macht auch den Preis für eine Bereitstellung aus.
Dass es tatsächlich nur eine Bereitstellung ist, steht im Vertrag, den Kogut unterschrieben hat. „Das war mein Fehler, hat mir der Anwalt gesagt“, erklärt die Eschbornerin. Denn trotz des vielen Geldes, das ihr für Miss Sophie gespendet wurde, ist der Assistenzhund nicht ihr Eigentum. Auch das entspreche internationalen Qualitätsstandards und diene dem Schutz der Tiere, betont Tatjana Kreidler.
Verlust nicht überwunden
Im Nachhinein hält Dominique Kogut es für ihren größten Fehler, dass sie dem Verein zu nahe gekommen ist. Denn die Computer-Grafikerin hat für Vita eine ganze Zeit lang auch gearbeitet und dabei in der Vereinszentrale in Hümmerich gewohnt. „Alles mögliche, was angefallen ist“, habe sie dort im Büro erledigt, sagt sie. Und das sei immer sehr viel gewesen. Wenn sie dann habe Pause machen wollen, um mit Miss Sophie rauszugehen, habe sie häufig noch eine Extra-Aufgabe bekommen nach dem Motto: „Kannst du das noch schnell erledigen? Wir nehmen dann Miss Sophie schon mal mit raus“, habe man dazu freundlich angeboten. Genau daraus habe man ihr dann einen Strick gedreht und ihr vorgeworfen, sie kümmere sich nicht genug um den Assistenzhund. Weil das Arbeitsverhältnis endete und ihr Vita auch das Zimmer in Hümmerich gekündigt habe, hatte die heute 32-Jährige Ende 2013 allerdings noch andere Sorgen. Mit Hilfe der Eschbornerin Ruth Stobbe, die damals auch das Kreisblatt einschaltete, erhielt sie schließlich in Eschborn eine Wohnung. Der Hund war da allerdings schon nicht mehr an ihrer Seite. Für Dominique Kogut ist dies ein Verlust, den sie bis heute nicht verwunden hat.
In Amerika gelandet
Die Darstellung von Tatjana Kreidler fällt anders aus. Frau Kogut, die 2011 in Bochum ihre Arbeit verloren und darauf panisch ihre Wohnung gekündigt habe, habe man mit dem von Anfang an befristeten Arbeitsverhältnis und dem Zimmer in Hümmerich aus der Notlage helfen wollen. Schon vorher habe sie sich nur unzureichend um den Hund gekümmert und ihn immer wieder Vita zur Betreuung überlassen. Auch in Hümmerich sei der Hund mehr in ihrer Obhut gewesen als in der der Behinderten, sagt Kreidler. Immer wieder habe man Gespräche und Supervisionen gehabt und insgesamt drei Zusammenführungen, die sehr teuer und aufwendig für den Verein seien, durchgeführt.
Dass es viele Prüfungen für sie gab, berichtet auch Kogut, viel Druck sei aufgebaut worden. Seit sie ihre Geschichte auf Facebook öffentlich gemacht habe, habe sie von anderen ähnliche Erfahrungen mit Vita geschildert bekommen. „Das Wohl der Tiere steht für Vita an erster Stelle“, heiße es immer, weiß Kogut. Heute erlaubt sie sich die Frage, was denn mit dem Wohl des beteiligten Menschen sei. Miss Sophie, hat Kogut gehört, sei mittlerweile in Amerika. Tatjana Kreidler bestätigt, dass eine ehemals für Vita als „Patin“ tätige Frau den Hund aufgenommen habe. „Das ist für ihn am besten, der Hund brauchte Stabilität“, sagt die Vita-Gründerin. Das sei auch Wunsch der Prominenten gewesen, die damals die Gala für Domi Kogut gemacht hätten. Tatjana Kreidler ist überzeugt, sie hätte nicht anders handeln können. „Ich kann heute in den Spiegel schauen“, versichert sie.
Eschborn führt zum 1. Januar die Hundesteuer ein, obwohl die Stadt es finanziell nicht nötig hat. Der Bund der Steuerzahler sagt, die Hundesteuer habe nur einen winzigen Anteil am Steueraufkommen.