Verfahrensdauer erspart Bürgermeister Mathias Geiger ein Drittel seiner Strafe

Wegen des Verrats von Dienstgeheimnissen wurde Bürgermeister Mathias Geiger gestern zu einer Geldstrafe von 30 600 Euro verurteilt. Ein Drittel davon muss er wegen der langen Verfahrensdauer nicht zahlen.
Am Tag der Urteilsverkündung blieben im Gerichtssaal viele Zuschauerplätze leer. Nach den fünf vorhergehenden Verhandlungstagen erwartete niemand mehr eine Überraschung – und die gab es auch nicht. Wegen des Verrats von Dienst- und Steuergeheimnissen wurde Eschborns Rathauschef Mathias Geiger zur Zahlung von 180 Tagessätzen zu je 170 Euro verurteilt. Da sich das Verfahren über drei Jahre hingezogen hat, werden ihm davon 60 Tagessätze erlassen. Er muss also de facto nur 20 400 Euro zahlen. Zudem trägt er die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil liegt genau in der Mitte der Spanne, die Staatsanwältin Elke Neumann und Geigers Verteidiger Ulrich Endres schon zu Beginn des Verfahrens als passende Strafe angesehen hatten. Entsprechend entspannt nahm Geiger das Strafmaß zur Kenntnis. Überhaupt schien er lockerer zu sein als an den vorherigen Verhandlungstagen. Eine Woche bleibt Zeit, gegen das Urteil Revision einzulegen. Endres gab dazu gestern keinen Kommentar ab. Die Wahrscheinlichkeit, dass es eine Revision gibt, dürfte aber gegen Null gehen.
Geigers Offenheit – er hatte schon zu Beginn des Prozesses das Kopieren und Fotografieren von Rathausunterlagen gestanden – habe dem Verfahren die Spannung genommen, sagte Richter Jörn Immerschmitt. Gleichwohl hätte er gerne Aussagen von Geiger gehört, nicht nur über dessen Anwalt. Freie Rede hätte den Wert des Geständnisses erhöht, andererseits sei Geigers Schweigen im Gerichtssaal absolut legitim gewesen – und es sei eine „soziale Leistung“ mit dem Geständnis Verantwortung zu übernehmen.
Gegen Geiger hätte die Länge des Tatzeitraums gesprochen, ebenfalls die Masse der kopierten Dokumente. Zudem seien viele der vom damaligen Ersten Stadtrat weitergegebenen Informationen verwendet worden; vor allem gegen den damaligen Bürgermeister Wilhelm Speckhardt und dessen CDU. Als Spitzenbeamter im Rathaus hätte Geiger zudem wissen müssen, dass er Illegales tut.
Neben dem Geständnis und der Länge des Verfahrens war strafmindernd, dass die Tat schon Jahre zurückliegt. Zudem sei Geiger nicht nur Täter, sondern auch Opfer gewesen, zum Beispiel bei der Sexaffäre, die vor der Bürgermeister-Stichwahl inszeniert worden ist. Auch dabei seien wohl interne Informationen aus dem Rathaus getragen worden.
Richter Jörn Immerschmitt erwähnte auch die besonderen politischen Verhältnisse in Eschborn. Bewerten wollte er diese allerdings nicht. Manche Bürger in der Stadt, die sich mit ihrem Wohnort identifizieren, hätten in den vergangenen Wochen aber wohl „staunend und manchmal amüsiert“ zur Kenntnis genommen, was sich in der Stadt tut – und wollen einen Neuanfang, sagte Immerschmitt.
Diesen will auch die Eschborner CDU: Geiger soll zur Bürgermeisterwahl im Herbst 2019 nicht mehr antreten, schreibt sie in einer Pressemitteilung. Geiger selbst hat sich zum Thema weitere Amtszeit noch nicht geäußert.
Kommentar:
Rathausinterne Dokumente zu kopieren oder zu fotografieren und nach außen zu tragen, ist ein Unding und muss bestraft werden. Völlig zu Recht ist Bürgermeister Mathias Geiger dafür von der 22. Großen Strafkammer des Landgerichts verurteilt worden. Die Höhe der Geldstrafe überrascht dabei nicht. Sie liegt in der Mitte der Spanne, die Staatsanwältin Elke Neumann und Verteidiger Ulrich Endres nach Geigers Geständnis kurz nach Beginn des Prozesses als angemessen angesehen hatten.
Mit dem Urteil wurde der Geheimnisverrat bestraft, den der FDP-Mann als Erster Stadtrat begangen hat. Die politischen Verhältnisse in Eschborn standen dabei nicht zur Debatte. Sie aufzuklären und zu beurteilen, sei nicht Sache der Strafkammer, sagte Richter Jörn Immerschmitt zu Recht.
Gleichwohl ist mit dem Urteil gegen Geiger auf der politischen Ebene, die sich während des Prozesses auffallend ruhig verhalten hat, noch lang keine Ruhe eingekehrt. Beispiel gefällig? Kaum war das Strafmaß bekanntgegeben worden, forderte die städtische CDU den nun vorbestraften Bürgermeister per Presseerklärung auf, bei der im Herbst kommenden Jahres anstehenden Bürgermeisterwahl nicht wieder anzutreten.
In den vergangenen Wochen sind im Gerichtssaal 10 des Landgerichts wiederholt die ganz besonderen Eschborner Politik-Verhältnisse thematisiert worden. Als Zeugen in dem Prozess gegen den amtierenden Rathauschef haben Ex-Bürgermeister Wilhelm Speckhardt (CDU) sowie der politisch umtriebige Anwalt Michael Bauer tiefe Einblicke gegeben. Ein vollständiges Bild wurde aber nicht gezeichnet, viele Fragen blieben offen – und werden für Außenstehende wohl auch nie beantwortet. Ebenso wenig ist klar, wie weit sich das gestrige Urteil auf den – ohnehin schon ramponierten – Ruf der Stadt und ihre Politik auswirkt. Nur eines dürften alle, die sich mit der Politik in Hessens reichster Stadt beschäftigen, gemerkt haben: Ein „weiter so“ kann es eigentlich nicht geben. Dass sich die politische Kultur in der Stadt ändert, ist aber noch nicht erkennbar – da ist es egal, ob Mathias Geiger Bürgermeister ist oder nicht.