Massive Missstände vor Augen geführt

Ernest Cole hat die Rassentrennung in Südafrika dokumentiert. Die Ausstellung ist bis zum 17. September in der Deutschen Börse zu sehen.
Eschborn -Ein Bahnsteig im südafrikanischen Doornfontein, aufgenommen zur Hauptverkehrszeit, irgendwann in den 1960er Jahren. Auf der einen Hälfte stehen - dunkelhäutige - Menschen dicht gedrängt, auf der anderen warten wenige Weiße. „Dieses Bild zeigt die Realität der Apartheid, ohne dass es Worte braucht“, so formulierte es der Fotograf Ernest Cole damals selbst. Dieses Motiv, überlebensgroß mitten in der Halle des Gebäudes „The Cube“, empfängt die Besucher der neuen Ausstellung der Deutsche Börse Photography Foundation. Präsentiert wird das Lebenswerk des Südafrikaners, der 1967 seinen Bildband „House of Bondage“ (Sklavenhaus) veröffentlichte.
In Eschborn ist nun mit rund 130 Arbeiten die erste große Werkschau des bedeutenden Chronisten der Apartheidpolitik in Deutschland zu sehen. Die Ausstellung vereint Aufnahmen aus allen 15 thematischen Kapiteln des gleichnamigen Buches sowie Fotografien aus dem ursprünglich nicht berücksichtigten Kapitel „Black Ingenuity“. Ergänzt wird die Präsentation um frühe Originalabzüge, persönliche Dokumente des 1990 gestorbenen Künstlers, Bildstrecken in Zeitschriften sowie einem Videointerview mit Cole. Begleitet und beschrieben werden die Exponate durch seine eigenen Texte.
Eindringlich und umfassend
„Das Bedeutende an ihm ist, dass er selbst unter den Repressalien der Apartheidgesetze, die alle Lebensbereiche betrafen, aufgewachsen ist. Aus den eigenen Erfahrungen heraus hat er diesen Bildband herausgebracht“, beschreibt Kunsthistorikerin Berby Krägefsky. „Entstanden ist quasi ein Zeitzeugenbericht, der damals unter abenteuerlichen Bedingungen publiziert wurde, um der Welt mehr über die vielfältigen Formen der Willkür und Unterdrückung, denen die schwarze Bevölkerung in Südafrika lange ausgesetzt war, mitzuteilen.“ Entstanden ist eine unter die Haut gehende Dokumentation der unzumutbaren Rassentrennung, denn Cole zeigt die Auswirkungen des Apartheidsystems auf den Alltag der schwarzen Bevölkerungsmehrheit so eindringlich und umfassend wie nur wenige seiner Zeitgenossen.
1940 in einem Township nahe Pretoria geboren, entdeckte er mit acht Jahren seine Leidenschaft für die Fotografie. Mit 18 arbeitete er zunächst als Assistent des deutschen Fotografen Jürgen Schadeberg und später für das Magazin „Drum“ - eine der einflussreichsten Zeitschriften für die schwarze Bevölkerung Südafrikas. Ab 1961 war er als freier Fotograf tätig - in der Hoffnung, die Weltöffentlichkeit auf die Missstände in seinem Heimatland aufmerksam machen zu können.
Die Klassifizierung als „Farbiger“ ermöglichte Cole einen Bewegungsfreiraum und Zugang zu vielen Orten, die ihm das autoritäre Regime als „Schwarzer“ nicht gewährt hätte. Er fotografierte unter anderem die prekären Lebensumstände von Minenarbeitern und Angestellten in weißen Haushalten ebenso wie die miserablen Bedingungen im Transport- und Gesundheitssektor. Sein besonderes Augenmerk galt den in Armut und Hoffnungslosigkeit lebenden Kindern und Jugendlichen, denen eine angemessene Schulbildung verwehrt wurde.
Hoffnung, dass sein Werk etwas bewegt
1966 gelang es ihm, seine Heimat in Richtung USA zu verlassen - allerdings nicht ohne all seine Negative, so dass er ein Jahr später „House of Bondage“ veröffentlichen konnte. Jedes der 15 Kapitel umfasst eine von Cole vorgenommene Auswahl seiner Aufnahmen und wird von einem ausführlichen Text begleitet, in dem der Künstler persönliche Einblicke in die Lebensrealität unter dem Apartheidsystem gibt. „Sicherlich hatte er die Hoffnung, dass sein Werk etwas bewegen kann“, so Krägefsky, „aber es hat ihn auch desillusioniert, selbst in den USA die Auswirkungen der Rassentrennung zu spüren.“ Doch es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis sich die politische Lage für die schwarze Bevölkerung Südafrikas verbesserte. Ernest Cole starb nur wenige Monate vorher, im Februar 1990, in New York.
Heute zählt „House of Bondage“ zu den bedeutendsten Fotobüchern des 20. Jahrhunderts. „Es ist zweifellos ein bahnbrechendes Werk“, erläutert die Kunsthistorikerin, „und man darf gar nicht aufhören, es zu zeigen und sich immer wieder diese massiven Missstände vor Augen zu führen.“
Die Ausstellung „Ernest Cole. House of Bondage“ wird bis zum 17. September in der Deutschen Börse in der Mergenthalerallee 61 in Eschborn gezeigt - entweder ohne Anmeldung am „Open Saturday“, 16. September, 11 bis 16 Uhr, oder im Rahmen von Führungen. Anmeldung auf www.deutscheboersephotographyfoundation.org . Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung wird von den Arthouse Kinos Frankfurt mit einem thematisch angelehnten Programm begleitet.


