Nach dem Prozess: Was wird mit Bürgermeister Geiger?

Der Rathauschef ist, wenn das Urteil gegen ihn nächste Woche rechtskräftig wird, vorbestraft. Kann und soll er dann noch im Amt bleiben? Die Meinungen gehen auseinander – und Geiger sagt nichts.
Viele Bürger, die sich mit ihrem Wohnort identifizieren, wollen einen politischen Neuanfang, hatte Richter Jörn Immerschmitt bei der Urteilsverkündung im Prozess gegen Bürgermeister Mathias Geiger analysiert. Zumindest die großen Parteien im Eschborner Stadtparlament stimmen dem zu und wollen diesen Neuanfang – allerdings ohne den amtierenden Rathauschef. Mit ihm sei ein Neustart „extrem schwer“.
Zu 180 Tagessätzen wurde Mathias Geiger wegen Geheimnisverrat verurteilt. Wenn er diese Strafe akzeptiert, und davon wird allgemein ausgegangen, wird sie Ende nächster Woche rechtskräftig. Der FDP-Mann gilt dann als vorbestraft, was in seinem Führungszeugnis eingetragen wird.
Rechtlich gesehen kann Geiger damit Bürgermeister bleiben. Aus moralischen Gesichtspunkten müsse er zurücktreten, sagen zumindest Vertreter von CDU, SPD und Grünen im Stadtparlament. Das Vertrauen seiner Mitarbeiter, in deren Privatsphäre Geiger gedrungen ist, sei nachhaltig beschädigt.
„Nicht länger tragbar“
Die CDU fordert Geiger zum Amtsverzicht auf: Er sei als Rathauschef nicht länger tragbar und sollte, als Beitrag zur Befriedung, bei der Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr nicht wieder antreten. Ein Abwahlverfahren oder ähnliche Maßnahmen sollte verzichtet werden. So könne Geiger – auch „in Anerkennung seiner jahrelangen Tätigkeiten in der Verwaltung“ – ein „vernünftiger Abschied“ ermöglicht werden.
Die Grünen fragen hingegen, was sich ein Bürgermeister noch leisten muss, bevor er in Eschborn abgewählt wird. Das Vertrauen in Geigers Integrität sei spätestens seit seiner Verurteilung nachhaltig erschüttert. Geiger müsse noch vor der Stadtverordnetensitzung am 13. Dezember zurücktreten. Andernfalls wollen sich die Grünen für einen Abwahlantrag einsetzen. Diesbezüglich soll es kurzfristig Gespräche mit den anderen Parteien geben.
Einen Rücktritt Geigers will auch die SPD sehen. Ein Abwahlverfahren sei für sie hingegen das letzte geeignete Mittel sagte gestern Bernhard Veeck, Fraktionschef der Genossen im Stadtparlament; zumal es sich viel zu lange hinziehen würde. (Die Amtszeit Geigers endet ohnehin Anfang 2020, die nächste Bürgermeisterwahl wird es im Herbst nächsten Jahres geben.) Deshalb sei zunächst Landrat Michael Cyriax (CDU) gefragt. Er müsse in dem, während des Geiger-Prozesses ruhenden Disziplinarverfahren gegen den Eschborner Bürgermeister, zu einer Entscheidung kommen.
Kaum Hinweise
Hinweise darauf, wie diese Entscheidung aussehen könnte, gibt es nicht. „Zunächst möchten wir festhalten, dass Disziplinarangelegenheiten wie diese vertraulich zu behandeln sind und wir daher keine öffentlichen Äußerungen oder Kommentierungen abgeben können“, so eine Sprecherin des Landrats. Das Disziplinarverfahren werde weiterbetrieben, sobald das Strafurteil rechtskräftig ist. Es werde die Urteilsbegründung geprüft und ausgewertet. Erst dann gebe es eine Entscheidung.
Gerne hätte das Kreisblatt gestern eine Stellungnahme von Mathias Geiger bekommen. Telefonisch war er aber nicht zu erreichen und zurückgerufen hat er bis Redaktionsschluss nicht.
LESERMEINUNG:
Eine Frage der Stärke
Zum Urteil gegen Bürgermeister Mathias Geiger (Kreisblatt vom 29. November) schreibt der Vorsitzende der SPD Kriftel:
Völlig richtig kommentiert das Kreisblatt: „Rathausinterne Dokumente zu kopieren oder zu fotografieren und nach außen zu tragen, ist ein Unding und muss bestraft werden.“ und „Mit dem Urteil wurde der Geheimnisverrat bestraft, den der FDP-Mann als Erster Stadtrat begangen hat.“
Es stellt sich die Frage, ob die Verfehlung des vereidigten Kommunalbeamten Geiger dafür spricht, dass er – mittlerweile zum Bürgermeister avanciert – weiterhin sein Amt bekleidet. Per Gesetz ist das möglich; unerträglich ist es aus zwei Gründen: 1. Amtschef Geiger hatte im Gericht seine vielen anhaltenden Verfehlungen lediglich über seinen Anwalt eingestanden und sich so bei den Betroffenen entschuldigt. Wie billig! Persönliche Aussagen hätten, so bemerkte auch der Richter, den Wert des Geständnisses erhöht. 2. Eine konstante Frage ist, wie die Rathausbediensteten in Eschborn den nötigen Respekt vor dem Beamten zollen sollen, der anhaltend wider seinen Amtseid verstoßen hat. Wie kann dieser Mann Vorbild in der Verwaltung sein und für Recht und Gesetz stehen? Das Ausharren als Bürgermeister bis zur regulären Wahl ist unerträglich! Jetzt kann Herr Geiger Charakterstärke zeigen und seinen Platz räumen. Das wäre eine wirkliche Leistung!
Werner Moritz-Kiefert, Kriftel