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"Es ist der fairste Sport der Welt"

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Beim Besuch des Kreisblatts widerlegen die Spieler so manches Klischee. Von wegen Kneipenspaß für kräftige Männer . . .

Sie haben die Cracks am Rande einer Niederlage. Der Reporter und sein Sohn Mika (11) haben gegen Paul und Karsten am Dartboard eine gute Figur abgegeben. Knapp scheitert das Krifteler Duo an der „Doppel 14“. Paul (15) aus Münster macht es einen Tick besser und trifft die „Doppel 5“ zum Sieg. Kein Wunder: Paul trainiert schon einige Zeit Dart im Alten Rathaus. Er ist eines der jüngsten Mitglieder des Vereins „SpVgg Dart im Denkmal Rossert“, der hier seit mehr als vier Jahren sein Zuhause hat. Kurz vor den ersten Stadtmeisterschaften im Steeldart (siehe „Info“) hat das Kreisblatt die munteren Spieler einmal besucht.

Die Stimmung ist bestens hier im Obergeschoss des ehemaligen Eppenhainer Rathauses. Auf dem mächtigen Tisch liegen Pfeile, Plakate, dazu Gummibärchen und Schokolinsen als Nervennahrung. An den beiden Brettern wird fleißig gespielt, alles ganz in Ruhe, ohne Gemecker und Gezeter. Bevor das Kreisblatt-Duo zu den Pfeilen greift, erzählen Vorsitzender Michael Klewinghaus, Karsten Pfeiffer und Norbert Bratz die spannende Entstehungsgeschichte des Clubs.

Es waren einmal zwei Gruppen in Eppenhain, die Darts spielten. Genauer gesagt, Steeldart. Hier werfen die Spieler nicht auf eine elektronische Scheibe, die automatisch die Punkte zählt. Hier sind echte Sportgeräte mit Metallspitze im Einsatz, und das Board ist aus gepressten Sisal-Fasern. Diesem Sport haben sich die Teams bei Karsten Pfeiffer im Gartenschuppen und bei Norbert Bratz in der ehemaligen Waschküche und dem alten Schweinestall verschrieben. Dann haben sie untereinander den Ortsmeister ausgespielt und gemerkt: Mit einem Board ist es für mehr als ein Dutzend Leute zu eng. So fragte die Gruppe bei der Stadt nach, ob sie einen Raum im Alten Rathaus nutzen dürfe. Auch der Taunusklub, der sich dort trifft, hatte nichts dagegen. Zumal das Zimmer im Obergeschoss seit vielen Jahren nicht mehr genutzt war. Da habe der Bürgermeister-Schreibtisch mit den alten Sitzungsunterlagen herumgestanden, erinnert sich Klewinghaus schmunzelnd. Das war 2013. Um aber dort regelmäßig spielen zu können, mussten die Darter einen gemeinnützigen Verein vorweisen. Und dafür wiederum war die Teilnahme an einem Ligabetrieb Voraussetzung. Also machten die Spieler Nägel mit Köpfen – gründeten im April 2014 erstmal den Verein und meldeten sich in der Freien Dartliga Wiesbaden an. Genau 22 Mitglieder sind es aktuell, etwa 12 spielen aktiv in der Runde mit.

Paul würde da auch gerne mitmischen, doch als 15-Jähriger darf er aus Jugendschutzgründen noch nicht in die Lokale, in den oft die Spiele ausgetragen werden. Der Club „SpVgg Dart im Denkmal“ findet das Spielen in Raucherkneipen nicht immer optimal und denkt schon über Veränderungen nach. Paul würde es freuen. Er ist mit Leidenschaft bei der Sache, auch sein Vater mischt mit. Als der Onkel mal weniger erfolgreich war, beschloss der 15-Jährige, „die Familienehre wieder herzustellen“. Und ist aktuell Fünfter der Vereinsmeisterschaften.

Clubsiegerin ist derzeit Katja Will. Sie beweist, dass auch die Damen ihren Platz bei den Eppenhainer Dartern haben. Warum sie dieses Spiel so mögen? „Es ist der fairste Sport der Welt“, weiß Klewinghaus. Pfeiffer ist vor allem England-Fan, das Mutterland dieser Disziplin. Als er in den 80er-Jahren dort war und in fast jedem Pub eine Scheibe sah, „da war’s passiert“. Andere sind durch die regelmäßigen Fernseh-Übertragungen dazu gekommen. Bratz sieht es als eine Art „Gesellschaftsspiel“ und freut sich über Überraschungen: „Manchmal trifft man und weiß nicht, warum.“ Dass Dart oft als Kneipenspaß für leicht übergewichtige Männer abgekanzelt wird – hier tritt die „SpVgg Dart im Denkmal“ den besten Gegenbeweis an. Allein schon der schmucke Raum mit der alten Standuhr, den Apfelweingläsern als Lampenschirme und der in Eigenregie eingebauten Wurfanlage ist ein Hingucker. In jedem Fall sei Dart ein „mentaler Sport“, sind die Mitglieder überzeugt. Wenn er bei zig Würfen zu den Pfeilen im Brett marschierte, lege bei beim Spiel einige Meter zurück, sagt Klewinghaus. Auf den Punkt bringt es Pfeiffer: „Wenn Kleinkaliberschießen Sport ist, dann ist es Dart auch.“

Jeder soll spielen

Motiviert sind die Akteure bei ihren Spielen allemal. Aktuell rangieren sie in der Liga im unteren Mittelfeld. Gespielt wird mit mindestens vier Leuten – erst vier Einzel, dann zwei Doppel und nochmals vier Einzel. Für die Achter-Mannschaften im Hessischen Dartverband fehlen dem Club gerade unter der Woche die Leute. Doch wenn genug da sind, soll jeder spielen – der Spaß beim Sport steht im Vordergrund. Aber sie betonen, dass es die „Bären“ aus Flörsheim sogar bis in die Bundesliga geschafft haben. Neulinge und Unterstützer seien übrigens immer gerne gesehen.

Zum dritten Geburtstag gönnt sich „Dart im Denkmal“ nun die Stadtmeisterschaften. Und hat für die Zukunft einiges vor. Wenn es beim Training oder Spielen richtig voll wird, kann der Club bereit auf den unteren Raum ausweichen. Dort hängen jetzt ebenfalls zwei Boards. Die Stadt ist froh, dass die Spieler ein Auge auf das 1823 bis 1826 gebaute, erst als Schulhaus, dann als Verwaltungssitz genutzte, und nun in die Jahre gekommene Gebäude haben. Und die Spieler sind glücklich, dass sie das Rathaus kostenfrei nutzen dürfen. Sie würden sich aber ein paar Verbesserungen wünschen – etwa neue Fenster oder eine Modernisierung der antiken sanitären Anlagen. Eine neue Bestuhlung im Erdgeschoss ist von der Stadt bereits bestellt.

Stadt für den Erhalt

Ob es weitere größere Renovierungen geben wird, das lässt Bürgermeister Albrecht Kündiger noch offen. Er kann nachvollziehen, dass es diese Wünsche der Vereine gibt, doch über Finanzmittel müssten die politischen Gremien entscheiden. Der Bürgermeister, der dort hin und wieder Sprechstunden mit guter Resonanz abhält, stellt aber klar: Das Alte Rathaus Eppenhain soll erhalten bleiben, große andere Nutzungen sind nicht vorgesehen. „Ich bin froh, dass wir in Eppenhain viele Leute haben, die sich um die Verschönerung des Ortes kümmern“, sagt er.

(wein)

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