Eine Dose Katzenfutter rettet „Milky Way“ das Leben

Flörsheimerin befüllt Miniatur-Häuschen für unterernährte Igel.
Weilbach -Gespannt hebt Angelika Haacke das mit Steinen und Holz beschwerte Dach der winzigen Hütte an. Das Miniatur-Häuschen versteckt sich abseits der Wege im Unterholz des Bad Weilbacher Wäldchens. Zwischen Laub, das sich langsam herbstlich gelb färbt, führt eine rechteckige Öffnung seitlich in den Unterschlupf. Um sich einen Einblick zu verschaffen, ist es allerdings leichter, das Dach etwas anzuheben und von oben ins Innere zu spähen. „Vor einigen Tagen habe ich hier einen gefunden“, berichtet Angelika Haacke.
Die kleine Hütte ist eine von insgesamt vier Futterstellen, die sich an bestimmte Waldbewohner richten. Angelika Haacke hat sie rund um die Schwefelquelle aufgestellt, um Igel vor dem Verhungern zu retten. Dass die Tiere das Angebot annehmen, zeigt sich bei der Besichtigung der Stationen. Blank geleckte Alu-Schälchen zeugen vom Hunger der stacheligen Vierbeiner. Zusammen mit Gleichgesinnten serviert Haacke den Igeln Katzenfutter mit hohem Fleischanteil, Trockenfutter und manchmal sogar Rührei ohne Gewürze. „Keinen Fisch“, weiß die Helferin, die sich seit 2021 um Igel in Bad Weilbach kümmert, die nicht mehr genug Insekten finden.
Eigentlich hatte sich die Flörsheimerin am Samstag mit dieser Zeitung verabredet, um das Futterprojekt vorzustellen. Während des Pressegesprächs werden wir jedoch unmittelbar Zeugen der Not, in der sich manche Igel befinden. Direkt vor unseren Füßen taucht eine kleine stachelige Kugel am Wegesrand auf. Als der Igel unsere Schritte spürt, zieht er die Schnauze ein und rollt sich zitternd zusammen. Bei Angelika Haacke gehen gleich die Alarmglocken an: Ein so kleines Exemplar ganz alleine am Nachmittag anzutreffen, sei ein Zeichen, dass das Tier wahrscheinlich keine Mutter mehr habe und Nahrung suche.
„Gott sei Dank - er frisst!“
Normalerweise seien Igel in den Abendstunden aktiv, erläutert die Expertin und zückt ein Döschen Katzenfutter, das sie auf einem Blatt am Boden verstreicht. Damit ist uns die Aufmerksamkeit des kleinen Wanderers gewiss. Zunächst zögerlich, dann immer zutraulicher, gibt der Igel die Verteidigungshaltung auf. „Gott sei Dank - er frisst“, entfährt es Angelika Haacke, die zum Telefon greift, um eine Bekannte zu verständigen. Der kleine Igel sei zu schwach um draußen zu überwintern, erklärt die Flörsheimerin. Deshalb soll das Tier nun vorübergehend bei ihrer Freundin unterkommen. Wenig später ist der Waldbewohner auf den Namen „Milky Way“ getauft und sitzt zusammen mit seinem saftigen Katzenfutter-Blatt in einem Pappkarton. Er hat an diesem Nachmittag wohl großes Glück gehabt.
Neben dem Auffüllen der Futterhäuschen hätten solche Rettungsaktionen für unterernährte Igel in diesem Herbst stark zugenommen, berichtet Angelika Haacke. Vier kleine Igel aus Bad Weilbach hat sie seit vergangenem Montag bereits an Übergangsquartiere vermittelt. Am Freitag erhielt die Helferin außerdem eine Anruf aus Hochheim, wo fünf junge Igel gefunden wurden. Ihr Mann Kai habe den Igelnachwuchs ins Tierheim Rüsselsheim gefahren, berichtet die Flörsheimerin. Angefangen hat ihre Fürsorge mit einem Spaziergang im Juli 2021. Damals fand das Paar in Bad Weilbach einen jungen Igel, den sie zu einer privaten Unterkunft nach Wiesbaden brachten. Die Pflegerin habe angeregt, weiterhin die Augen offen zu halten und Futterangebote zu schaffen. Angelika Haacke blieb dran und setzte sich bei der Stadt und bei Hessen Forst für die Genehmigung ihrer Igel-Häuschen ein. Jetzt plant sie bereits, die Futterstationen zu vergrößern. Ihr Team ist mittlerweile auf sieben Helfer gewachsen, die das Nahrungsangebot täglich auffüllen. Weitere helfende Hände werden gesucht. Wer das Projekt finanziell unterstützen möchte, kann über die IBAN DE15 5125 0000 0000 9400 89 an die „Igelfütterung Flörsheim“ spenden. Täglich fallen, laut Angelika Haacke, etwa 5 Euro an Futterkosten an.
Die Igel-Helferin betont, dass Menschen auch abseits der direkten Unterstützung einiges für die Tiere tun können. So helfe es beispielsweise schon, eine unaufgeräumte Ecke im eigenen Garten für Igel zu lassen. In den kommenden Wochen sollte man die Tiere eigentlich kaum noch zu Gesicht bekommen, da sie ab Ende Oktober in Winterschlaf gehen. Doch auch dieser Rhythmus sei durch den Klimawandel durcheinander geraten, erklärt die Flörsheimerin. Eine Notration werde deshalb weiterhin in allen vier Igelhütten bereit gehalten.
