Flörsheim. In der Mainstadt ruft man wieder „Hall die Gail“

Nach zwei Jahren Pause rollte der Fastnachtsumzug mit 104 Zugnummern durch die Straßen.
Flörsheim -Woran erkennt man Auswärtige, die am Flörsheimer Fastnachtsumzug teilnehmen? Ganz einfach: Die Narrengruppen begehen den Fehler, Menschen am Straßenrand mit dem verbreiteten Ausruf „Helau“ zu grüßen. So war gestern wieder mehrfach zu beobachten, wie die ausgelassene Menge auf dem Gehweg plötzlich in Schweigen verfiel, wenn unerwartete Helau-Rufe ertönten. Manchmal wurde auch abfällig am Straßenrand getuschelt - so als hätte ein Zugteilnehmer gerade einem Zuschauer ins Gesicht gespuckt. Denn Flörsheim hat natürlich seinen eigenen Fassenachtsruf, auf den zumindest mal die Alteingesessenen großen Wert legen: Der Narr vom Untermain ruft „Hall die Gail“.
Der Ausruf im Flörsheimer Dialekt bedeutet so viel wie „Haltet die Pferde“ und geht auf frühere Zeiten zurück, in denen Rösser an der Straßenfastnacht teilnahmen. Dem Flörsheimer Gruß ist sogar eine eigene Skulptur am Rande des Zugweges gewidmet. Der „Hall die Gailer“ besteht aus einem Narren, der zwei Steckenpferde hält. Die Figur des Künstlers Tommy Reinelt feiert ihr närrisches Jubiläum und wurde deshalb vom Flörsheimer Narren-Club (FNC) ins diesjährige Motto eingebaut. „Der Hall die Gailer in seiner Pracht, grüßt 2 x 11 Jahr“ zur Fassenacht“, lautet das Thema der Kampagne. Die Mitglieder der Privatgruppe „Schmotzer“ griffen das Motto auf und verkleideten sich als „Hall die Gailer“ mit Narrenkostüm und zwei Steckenpferden am Bollerwagen.
Erst relativ spät stand fest, dass der erste Umzug nach der Corona-Pause in diesem Jahr stattfinden würde. Trotz der kurzfristigen Planung mangelte es den Teilnehmern nicht an kreativen Ideen. Die Privatgruppe „Altstadtborzler“, präsentierte sich passend zur Rückkehr der Straßenfastnacht als Phönix aus der Asche. Die Gruppe „Soko Flörsheim“ rechnete derweil mit der Aufregung über die Winnetou-Filme ab und verkleidete sich unter dem Motto „Jetzt erst recht“ als Indianer.
Auch die Gasknappheit fand sich unter den Themen der Zugteilnehmer wieder. Die Mitglieder des Gesangsvereins Volksliederbund verkleideten sich zur Hälfte als Sonnen und zur Hälfte als Bauarbeiter mit Solarmodulen auf dem Rücken. Ihr Motto: „Heizung her und Heizung hie, wir machen unsere eigene Energie.“ Die Heiz-Frage beschäftigte wohl auch die Kolpingfamilie Flörsheim, die ein Ende der Eiszeit ankündigte. Die Aktiven der Fußgruppe schlüpften in Eskimo- und Eisbären-Kostüme.
Die KAB Flörsheim hätte den Neubau des Galluszentrums gerne mit Magie beschleunigt. „Ein neues Zentrum muss jetzt her, doch Zaubern lernen ist so schwer“, verkündete der christliche Verein, dessen Mitglieder Figuren aus Harry Potter zum Leben erweckten. Die Aktiven des Sportvereins DJK Schwarzweiß demonstrierten den Zuschauern, dass sie auch ohne Besen fliegen können. Die Mitglieder beeindruckten mitten auf der Straße mit akrobatischen Sprüngen und Hebefiguren. Ganz ohne Magie und Akrobatik stellten Mitarbeiter der Caritas Sozialstation Flörsheim/Hochheim fest: „Wir können alles“. Die selbstbewusste Mannschaft hatte sich mit Schweinenasen und Kuheutern in eierlegende Wollmilchsäue verwandelt. Einen besonders auffälligen Wagen hatten die Kradfahrer Felzünd gestaltet. Als „Generation Trommler“ rollten sie eine riesige trommelnde Pappmaschee-Figur durch die Straßen.
Mit 104 Zugnummern war der erste Flörsheimer Umzug seit 2020 zwar rund 30 Nummern kürzer als vor der Pandemie. Der Abwechslungsreichtum litt darunter nicht. Für die Ausrichter vom FNC dürfte ohnehin an erster Stelle stehen, dass die Straßenfastnacht - trotz dunkler Wolken und kurzer Regenschauer - endlich zurückgekehrt ist. sas