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„Wer denkt sich so einen Mist aus?“

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Stadtplaner Horst Thomas moniert Fehlentwicklungen in der Altstadt

Flörsheim -Er ist einer der renommiertesten Stadtplaner in Deutschland und er ist Flörsheimer: Professor Horst Thomas. Zu dem derzeitigen Zustand der Altstadt hat sich der Fachmann seine Gedanken gemacht und niedergeschrieben. So geht Thomas auf die Historie der Altstadt ein und schildert dann die seine Meinung nach dramatischen Fehlentwicklungen bei der Pflege und Hege des Ortskernbereichs.

Horst Thomas erklärte dazu in einer Mitteilung, die wir gekürzt wiedergeben:

„Die Flörsheimer Altstadt war bis in die 1970er Jahre hinein ein niedergegangener Stadtbereich. Die weitere Geschichte ist bekannt: In jahrzehntelanger mühevoller Arbeit wurde die Altstadt saniert und aus dem ehemaligen ,Schandfleck’ wurde ein Vorzeigebezirk, der bei Wettbewerben mit höchsten Auszeichnungen anerkannt wurde. Politisch verantwortlich waren in dieser Phase zwei Bürgermeister, Josef Anna sowie sein Nachfolger Dieter Wolf, in dessen Amtszeit die meisten Maßnahmen umgesetzt wurden. Heute, nach einigen Jahrzehnten haben deren Nachfolger offenbar den Bezug und das Interesse an dieser Leistung weitgehend verloren. Wer am Konrad-Adenauer-Ufer die Laternenreihe sieht, der wundert sich. Die Leuchtenköpfe sind vielfach unterschiedlich in Form und Farbe. Auch die pilzförmigen blauen mit ihren kleinen Aufsätzen sind nicht ursprünglich und viel zu klein für die weite Uferfläche.

Ein anderes Beispiel: Die Klapp-Poller vor dem Platz an der Gallus-Kirche ersetzen teilweise die klassischen Gusseisenpoller, die sonst in der Altstadt einheitlich verwendet wurden. Ein Teil der alten Poller steht noch, dazu kommen die neuen, die aber leider auch noch schlampig eingebaut wurden - die Abstände untereinander passen nicht, ebenso stimmt auch die Ausrichtung nicht. Sie wirken wie versehentlich dort festgemacht, sind aber in das Pflaster eingelassen. Ein krauses Durcheinander.

Und es gibt leider noch andere Beispiele, wo es nach einer Veränderung einfach nicht mehr stimmt. Jetzt war die Rollingergasse mit einer Verstümmelung dran. Sie war die früheste Straßenmaßnahme der Altstadtsanierung und wurde 1979/80 nach dem Bau der ersten Wohnhausgruppe („Mainblick“) neu gestaltet. Die Planung wurde einheitlich vom Sanierungsplaner erstellt, der auch die Vorgärten der Wohnanlage und die Grundstücksabgrenzungen mitplante. Die Rollingergasse wurde später Vorbild und Muster für den Umgang mit zahlreichen Gassen der Altstadt: Preisgünstiges Betonpflaster, die Steine ungeschnitten, gegebenenfalls Pflaster-Rinne in der Mitte und die Randstreifen mit Kleinpflaster beigepflastert. Der Übergang der Rollingergasse zur Untermainstraße folgte diesem Muster. Die Gestaltung der Gasse hatte sich über die lange Zeit unverändert erhalten. Auch bei erforderlichen Tiefbaumaßnahmen wurde die Gestaltung respektiert, die Aufbrüche mit dem richtigen Material wieder gepflastert. So blieb das Erscheinungsbild gewahrt. Jetzt - nach immerhin mehr als vier Jahrzehnten - lösten sich in der Einfahrt einzelne Pflastersteine. Ein einziger Pflasterer hätte zwei bis drei Stunden gebraucht, um den Schaden zu beheben. Stattdessen kam ein größerer Bautrupp, sperrte die Straße und riss den gesamten Pflasterstreifen heraus. Auch das angrenzende Betonpflaster wurde teilweise entfernt. Die bewusst ungeschnittenen gebliebenen Quadratsteine wurden über die gesamte Straßenbreite schräg abgeschnitten. Anstelle der Pflasterung wurde ein breiter Asphaltstreifen neu eingebaut. Der sorgfältig gestaltete Anschluss war damit zerstört. Er wurde durch eine völlig beliebige Standardlösung ersetzt, die in der Altstadt als Störung der bisherigen Gestaltung wahrgenommen wird. Diese unsensible Maßnahme war aber nicht etwa billiger. Sie war mit Sicherheit wesentlich teurer als die Instandsetzung durch den Pflasterer. Wer denkt sich so einen Mist aus, wer geht mit der Altstadt so um, als sei sie ein beliebiger Parkplatz im Neubaugebiet? Gibt es wirklich niemanden, der mit so etwas gestalterisch umgehen kann und entsprechend die Aufträge erteilt sowie die Ausführung überwacht? Mit jeder dieser unbedachten Maßnahmen leidet die Substanz und wird die Altstadt ein Stück abgewertet. Das Erscheinungsbild wird beliebiger. Dieser lässige Umgang sollte ein Ende haben. Dafür ist in die Gestaltung der achtziger und neunziger Jahre zu viel investiert worden.“ red/meh

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