Vom Flüchtling zum Priester
In einer monatelangen Odyssee flüchtete Medhanie Uqbamichael aus Eritrea nach Deutschland, landete im Gefängnis und schaukelte in einem kleinen Boot übers Mittelmeer. Heute wird er in St. Hedwig in Griesheim zum Priester geweiht.
Medhanie Uqbamichael Yohannes erfüllt nicht gerade die klassischen biographischen Klischees eines katholischen Priesteramtskandidaten. Der 35-Jährige, der heute in St. Hedwig in der Elsterstraße zum Priester geweiht werden soll, flüchtete aus Eritrea, war im Sudan im Gefängnis und trieb in einem überfüllten Flüchtlingsboot acht Stunden auf dem Mittelmeer, bis er von der italienischen Küstenwache gerettet wurde. Gott sei Dank liegt diese Zeit nun hinter ihm, erzählt der junge Mann, der derzeit im Priesterseminar St. Georgen lebt, in gebrochenem Deutsch. Nicht nur für ihn ist es ein besonderer Tag, auch für die eritreisch-katholische Gemeinde in Frankfurt und das Bistum Limburg ist es ein Freudentag: Zum ersten Mal wird ein eritreischer Flüchtling zum katholischen Priester geweiht.
Christliche Familie
Medhanie Uqbamichael wurde im Mai 1982 in Guba, einem kleinen Dorf im Landesinneren Eritreas, geboren. Den christlichen Glauben bekommt er in die Wiege gelegt. „Der Glaube kommt von meiner Familie. Niemand aus meiner Familie konnte lesen oder schreiben, aber sie war stark im Glauben“, sagt er. Mehr als ein Jahrzehnt lebt er im Priesterseminar, studiert Theologie an einer kirchlichen Hochschule und beendet 2013 sein Studium. Eine Perspektive hat Medhanie trotzdem nicht, und eine Arbeit findet er nach dem Studium auch nicht: Er wird von der Staatspolizei bedroht. 2014 flüchtet er wie viele andere junge Leute aus Eritrea.
Eine monatelange Odyssee beginnt. „Das war für mich eine schlimme und dunkle Zeit“, erzählt Medhanie. Wer in Eritrea flüchtet und von Soldaten erwischt wird, landet entweder im Gefängnis – oder wird ermordet, erzählt Medhanie. „Ich hatte Glück.“ Medhanie gelingt die Flucht in den Sudan. Doch in dem bitterarmen Land kann er nicht bleiben. „Niemand hatte für uns etwas übrig. Es gab nichts zu essen und zu trinken.“ Weil er mit Schleusern in Kontakt steht, landet er für einige Monate im Gefängnis. Wieder auf freiem Fuß kommt er in ein Flüchtlingscamp des Roten Kreuzes. Später schlägt er sich nach Libyen durch. Von dort wagt er die Überfahrt. Auf dem Mittelmeer treiben er und rund 600 andere Flüchtlinge in einem kleinen Boot acht Stunden, bis sie gerettet werden. Die italienische Küstenwache bringt sie nach Lampedusa. Von Italien geht es schließlich im Mai 2015 nach Deutschland direkt in die hessische Erstaufnahmeeinrichtung nach Gießen. Später findet er in Niederrad eine Wohnung.
An das Leben in Deutschland hat sich Medhanie zunächst nur schwer gewöhnen können. Er macht einen Integrationskurs. Dass er über die eritreisch-katholische Gemeinde Anschluss gefunden hat, helfe sehr. Auch einer seiner Brüder und eine Cousine leben in Frankfurt. „In unserem Heimatland ist es ganz anders als in Deutschland. Das Leben hier ist schnell. In Eritrea lesen wir aus Büchern. In Deutschland ist alles im Internet“, nennt er ein Beispiel. Auch habe die Familie in Eritrea einen ganz anderen Stellenwert. Mehrere Generationen lebten üblicherweise unter einem Dach. In Deutschland führe er jetzt ein eigenes Leben. Was nach der Priesterweihe kommt, steht für Medhanie schon fest: „Mein Ziel ist es, nach der Priesterweihe mit der Gemeinde zu arbeiten. Ich möchte aber auch einen weiteren Sprachkurs machen.“ In St. Georgen wolle er später vielleicht auch seine Doktorarbeit schreiben.
Beruf als Berufung
Am 26. August wurde er zum Diakon geweiht. Es war ein feierlicher Gottesdienst mit afrikanischen Tänzen und Trommelspiel. Sein Heimatbischof aus der Diözese Keren kam nach Deutschland. Davor lag eine intensive Zeit der Vorbereitung: Im April 2017 zieht Medhanie Uqbamichael nach Limburg in das Missionshaus der Pallottiner. Dort bereitet er sich mit fünf Männern aus Indien für seine spätere Arbeit in einer Pfarrei vor. Er macht einen Sprachkurs, besucht die Fahrschule, lernt die lateinische Liturgie kennen. „Für meine indischen Mitbrüder ist das einfach gewesen, für mich war das aber wirklich schwer“, erzählt Medhanie. In seinem Heimatland würden katholische Gottesdienste nach dem orientalischen Ge’ez-Ritus gefeiert. „Unsere Gottesdienste können manchmal drei, manchmal auch vier Stunden dauern“, sagt Medhanie und lächelt. Trommeln gehört ebenso zum Gottesdienst wie viel Gesang. Ein Chor gestaltet die Messen musikalisch. Drei- bis vierstündige Gottesdienste gibt es auch regelmäßig in St. Josef in Höchst.
„Priester sein ist für mich eine Berufung. Gott liebt mich“, sagt Medhanie. Als Wahlspruch für seine Priesterweihe hat er sich ein Bibelwort aus dem Buch der Könige herausgesucht: „Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht“ (1 Kön 3,9). Medhanie will Menschen Orientierung geben und ein offenes Ohr für ihre Sorgen haben. Doch auch andere Bibelworte seien für ihn wichtig. Medhanie blättert in der Bibel zu Psalm 133 weiter. Da geht es um das Miteinander unter den Menschen, erzählt er langsam. „Ich möchte mit allen Menschen zusammenarbeiten. Auch mit Nichtgläubigen“, sagt er. „Ich will alle Menschen einladen, zum Glauben zu kommen.“
(red)