Hattersheim: „Da kann man sehen, wie die Politik an der Realität vorbeiplant“

Warum ein Student im Ausland keine 200 Euro vom Staat bekommt.
Hattersheim -Niemand ist von den Preissteigerungen der vergangenen Monate verschont geblieben. Inflation und explodierende Energiekosten treffen verschiedene gesellschaftliche Gruppen jedoch unterschiedlich hart. Besonders stark unter den Teuerungen leiden diejenigen, die ohnehin schon Sorge hatten, finanziell über die Runden zu kommen: Empfänger von staatlichen Hilfsleistungen, Rentner und auch Studierende. Die Bundesregierung hat drei sogenannte Entlastungspakete geschnürt, um den Menschen auf mehreren Ebenen finanziell unter die Arme zu greifen. In der Praxis fühlen sich allerdings nicht alle angemessen berücksichtigt, wie der Fall eines Hattersheimers zeigt.
Dieter Kiefer ist ein stolzer Großvater, wenn er von seinem Enkel spricht. Der junge Mann wolle Arzt werden, um anderen Menschen zu helfen, erzählt Kiefer. Der Weg zu diesem Ziel sei sehr schwer gewesen, weil der Enkel mit einer Note von 2,1 im Abiturzeugnis nicht direkt zum Medizinstudium zugelassen wurde. „Mediziner werden gesucht - aber es gibt zu wenig Studienplätze“, bemängelt Kiefer. Dass sein Enkel nun auch noch bei der finanziellen Entlastung außen vor bleiben soll, stößt ihm deshalb sauer auf.
Worum geht es genau? Das dritte Entlastungspaket des Bundes sieht eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro vor, die Studenten und Fachschüler als Ausgleich für gestiegene Energiekosten beantragen können. Das Geld gibt es jedoch nur für Studierende, die an einer deutschen Hochschule eingeschrieben sind. Wer einen Auslandsaufenthalt von maximal zwei Semestern absolviert, kann die Zahlung trotzdem erhalten, solange er in Deutschland angemeldet ist. Deutsche, die ausschließlich im Ausland studieren, sind aber ausgeschlossen. Dies gilt auch für den Enkel von Dieter Kiefer.
Der junge Mann habe vieles versucht, um einen Studienplatz in Deutschland zu bekommen, erzählt der Hattersheimer. An das Abitur habe sein Enkel ein freiwilliges soziales Jahr sowie drei Jahre als Operations-Assistent angehängt. Doch auch nach dieser langen Zeit sei es nicht möglich gewesen, einen Studienplatz zu bekommen. Als Ausweg habe der Enkel schließlich ein Medizinstudium in Ungarn begonnen, das er voraussichtlich im nächsten Jahr abschließt. „Diese Ausbildung ist sehr kostenintensiv“, betont Kiefer. Der Semesterbeitrag übersteige 7000 Euro. Selbst nach der Zwischenprüfung habe seine Enkel erneut versucht, einen Platz in Deutschland zu bekommen - erneut vergeblich. Nun werde er auch dafür bestraft, dass Studienplätze fehlen und er Eigeninitiative zeige. Weil er im Ausland eingeschrieben ist, kann der Hattersheimer die finanzielle Unterstützung aus dem Entlastungspaket nicht beantragen. „Das ist schwach“, findet Großvater Kiefer. Nun erscheint es grundsätzlich nachvollziehbar, dass die Bundesregierung für die Entlastung von steigenden Energiepreisen in Deutschland auch nur Menschen berücksichtigt, die in Deutschland leben. Dies gilt übrigens auch für Ausländer, die an einer deutschen Uni eingeschrieben sind.
Dieter Kiefer sieht den Fall in seiner Familie aber als Beispiel für eine Ungerechtigkeit. Es gehe ihm ja gar nicht um die 200 Euro, hebt der Hattersheimer hervor. Es sieht das Problem eher vor dem grundsätzlichen Hintergrund, dass es in Deutschland zu wenige Plätze für ein Medizinstudium gebe. Sein Enkel wolle ja als Arzt in Deutschland arbeiten und den Menschen in der Bundesrepublik helfen, so Kiefer. Dass er dafür nach all den Mühen nun keine Wertschätzung und Unterstützung erhalte, ist genau das, was Dieter Kiefer in erster Linie auf die Palme bringt. „Nicht einmal die 200 Euro bekommt er“, moniert der Familienangehörige. Für den Hattersheimer ist deshalb ganz klar: „Da kann man mal sehen wie die Politik an der Realität vorbeiplant.“ sas