Hattersheim: „Die beiden sind unschlagbar“

Warum eine 19-Jährige mit dem Badesalz-Duo ein besonderes Video drehte.
Okriftel -Ein älteres Ehepaar sitzt im Garten und tuschelt über die Tochter der Nachbarn. Die junge Frau habe mandelförmige Augen und sehe irgendwie „anners“ aus. „Ob die auch so sehen kann wie andere?“, raunen die Gesprächspartner, die vielen Zuschauern bekannt vorkommen dürften. Es handelt sich um Gerd Knebel und Henni Nachtsheim vom Comedy-Duo Badesalz. Die Szene ist der Auftakt eines Videos, das die hessischen Kultkomiker vor zwei Wochen anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages auf Youtube hochgeladen haben. Die Stars sind dabei nicht die einzigen Akteure vor der Kamera: Zwischen Knebel und Nachtsheim erscheint die Okriftelerin Livia Jarnagin, die jeden Zweifel an den Fähigkeiten von Menschen mit Trisomie 21 ausräumt.
„So ihr beiden Süßen, dann helfe ich euch mal“, sagt die 19-Jährige, die selbst von Trisomie 21 betroffen ist - einer Anomalie der Erbanlagen, die viele als Down-Syndrom kennen. Die Frage der Comedians, ob sie denn auch singen könne, beantwortet Livia Jarnagin auf ihre ganz eigene Art: „Eintracht vom Main, nur du sollst heute siegen“, trällert sie den Text der Fan-Hymne „Im Herzen von Europa“. Außerdem berichtet die junge Frau, dass sie Theater spielt und tanzen kann. „Macht euch keine Sorgen um mich. Ich kann ganz viel“, hebt die Okriftelerin hervor. „So irrt man sich manchmal“, stellt Henni Nachtsheim schließlich fest.
Für Livia Jarnagin war das Badesalz-Video ein besonderes Erlebnis. „Die beiden sind unschlagbar“, findet die 19-Jährige. „Zum Totlachen.“ Ihr gemeinsamer Auftritt wurde mittlerweile bereits über 20 000 mal auf Youtube angeklickt. Die Reihe „maintower“ des Hessischen Rundfunks zeigte das Video am 21. März, dem Datum des jährlichen Welt-Down-Syndrom-Tages. Lampenfieber hatte Livia Jarnagin nicht. Sie ist die Enkelin des langjährigen Hattersheimer Stadtverordnetenvorstehers und CCM-Sitzungspräsidenten Günter Tannenberger. Andere zu unterhalten, sei ihre Stärke, meint die 19-Jährige mit strahlendem Lächeln . „Das kommt bestimmt von meinem Opa.“
Die Zusammenarbeit mit den Comedy-Stars bot sich an, weil Mutter Petra Jarnagin in der Musikagentur arbeitet, die Badesalz promotet. So konnten sich Livia Jarnagin und die hessischen Spaßmacher schon in den vergangenen Jahren nach Auftritten des Duos kennenlernen. Gerd Knebel gab der Okriftelerin bereits vor einigen Monaten eine Rolle im Video zu seinem Solo-Lied „Con un Ching Con un Chong“. Dort seien viele bunt gemischte Leute zu sehen, erläutert der Komiker auf Nachfrage dieser Zeitung. „Da passte sie sehr gut rein.“ Als er von Petra Jarnagin auf eine Stellungnahme zum Welt-Down-Syndrom-Tag angesprochen wurde, sei ihm sofort die Idee für das Video in den Kopf gekommen. „Auch die Form war relativ schnell klar“, erzählt Knebel. Badesalz habe die anhaltenden Vorurteile gegenüber Menschen mit Down-Syndrom auf die Schippe nehmen wollen. „Die Leute sehen so jemanden und denken, der kann nichts“, kritisiert der Künstler.
Um zu widerlegen, dass vom Down-Syndrom-Betroffene nichts können, muss man eigentlich nur Livia Jarnagin zuhören. Die junge Frau wirkt seit über sechs Jahren in Ensembles des Schauspiel Frankfurt mit. Im aktuellen Stück „Balance“ ist sie unter anderem am 3. und 16. Mai zu sehen. Aufs Rampenlicht vorbereitet hat sie wohl der Okrifteler Carneval Club Mainperle (CCM). Dort habe sie mit vier Jahren zum ersten Mal auf der Bühne gestanden und mit sieben Jahren zum ersten Mal getanzt. Die lebensfrohe Okriftelerin schwärmt aber noch von weiteren Hobbys: Sie liebe es, zu singen, Musik zu hören und Fußball oder Basketball zu spielen. Außerdem kuschele sie gerne mit dem Familienkater Mau. Und schließlich begeistert sich die Okriftelerin für die Frankfurter Eintracht. „Das ist meine Herzensmannschaft“, erklärt Livia Jarnagin. Bei den Videoaufnahmen mit Badesalz habe sie das Eintracht-Lied spontan angestimmt und das Duo damit überrascht.
Die 19-Jährige hat gerade die 13. Klasse in einer inklusiven Schule abgeschlossen und schon viele Berufsfelder ausprobiert. Nach den Osterferien folgen weitere Praktika bei der Hattersheimer Robinsonschule und beim Café Flair des EVIM Schlockerhofs. Am liebsten würde Livia Jarnagin auch künftig weiter im Scheinwerferlicht stehen. Zum Beispiel vor der Kamera ihrer Lieblingsserie „Die Pfefferkörner“. Da mitzumachen, wäre mein größter Traum“, sagt die 19-Jährige. Ihre Mutter hat keine Zweifel, dass auch dies irgendwann möglich sein könnte. „Livia schafft alles, was sie will“, weiß Petra Jarnagin. sas