Hattersheim: Mit Kunst-Popos auf dem Donnerbalken

Bei der Kümmeldreschersitzung in der TSG-Halle wurde mehr als nur der Doppelwumms gezeigt.
Eddersheim -Der Auftakt jeder Kümmeldreschersitzung verlief in den vergangenen Jahrzehnten ähnlich. Nachdem der Elferrat zu musikalischer Begleitung in den Saal eingezogen war, begrüßte die Sitzungspräsidentin das närrische Publikum von der Tribüne. Dieser Ablauf wiederholte sich in diesem Jahr nicht. Selbst die geplanten Änderungen des Vereins mussten kurzfristig angepasst werden. Eine große aufblasbare „50“ in der Mitte der Bühne kündigte es an: Die Kümmeldrescherfastnacht hat im vergangenen Jahr ein halbes Jahrhundert überdauert. Ein guter Zeitpunkt also für Veränderungen. Erstmals saßen an der blau-gelben Tribüne keine Vereinsmitglieder, sondern elf Figuren mit Luftballonköpfen, die per Seilzug schunkelten. Aus ihrer Sicht sei ein klassischer Elferrat überholt, erklärte die Zweite Vorsitzende Heidi Gärtner auf Nachfrage dieser Zeitung. Der Gesangsverein wolle künftig auf eine zeitgemäßere Moderation setzen. Leicht gemacht wurde dies den Kümmeldreschern jedoch nicht - denn ausgerechnet einen Tag vor der Sitzung war die neue Moderatorin Christine Gesang krankheitsbedingt ausgefallen. Es spricht für die große Erfahrung und das vielfältige närrische Talent der Eddersheimer Fassenachter, dass dieser Rückschlag dem Erfolg keinen Abbruch tat. Kurzfristig sprang die Aktive Katja Prenzer ein und machte aus der Not eine Tugend. Die Okriftelern eröffnete die Sitzung im Nachthemd und tat so, als würde sie mit Christine Gesang telefonieren. „Ich komme aus dem Bett und hab die Unterlagen gerade bekommen“, scherzte Prenzer, die in ihrer spontanen Rolle überzeugte. Innovation und Überraschung machten auch den Rest des abwechslungsreichen Programms in der TSG-Turnhalle aus.
Prenzer war Teil einer siebenköpfigen Gruppe, die sich über den Toilettenpapiermangel während der Corona-Krise lustig machte und dabei ein kurioses Bild abgab. „Alles schrie nach Klopapier“, sangen die Aktiven, die dem Publikum Plastikhintern entgegen streckten. Ein ungewöhnliches optisches Erlebnis war auch die Nummer „Ein Hut für alle Fälle“. Mit Hilfe eines stets neu gefalteten Stückes Stoff verwandelten sich Dominik Ehresmann, Guido Krüger und Alexander Zeier in Cowboys, Toreros und Zwerge.
Eine der klassischen Nummern im Kümmeldrescher-Programm war das Protokoll - vorgetragen als Zwiegespräch zwischen Wolfgang Drescher und Stefan Häb. „Die Ampel - mit großen Ambitionen gestartet - doch haben die Entwicklungen nicht auf sie gewartet“, reimte Drescher, der das Publikum aufforderte, immer schön zu klatschen. „Damit wir sehen können, dass niemand am Tisch festgeklebt ist.“ Stefan Häb ging auf den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius ein. „Vielleicht bringt der ja die Zeitenwende zu Ende.“ Drescher wünschte sich mehr Einsatz der Stadt für Eddersheim. „Nachdem Hattersheim seine ,gut Stubb’ wieder hat, wäre auch so eine Halle für Eddersheim angebracht“, erklärte er mit Blick auf die Sanierung der Stadthalle. Schließlich luden die Protokoller die neue Erste Stadträtin Heike Seibert ein, von Niedernhausen nach Eddersheim zu ziehen.
Auch der Vorstand des Gesangvereins schreckte nicht vor aktiven Rollen zurück. Als „Dickmadam“ sang Vereinschefin Daniela Frese-Krüger: „Ich hab mich tausendmal gewogen“. Später stand die Vorsitzende gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Heidi Gärtner als „Doppelwumms“ in der Bütt. Die Zweite Vorsitzende war außerdem Teil der seit Jahren etablierten Gruppe „Rheuma und Ischias“. Die Aktiven des älteren Semsters tanzten mit Rollatoren. Weitere Büttenreden lieferten Erika Stapf und Waltraud Pöschl. Katja Prenzer fand neben der Moderation auch noch Zeit, gemeinsam mit Jessica Lucks als „Schnitzelmuddis“ aufzutreten.
Dass der Gesangsverein auch etwas von Tanzdarbietungen versteht bewiesen „Sweetie Stars“, „Candy Girls“ und das Männerballett „Crazy Dancers“. Mit einem besonderen Auftritt feierten die Candy Girls ihr 50-jähriges Bestehen. Mehr als 30 Aktive aus den vergangenen Jahren schlossen sich der Tanzgruppe für eine gemeinsame Jubiläums-Choreographie an. sas