Hattersheim: Wenn der Wetterbericht Schoko-Regen meldet . . .

Warum bei älteren Schülern das Radio keine Rolle mehr spielt und woher Jüngere dieses Medium kennen.
Okriftel -„Ohren auf und los geht’s“, forderte eine Kinderstimme aus dem Lautsprecher. Das Kommando war ein Signal an alle versammelten Eltern, ganz genau hinzuhören. Die Erziehungsberechtigten erwartete nämlich eine Klangreise durch die Geräuschkulisse der Albert-Schweitzer-Schule. Bisher hatten sich wahrscheinlich die wenigsten von ihnen gefragt, wie eine Grundschule klingt. Jetzt schallten murmelnde Stimmen und trippelnde Schritte aus den Lautsprecherboxen. Das Zischen eines Reißverschlusses war zu hören, gefolgt vom Knarren der Schulbänke und dem Plätschern einer Toilettenspülung.
Schulalltag in vertonter Version
Die vertonte Dokumentation des Schulalltags war ein Ergebnis des Projekts „Earsinnig hören“, an dem die Klasse 3 b der Albert-Schweitzer-Schule teilnehmen durfte. Neben der Reportage produzierten die Kinder auch ein Interview mit der Halterin des Schulhundes, der den Namen Boomer trägt.
Außerdem hatten die Schüler eigene Radiobeiträge vorbereitet, die sie zwischen den aufgezeichneten Inhalten dann „live“ in der Turnhalle vortrugen. Die Eltern hörten ausgedachte Nachrichten über Wasserschlachten, und Werbung für praktische Produkte wie den „Super-Lehrerstift“, der automatisch Hausaufgaben korrigiert. Schließlich lieferte die Schulklasse auch noch einen vielversprechenden Wetterbericht: „Am Mittwoch regnet es Schokosoße“, kündigte eine Schülerin an.
Ein dickes Lob gab es von Maria Bonifer von der Stiftung Zuhören, die das Projekt in Zusammenarbeit mit der Sparkassen Kulturstiftung Hessen-Thüringen anbietet. Dass die Schüler alle Nachrichten frei vorgetragen haben, sei eine besondere Leistung. „Beim Radio mogeln wir“, erklärte die Journalistin. Dort würden Moderatoren die Nachrichten ablesen. Die Stiftung bietet das Programm „Earsinnig hören“ seit 13 Jahren an. In dieser Zeit sei die Aktion von über 500 Schulen genutzt worden. Im Mittelpunkt des Angebots stehe das Vermitteln von Medienkompetenz, erläuterte Maria Bonifer.
Eine Flut von neuen Medien
Zuhören sei nicht erst durch die Flut an neuen Medien eine Herausforderung geworden. „Es war noch nie leicht“, meint Maria Bonifer im Gespräch mit dieser Zeitung. Heutzutage gebe es manchmal das Problem, dass Eltern ihren Kindern nicht richtig zuhörten, weil die Erwachsenen mit dem Smartphone beschäftigt sind. Und wie sieht es mit dem Radio aus? Nehmen Kinder dieses Medium überhaupt noch wahr? Maria Bonifer hat festgestellt, dass jüngere Kinder das Audioformat noch vom Autoradio der Eltern kennen. Bei älteren Schülern spiele Radio aber kaum noch eine Rolle. „Die hören Musik über ihre eigenen Kanäle.“
In Okriftel überließ Lehrerin Carina Gerlach nichts dem Zufall. Als Vorbereitung auf das Projekt hat die Pädagogin mit ihren Schülerinnen und Schülern Radiobeiträge gehört. Dann wurden die eigenen Beiträge geplant.
Sechs Wochen lang stimmte sich die Klasse 3 b auf die besondere Hörerfahrung ein. Da die Gruppe vor kurzem aus anderen Klassen zusammengelegt wurde, habe die Schule das Ziel verfolgt, den Zusammenhalt zu stärken. Die eigene Radioshow habe sich allerdings auch angeboten, weil sie Fächer übergreifende Inhalte aus Musik, Deutsch und Sachunterricht abdeckt.
Dass die Albert-Schweitzer-Schule mit ihrer Bewerbung so schnell Erfolg hatte, sei großes Glück gewesen, berichtet die Lehrerin. Hessenweit wurden nur acht Schulen für die Teilnahme in diesem Schuljahr ausgewählt. Die Okrifteler Grundschule machte den Anfang.
Übrigens: Eine Auswahl ihrer Aufnahmen soll über die Stiftung Zuhören online veröffentlicht werden. sas