In Hattersheim geht’s rund - Kreisweit erstes Gehfußball-Team bei Germania Okriftel

Das Runde muss ins Eckige - das ist auch im Gehfußball so. Ansonsten erfordert die spaßige Sportart von den Kickern ein Umdenken.
Okriftel - Während die Sonne langsam hinter dem Okrifteler Wäldchen versinkt, springt über dem Kunstrasen des FC Germania die Flutlichtanlage an. Im Scheinwerferlicht hat sich ein ungewöhnliches Grüppchen zusammengefunden. Die Aktiven, die sich zum Aufwärmen den Ball zuspielen, sehen nicht wie eine typische Fußballmannschaft aus. Das runde Leder wandert von Frauen im mittleren Alter zu Männern mit grauen Haaren. Dieser bunt gemischte Kreis bildet die Gehfußball-Mannschaft der Germania, für deren Bestehen die Initiatoren kämpfen mussten.
„Am Anfang haben uns alle belächelt“, erinnert sich Anna Bleich-Potkowa. Die Okriftelerin trainiert das neue Team gemeinsam mit ihrem Mann. Thomas Bleich-Potkowa kommt aus dem Landkreis Marburg-Biedenkopf, wo er bereits erste Erfahrungen mit Gehfußball sammelte. Nachdem er seine heutige Frau beim Skatspielen kennengelernt hatte, reizte ihn die alte sportliche Leidenschaft wieder. Gemeinsam suchte das Paar nach Interessierten. Zu Beginn des Jahres traf sich die Gruppe zuerst in Hofheim, bevor sie im März unter dem Dach der Germania Okriftel ein festes Zuhause fanden. Die erste Gehfußball Mannschaft im Main-Taunus-Kreis war geboren.
Gehfußball? Was ist das überhaupt? Das fragten sich zunächst auch die Verantwortlichen beim FC Germania. „Ich wusste gar nichts davon“, erzählt Schriftführer Walter Scheuer. Anfangs sei er skeptisch gewesen, gesteht das Vorstandsmitglied. Das Ehepaar Bleich-Potkowa sei jedoch hartnäckig dran geblieben, und diese Ausdauer habe schließlich zum Erfolg geführt. Der Germania-Vorstand informierte sich genauer über das Phänomen, das im Jahr 2011 in England entstanden und seither nach Deutschland herüber gewandert ist. Mittlerweile ist auch Walter Scheuer überzeugt. Für den Breitensport sei Gehfußball ein wichtiges Thema, findet der Germania-Schriftführer. Für Fußballer über 40, die Knieprobleme haben, sei diese Betätigung immer noch machbar.
Das Grundprinzip des Fußballspiels bleibt bei der gemächlicheren Variante gleich: Zwei Mannschaften treten gegeneinander an und versuchen den Ball ins gegnerische Tor zu schießen. Damit enden jedoch die Gemeinsamkeiten. Der auffälligste Unterschied beginnt schon bei der Bewegung auf dem Platz. Wie es der Name Gehfußball erahnen lässt, müssen die Spieler bei der Fortbewegung stets mit einem Fuß den Boden berühren. „Wenn jemand rennt, wird abgepfiffen“, erklärt Anna Bleich-Potkowa.
Germania Okriftels Team hat den höchster Frauenanteil im hessischen Gehfußball
Grätschen und harter Körperkontakt sind genauso untersagt wie Schüsse oberhalb der Hüfthöhe. Die Ballduelle im Gehen werden auf einem 42 mal 21 Meter großen Spielfeld ausgetragen. Die Tore sind nur einen Meter hoch und werden nicht von einem Torwart bewacht. Noch hat die Okrifteler Mannschaft keine passenden Tore auf dem Germania-Gelände. Die notwendigen Sportgeräte seien aber bereits bestellt, erklärt Thomas Bleich-Potkowa. Der Initiator der neuen Gruppe entdeckte Gehfußball nachdem eine Beinverletzung seine Mobilität vor einigen Jahren einschränkte. „Nach der OP musste ich mir was Neues suchen“, berichtet der 46-Jährige.
Für Anna Bleich-Potkowa war direkt klar, das sie ihren Mann unterstützen würde. Die 43-Jährige mischt nicht nur auf dem Spielfeld aktiv mit, sondern rührt auch die Werbetrommel im Internet. Wahrscheinlich ist es ihrem Einsatz zu verdanken, dass die Okrifteler Gehfußballer den höchsten Frauenanteil aller Mannschaften in Hessen haben. Unter den 17 Aktiven seien fünf Frauen, erläutert die Trainerin.
Seit dem Startschuss im Frühjahr erlebte das Germania-Team bereits einige besondere Momente. So traten die Neueinsteiger beispielsweise im September gegen die Gehfußballer von Eintracht Frankfurt an und nahmen wenige Wochen später an der Hessenmeisterschaft teil.
Als jüngster Spieler steht der 34 Jahre alte Sebastian Schmitt auf dem Platz. Er sei 20 Jahre lang für die Germania aktiv gewesen und habe eine neue Herausforderung gesucht, erklärt der frühere Jugendtrainer.
Der erfahrenste Gehfußballer in Okriftel hält auch mit 70 noch mit
Bei offiziellen Turniern darf Schmitt die Gehfußballer allerdings nicht unterstützen. Dann gilt nämlich eine Altersgrenze von mindestens 50 Jahren. Diese Marke hat Peter Voss als ältester Spieler längst geknackt. Der 70-Jährige ist eigentlich bei den Alten Herren der Germania zu Hause, hilft aber gerne als Springer bei den Gehfußballern aus. „Wenn man das richtig macht, schwitzt man auch ordentlich“, hat Voss festgestellt.
Das Gehfußball-Team des FC Germania Okriftel trifft sich jeden Montag um 19 Uhr auf dem Sportplatz am Okrifteler Wäldchen. Interessierte sind eingeladen vorbeizuschauen und mitzumachen. Weitere Infos unter www.fcgermaniaokriftel.de/gehfussball. (sas)