Im Tierheimstreit steht Aussage gegen Aussage

Missstände beim Tierheim oder persönliche Konflikte? Rund um den Hattersheimer Tierschutzverein rumort es. Wenn Aussage gegen Aussage steht, fällt eine eindeutige Beurteilung des Konflikts schwer. Der Vorsitzende des Vereins verteidigt jedenfalls seine Einrichtung.
Die Vermittlung herrenloser Tiere sollte eigentlich die größte Sorge des Hattersheimer Tierheims sein. In diesem Jahr hat die Auffangstelle, die vom Tierschutzverein betrieben wird, aber zusätzliche Probleme: Zwischen dem derzeitigen Vorstand und ehemaligen Team-Mitgliedern ist eine Auseinandersetzung über die korrekte Führung der Einrichtung entbrannt.
Bereits im Oktober berichtete diese Zeitung, dass Mitarbeiter das Tierheim aus Unzufriedenheit verlassen haben. Andere wurden vom Vorstand ausgeschlossen. Vereinschef Christian Reiter sprach von Unstimmigkeiten, die entstanden seien, weil sich eine konkurrierende Gruppe bei den Vorstandswahlen bildete. Die „Wunden“ seien jedoch ausgeheilt.
Dies wollen die Kritiker so nicht stehen lassen. Ehemalige Mitarbeiter, die ihre Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, wandten sich an unsere Redaktion und erhoben gezielte Vorwürfe.
Die Tierheim-Insider bemängeln unter anderem, dass schlecht mit Sachspenden umgegangen werde. Wenn Zuwendungen beim Tierheim eingehen, zeige das Team nur wenig Dankbarkeit. Außerdem kritisieren die ehemaligen Mitarbeiter, dass manche Spenden von Mitgliedern und Helfern nach Hause mitgenommen werden. Eine weitere Beschwerde betrifft den Import von Hunden aus dem Ausland. Die Leitung des Tierheims hole überwiegend Hunde aus dem europäischen Ausland in die Anlage. Die Kritiker sprechen von bis zu 90 Prozent Auslandshunden.
Zu viele Auslandshunde
Die Einfuhr der Hunde aus Rumänien, Portugal oder Spanien sei regelrecht zum Handel geworden. Dabei fließe eine Gebühr von 300 Euro pro Hund an das Tierheim. Bei der Vermittlung dieser Tiere gehe es zu „wie im Taubenschlag“. Interessenten könnten die Hunde schon nach einer kurzen Besichtigung mitnehmen, ohne dass jemand Charakter und Gesundheit der Vierbeiner genauer prüfe. Die Einfuhr der Hunde laufe über Privatpersonen, so dass für Käufer oft gar nicht ersichtlich sei, wo das Tier ursprünglich herkommt.
Fehlender Nachweis
Allgemein bemängeln die ehemaligen Mitarbeiter fehlendes Einfühlungsvermögen im Umgang mit den Tieren. Hunde, die sich nicht vertragen, würden im Außengelände zusammengeführt ohne dass man sich vorher Gedanken mache. Eine Hundetrainerin, die mit Rat zur Seite stehen könnte, sei nicht erwünscht.
Auch zur Hygiene äußern sich die Kritiker: Die gefliesten Gänge auf der Rückseite der Zwinger im Gebäude würden nur mit kaltem Wasser und Essigreiniger saubergemacht, obwohl Spezialreiniger in der Einrichtung vorhanden sei. Schließlich erheben die Kontakte dieser Zeitung noch persönliche Vorwürfe gegen Vereinschef Christian Reiter. Dieser sei vor einiger Zeit von zwei ehrenamtlichen Mitarbeitern angezeigt worden, weil er einem Hund vor die Brust getreten habe.
Der Vorsitzende verfüge auch nicht über den Sachkundenachweis, der nach Paragraf 11 des Tierschutzgesetzes nötig sei, um Tiere zu halten. Weder Reiter noch sonst jemand im Vorstand könne diese Qualifikation vorweisen, behaupten die kritischen Stimmen.
Vereinschef Christian Reiter weist die Kritik zurück. Er legt Wert auf die Feststellung, dass es sich bei den Vorwürfen um einen rein persönlich motivierten Angriff handele. Zum Umgang mit Sachspenden erläutert er, dass das Tierheim tatsächlich nicht alles brauche. Matratzen oder Kopfkissen seien beispielsweise unpraktisch, weil diese gewaschen werden müssen. Überflüssige Spenden würden jedoch an die Tier-Tafel oder ins Ausland weitergeleitet.
Pflege auch zu Hause
Es komme auch vor, dass Mitarbeiter einen Sack Futter mitnehmen, räumt Reiter ein. Dies liege allerdings daran, dass die Helfer Tiere auch zu Hause pflegen. Zur Übernahme von Tieren aus dem Ausland komme es nur, wenn das Tierheim gerade Platz hat. Der Tierschutzverein arbeite mit Tierheimen im Ausland zusammen, erklärt der Vorsitzende. Das Veterinäramt sei eingebunden und wisse Bescheid.
„Für mich ist Tierschutz grenzübergreifend“, betont Christian Reiter. Außerdem seien beispielsweise Hunde aus Rumänien die Kälte gewohnt und könnten auch im Winter in den Außenzwingern des Tierheims gehalten werden. Die Schutzgebühr, die bei der Übernahme an das Tierheim geht, rechtfertigt Reiter mit Personal- und Gebäudekosten. Er kenne kein Tierheim, dass keine ausländischen Hunde aufnimmt, sagt der Chef des Tierschutzvereins.
Beim Thema Hygiene verweist Christian Reiter auf die Zusammenarbeit mit einem Betriebsarzt und einer externen Fachkraft für Arbeitssicherheit. „Es ist alles transparent“, sagt der Chef. Die Näpfe der Tiere würden in einer Waschmaschine bei 60 Grad gespült, um Keime abzutöten.
Zu den Zusammenführungen von Hunden im Außenbereich sagt Reiter, dass es dabei immer ein Risiko gebe. Eine Hundetrainerin könne sich das Tierheim aber nicht leisten. Den Vorwurf, dass er einen Hund getreten haben soll, weist der Vorsitzende zurück. Das habe er schon mit dem Veterinäramt geklärt. Bei Begehungen mit der Amtsveterinärin bekomme das Tierheim eine positive Beurteilung ausgestellt, erklärt Christian Reiter. Er betont außerdem, dass er im Besitz des angeblich fehlenden Sachkundenachweises sei. Sein Vorgänger habe in die Wege geleitet, dass er dieses Dokument hat. Den Nachweis habe er Schwarz auf Weiß in einem Ordner. Christian Reiter verweist auf Sigrid Faust-Schmidt vom Landestierschutzverband als neutrale Zeugin.
Kein schlechter Eindruck
Auf Nachfrage dieser Zeitung erklärte die Tierschützerin, dass ihr Aufenthalt im Hattersheimer Tierheim keine detaillierte Begehung gewesen sei. Sie habe allerdings keinen schlechten Eindruck gewonnen und bisher auch noch nie etwas Schlechtes über die Einrichtung gehört. Wenn es Meldungen über Missstände gäbe, würde sie dem sicherlich nachgehen, so die Vertreterin des Tierschutzverbandes.
Nach dem Gespräch mit Reiter meldeten sich ehrenamtliche Tierheim-Mitarbeiter bei dieser Zeitung. Carina Schmelzeisen berichtet, dass sie seit zwei Jahren aktiv dabei sei und die Behauptungen nicht verstehen könne. Vor allem das Thema Hygiene lag ihr am Herzen: „Wir schrubben uns dort sonntags Blasen“, so die Helferin. Das Klima im Team sei super und sie habe noch nie mitbekommen, dass ein Tier schlecht behandelt wurde.
Auch Angelika Haacke, die nach eigener Aussage seit zweieinhalb Jahren im Tierheim hilft, meldete sich zu Wort. Dass überwiegend Auslandshunde im Tierheim unterkommen, könne sie nicht bestätigen. Angelika Haacke betont, dass die Zwinger jeden Morgen sauber gemacht werden. „Und wir haben auch warmes Wasser“, sagt die Ehrenamtlerin. Im Tierheim werde alles getan, was man tun könne.
Unsere Zeitung hat auch beim Veterinäramt des Main-Taunus-Kreises nachgefragt. Kreishaussprecher Johannes Latsch erklärt, dass es in der Zusammenarbeit mit dem Hattersheimer Tierheim bisher keinen Grund zur Beanstandung gebe.