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„Hier reinzugehen, wäre Frevel“

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Der Bürgermeister denkt an ein neues Gewerbegebiet – doch dagegen machen die Naturschützer mobil.

Manfred Guder ist ein aufmerksamer Kreisblatt-Leser. Und guckt dabei stets über seinen Kelkheimer Tellerrand hinaus. So hat er den Bericht über die Halbzeitbilanz von Eppsteins Bürgermeister Alexander Simon mit wenig Freude gelesen. Denn darin hat der Rathauschef angekündigt, sich für ein neues Gewerbegebiet in Bremthal stark machen zu wollen. Es solle sich zwischen den Firmenparks „Bremthal-West“ an der A 3 und „Valterweg“ erstrecken. Von gute sieben Hektar, doppelt so groß wie das neue Gewerbegebiet, war vor zwei Wochen die Rede.

Bei solchen Ankündigungen klappt Guder die Kinnlade runter. Vor allem, wenn er einen Blick in den Flächennutzungsplan wirft. Dort ist das mögliche Gewerbeareal nämlich gar nicht als solches ausgewiesen. Die Grundstücke entlang der B 455, dann unterhalb der Firma Bo-Frost und dem Herrgottschnitzer weisen vielmehr Landwirtschaft, Wald und Wiesen aus. Sie sind als „Regionaler Grünzug“ und „Vorbehaltsgebiet für besondere Klimafunktionen“ bezeichnet.

Schon deshalb sollte diese Fläche tabu sein. Das jedenfalls betonen die Eppsteiner Naturschützer mit BUND-Mann Guder bei einem Ortstermin gegenüber dem Kreisblatt. Hans-Joachim Menius, Kreisvorsitzender des Naturschutzbundes (Nabu) sowie der Hessischen Gesellschaft für Ornithologie und Naturschutz (HGON), sein Nabu-Kollege Kurt Müller (beide aus Vockenhausen) und der Eppsteiner BUND-Vorsitzende Klaus Stephan sind gerne auf die kleine Lichtung hinter der Brücke am verlängerten Valterweg gekommen. Sie alle können nur mit dem Kopf schütteln – und stellen sofort klar: Eine Bebauung ist für sie nicht diskutabel. „Unsere Ablehnung ist ganz entschieden“, betont Müller. „Wir sind gesprächsbereit, aber nur bei vernünftigen Sachen werden wir zustimmen. Über den Wald hier brauchen wir nicht zu diskutieren“, erklärt Stephan. „Das Gebiet ist einfach zu wertvoll“, ergänzt Menius.

Alte Bäume, viele Tiere

Er zählt eine Reihe von Gründen auf, weshalb das Gebiet schützenswert sei. Die stattlichen Buchen und Eichen seien locker 150 Jahre alt, „die kann man doch nicht einfach umhauen“. Die Mischung mit den jungen Bäumen stimme. Menius weiter: „Fast alle Spechtarten brüten hier.“ Noch dazu sei der Hirschkäfer bei einer Ausgleichsmaßnahme hier angesiedelt worden. Er nennt Fledermäuse, Greifvögel und Insektenarten, die hier – geschützt von der B 455 – im Bauwald ihr Zuhause haben. Zudem sei dieser Forst ein Erholungsgebiet für viele Spaziergänger. „Hier reinzugehen, wäre der größte Frevel“, findet Menius.

Plan kommt 2024

Die Kollegen nicken – und haben kurz zuvor einen weiteren Verbündeten getroffen. Der Pächter der Koppeln, auf denen Pferde weiden, sei von der Meldung über ein mögliches Gewerbegebiet „richtig erschrocken“ gewesen und spreche sich dagegen aus. Guder nimmt bereits den Regionalverband in die Pflicht. Dieses Areal als Gewerbegebiet in den für 2024 zu erarbeitenden Flächennutzungsplan aufzunehmen – das könne der Verband nicht genehmigen. Aber Guder kennt die Praxis nur zu gut: Wurde früher im Umlandverband um jeden Quadratmeter gekämpft, so sei heute die Unterstützung der Kommunen groß – nach dem Motto „Hilf’ du mir, helf’ ich dir“. Guder möchte deshalb gleich Öffentlichkeit herstellen: „Wir wollen jede Mauschelei schon im Vorgriff verhindern.“

BUND-Kollege Stephan sieht einen Grund für immer neue Bau- und Gewerbegebiete: „Die Kommunen werden da in einen Wettbewerb reingetragen.“ Eppstein sei da fehl am Platz, findet Guder: „Das ist hier die Nassauische Schweiz und nicht die Eschborner Ebene. Die Struktur gibt so etwas hier nicht her.“ Um auf 7 Hektar zu kommen, müsse die Stadt ein gutes Stück in den Wald reingehen, fürchtet Guder und lässt seinen Blick zwischen Bundesstraße, Koppeln und Wald schweifen. Das wäre für das Quartett unvorstellbar. Die Gruppe ist nun einmal gespannt, wie es in der Sache weitergeht. Ein Gespräch mit dem Bürgermeister sei ohnehin geplant gewesen, sagt Menius. Darauf warten er und seine Mitstreiter. Vorher wollen sie gar nicht über mögliche Alternativen spekulieren.

Bei ihrem ersten Protest-Treffen bringen sie lieber einen weiteren Wunsch an: Warum nicht auch in Eppstein Teile des Stadtwaldes stilllegen? Das habe nichts mit Baumfällen zu tun, vielmehr werde der Wald aus der Bewirtschaftung rausgenommen und sich selbst überlassen, sagt Menius. Das Land Hessen wolle acht Prozent seiner Staatswald-Fläche so umwidmen, auch die Stadt Hofheim denke darüber nach. Der Bauwald hier in Bremthal sei dafür gut geeignet, finden Menius und Co. Das können sie dann ja mit dem Bürgermeister diskutieren.

(wein)

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