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Die schlimmsten Befürchtungen sind eingetroffen

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Linda Fischer, Betreiberin des Blumenladens Rosenzauber, vermisst die Kunden, die oft und gerne bei der Durchfahrt durch den Ort einen Stopp an ihrem Geschäft eingelegt haben.
Linda Fischer, Betreiberin des Blumenladens Rosenzauber, vermisst die Kunden, die oft und gerne bei der Durchfahrt durch den Ort einen Stopp an ihrem Geschäft eingelegt haben. © bt

Lorsbacher Geschäfte leiden - Anlieger genervt - Bauarbeiten im Rückstand

Lorsbach. Es ist so schlimm wie befürchtet - die Lorsbacher Geschäftsleute leiden extrem unter der Vollsperrung der Landstraße nach Hofheim. Die Anwohner der Straße Alt Lorsbach wiederum sind wegen des Verkehrs dort genervt. Auf der Baustelle haben sich derweil Verzögerungen von fünf Wochen ergeben. Nicht alle Erklärungen der Straßenverkehrsbehörde Hessen Mobil sind ohne Widersprüche.

Am heftigsten getroffen hat es wohl die Apotheke. Mindestens die Hälfte der Kunden seien weg, sagt Betreiber Abdulrahim Hamoud. Vor der Sperrung hatte er täglich etwa 120 Kunden, heute sind es manchmal 70, manchmal auch nur 20. „Es ist schon heftig“, so Hamoud. „Es kam so wie befürchtet“, bestätigt Linda Fischer, die Betreiberin des Blumenladens Rosenzauber. „Mau“, heißt es auch im Kiosk kurz und bündig zur Beschreibung der Lage.

Man sieht: Ohne die durchfahrenden Kunden kommen die Lorsbacher Geschäfte nicht aus. Die einen holen sich am Kiosk noch schnell den zweiten Kaffee, andere bringen aus Lorsbach die Geburtstagsblumen mit nach Hause. Viele Autofahrer hätten morgens ein Rezept abgegeben und sich abends die Medikamente abgeholt, sagt Apotheker Hamoud. Das funktioniert so nicht mehr.

Am besten kommt von den örtlichen Betrieben noch die Dachdeckerei Georg zurecht, die zu den Klägern gegen das Land gehörte. Man habe sich große Bauteile vor Beginn der Sperrung liefern lassen und improvisiere jetzt viel, sagt Jasmin Georg. Die längeren Anfahrtswege zu Kunden in Hofheim und anderen Orten schlügen sich in höheren Kosten für die Kunden nieder. Das schränkt auf die Dauer die Wettbewerbsfähigkeit ein.

Das Handtuch werfen möchte derzeit keiner. „Wenn ich zumache, hat Lorsbach keine Apotheke mehr“, sagt Hamoud. Er lässt erkennen, dass er an dem Geschäft hängt. Aber endlos kann die Geduld nicht sein. „Irgendwann wird es kritisch“, sagt Rosenzauber-Chefin Fischer. Die einen haben schon Ersparnisse verbraucht, andere Aushilfskräfte entlassen.

Für Fischer ist das kein Weg. Wenn die Fachkräfte erst weg sind, bekommt sie so schnell keine neuen, wenn sich die Lage wieder normalisiert. Wobei sie zeitweise darauf hoffte, dass sie das Weihnachtsgeschäft noch mitnehmen kann - der Dezember ist der mit Abstand umsatzstärkte Monat. Aber dafür müsste es schon eine Beschleunigung der Arbeiten auf der Baustelle geben.

Danach sieht es aber nicht aus. Die Lorsbacher machen sich viele Sorgen, auch weil sie beobachten, dass samstags gar nicht gearbeitet wird und freitags nur bis 12 Uhr. An den Werktagen ist pünktlich um 17 Uhr Schluss. Dabei hatte Hessen Mobil anderes zusagt, an sechs Tagen in der Woche sollte bis zum Einbruch der Dunkelheit gearbeitet werden.

Neue Verhandlungen mit der Baufirma wurden nötig

Dafür gibt es Erklärungen - nicht nur eine, sondern zwei. Anfang August erklärte Hessen Mobil, es gebe einen festen Termin für die Lieferung eines großen Bohrers. Alles, was man bis dahin erledigen könne und müsse, ließe sich in den regulären Arbeitszeiten erledigen. Das ist ja durchaus plausibel - allerdings hätte man dann auch später sperren und in der Zeit bis zur Lieferung des Bohrers mehr arbeiten können.

Jetzt erklärt Hessen Mobil, der Auftrag sei nach der Ausschreibung unter den Voraussetzungen einer einjährigen Vollsperrung vergeben worden. Durch die Entscheidungen des Gerichts aber - eine so lange Vollsperrung ist demnach unzulässig - hätte alles mit der beauftragten Firma neu ausgehandelt werden müssen. Und in diesen Gesprächen habe man keine Handhabe gehabt, die Firma auf ausgeweitete Arbeitszeiten festlegen zu können.

Bis zum Beginn der Arbeiten mit dem Bohrer habe sich, unter anderem durch die Überschwemmungen nach den starken Regenfällen, eine Verzögerung von etwa fünf Wochen ergeben, teilt Hessen Mobil nun mit. Die Baufirma sei bemüht, die Verzögerungen aufzuholen - unter anderem dadurch, dass mehr Arbeiten parallel erledigt werden. „Die Baufirma hat einen schlüssigen Bauzeitenplan entworfen und arbeitet täglich an kreativen Lösungen, um die Bauzeit einzuhalten und da, wo es geht, zu verkürzen“, so Hessen-Mobil-Pressesprecher Canel Altintop.

EXTRA: „Es wird viel herumgepöbelt und gestritten“

Der Erste Stadtrat Wolfgang Exner hat ein genaues Bild der Lage. „Da bricht die totale Anarchie aus“, schilderte er im Ortsbeirat Langenhain das Geschehen auf der Straße Alt-Lorsbach im benachbarten Stadtteil Lorsbach. Und die Anwohner geben ihm recht. „Es ist so was von katastrophal“, sagt eine Anwohnerin.

„Die Situation eskaliert immer mehr“, sagt der Lorsbacher Thomas Gerner, der die Lage in der Ortsmitte und auf der Baustelle genau beobachtet. Besonders in den Blickpunkt geraten ist der Lastwagenverkehr. Transporter mit Baumstämmen, Laster mit Baumaterial - im Ortskern ist alles unterwegs, was man sich vorstellen kann. Dabei ist die Durchfahrt für Lastwagen verboten. Gerner hat sich auch schon mit einem angelegt. „Die Strafe sei ihm egal, er habe Geld genug“, schildert Gerner den Gesprächsverlauf.

Auch Anwohner berichten, dass die Stimmung kippt. „Es wird viel rumgepöbelt und gestritten“, berichtet eine Anwohnerin. Eine Mülltonne sei auch schon beschädigt worden; gerüchteweise ist auch davon die Rede, dass Passanten von durchfahrenden Autos berührt wurden. In dem Bereich sind auch Schulkinder unterwegs.

Immerhin: Während die Straßenverkehrsbehörde Hessen Mobil erklärt, es sei eine andere Umleitung ausgeschildert und ansonsten sei man nicht zuständig, hat die Stadt Ordnungspolizisten abgestellt, die vor Schulbeginn aufpassen. Es werde auch jeder Anzeige nachgegangen, und viele hätten schon erhebliche Bußgelder bezahlen müssen, ließ der Erste Stadtrat Exner im Ortsbeirat wissen. Aber: Aus Lorsbacher Sicht stellen sich dringende Fragen. Warum wird aus der Ortsdurchfahrt keine Einbahnstraße gemacht? Wird das Durchfahrtsverbot für Lkw kontrolliert, und wenn ja, wie häufig? Stimmt es, dass manche illegal über den Heinrichsweg nach Hofheim fahren, und was unternimmt die Stadt? Diese Fragen wurden von dieser Zeitung am vergangenen Montag an das Rathaus geschickt - bis zum Wochenende gab es leider keine Antworten. bt

An der Baustelle werden nur ganz normale Schichten gefahren.
An der Baustelle werden nur ganz normale Schichten gefahren. © bt

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