Archäologen finden in Hofheim römische Keramik in späterem Baugebiet

Auf dem Gelände des geplanten Baugebietes Marxheim II entdecken die Forscher noch weitere Hinterlassenschaften.
Marxheim - Die Scherbe hat genau an der richtigen Stelle gelegen, ganz unten in dem spitzen Graben. Das heißt, dass sie zuerst hineingeworfen wurde, erst später kam all das Material hinein, aus dem gleich nebenan ein Wall aufgeschüttet worden war. Bei der Scherbe handelt es sich um Terra Sigilata, eine römische Keramik, unserem Porzellan nicht unähnlich. Nach der Machart können die Archäologen sie genau zuordnen, sie stammt von einem Teller, der in den Jahren etwa 70 bis 80 nach Christus gemacht wurde. Da ein solcher Teller schon ein paar Jahre hält, gehen die Wissenschaftler davon aus, dass er in den Jahren 80 bis 90 nach Christus in den Graben geworfen wurde. Und dass unmittelbar danach der Graben zugefüllt wurde. So funktioniert Archäologie.
Römische Keramik in Hofheim gefunden – Dort soll ein Baugebiet entstehen
Gefunden wurde die Scherbe auf dem Hofheimer Hochfeld genau dort, wo in einigen Jahren das Baugebiet Marxheim II entstehen soll. Lange bevor irgendwann die Bagger rollen, untersuchen die Archäologen das Gelände. Das begann mit einer geomagnetischen Prospektion. Sichtbar wurde eine rechteckige Struktur, die jeder Experte schon wegen der abgerundeten Ecken als römisches Marschlager erkennen musste.
"Wir wussten damit natürlich noch nichts über die Tiefe oder das Alter der Gräben", sagt Professor Markus Scholz von der Universität Frankfurt, der sich auf provinzialrömische Archäologie spezialisiert hat und sich freut, einen so hochkarätigen Fundort direkt vor der Haustüre zu haben. Das ist freilich nicht neu - seit der Erforschung des sogenannten Erdlagers auf dem heutigen Kreishausgelände vor mehr als 100 Jahren weiß jeder Fachmann in Europa, dass mit dem Hofheimer Horizont die Zeit etwa von 40 bis 70 nach Christus gemeint ist.
Römische Keramik in Hofheim gefunden: Plausible Anknüpfungspunkte in der Geschichte
In dieser Zeit bestand das Erdlager, das jetzt gefundene Marschlager hat es dagegen wohl nicht über mehrere Jahrzehnte gegeben. Bei der elektromagnetischen Prospektion wurden nämlich keine Unregelmäßigkeiten sichtbar, die auf eine dauerhafte Bebauung aus Holz oder gar Steinen schließen ließ.
Also lebten die Legionäre in Zelten, und das war üblich bei Lagern, die für einige Monate oder wenige Jahre errichtet wurden. Damit wiederum gibt es plausible Anknüpfungspunkte in der Geschichte. In den Jahren 83 bis 85 führten die Römer Krieg gegen den germanischen Stamm der Chatten, im Taunus und in der Wetterau. Da liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein Marsch- oder Nachschublager für genau diesen Krieg handelte.
Römisches Lager in Hofheim: Lagertore ungewöhnlich breit
Scholz weist noch darauf hin, dass die Lagertore mit 12 Metern ungewöhnlich breit waren. Das wurde so gemacht, wenn sie für viele Legionäre, aber auch wenn sie für schwere Fuhrwerke gedacht waren. Das Lager könnte also auch eine Funktion bei Bauarbeiten gehabt haben, etwa an der Römerstraße von Mainz über Hofheim in die Wetterau. An leichten Bodenerhebungen ist auch zu erkennen, wo das Nord- und das Südtor des Lagers sich befanden - das sieht man aber nur, wenn man darauf hingewiesen wird. Die Umrisse der früheren Spitzgräben dagegen sind in den Gruben, die die Archäologen ausgehoben haben, gut zu identifizieren.
Rechtzeitig vor Beginn der eigentlichen Bauarbeiten werde es weitere archäologische Untersuchungen geben, erklärte Erster Stadtrat Wolfgang Exner gestern bei einer Besichtigung der Baustelle. Bis dahin haben die Archäologen aber genug im Labor zu tun. Rund ein Dutzend weiterer Scherben wurden gefunden, die zwar nicht alle so aussagekräftig sind wie die eine vom Fuß des Grabens, die aber datiert werden sollen und so weitere Aufschlüsse liefern könnten.
Nicht nur Hinterlassenschaften der Römer in Hofheim gefunden
Gefunden wurden nicht nur Hinterlassenschaften der Römer. Scholz wies auf eine dünne schwarze Bodenschicht hin - Resultat eines Vulkanausbruchs in der Eifel, der vor 20.000 Jahren weite Gebiete mit Asche bedeckte. Keine Erklärung gibt es für Holzkohlereste unter einem der Wälle - Scholz vermutet, dass sie aus der Jungsteinzeit oder der Bronzezeit stammen. Und dann gibt es noch Scherben, die ebenfalls deutlich weiter zurück reichen als in die Römerzeit. Sollte die Datierung ein Alter von etwa 5500 bis 6000 Jahren ergeben, dann könnte es Zusammenhänge geben zu der Siedlung der Michelsberger, die seit einigen Jahren auf dem Kapellenberg erforscht wird. Manfred Becht