Kein Internet aus leeren Rohren
Der Streit um den Internetausbau in Lorsbach, Langenhain und Wildsachsen eskaliert. Der Kreis prüft jetzt rechtliche Schritte
Im vergangenen März strahlten die Beteiligten noch um die Wette. Bis zum Sommer sollten die letzten weißen Flecken auf der Landkarte des schnellen Internet im Kreis verschwunden sein, so Landrat Michael Cyriax. Zu diesem Zweck hatte der Kreis einen Vertrag mit der Wallauer Firma Titan Networks – auch bekannt als MTKom – abgeschlossen, die – untechnisch gesprochen – die alleinige Konzession zur Verlegung der notwendigen Kabel in Lorsbach, Langenhain und Wildsachsen hat. Das Unternehmen hatte bei der Gelegenheit zugesagt, die vertraglich vereinbarte Frist bis Juli dieses Jahres einzuhalten.
Inzwischen ist die Euphorie einer erheblichen Verärgerung gewichen. Denn von der Einhaltung der Frist kann keine Rede sein. Auf einer vom Kreis eingerichteten Internetseite kann man sich für jeden Ort im Kreisgebiet über den aktuellen Stand der Dinge informieren. „Verzögerung um mehr als drei Monate“, heißt es da für Langenhain, Lorsbach und Wildsachsen.
Beschwerden beim Kreis
Entsprechend groß ist der Unmut in den betroffenen Stadtteilen. Bürger haben sich mit Beschwerden an den Kreis gewandt. In den drei Ortsbeiräten wird in fast jeder Sitzung der Internetausbau zum Thema gemacht und erheblicher Ärger artikuliert. Die Lorsbacher Kommunalpolitikerin Barbara Grassel schildert die Probleme mit den geringen und veralteten Übertragungsraten: „Beispielsweise sind die automatischen Updates für Windows 10 riesig. Wenn wieder eines läuft, bedeutet das für uns, dass wir ein bis zwei Tage kaum ins Internet kommen, Websites gleich wieder zusammenbrechen und kleinste Mails ewig unterwegs sind.“
Ist das überall so? Nach Aussage von Titan Networks sei in allen Stadtteilen eine Übertragungsrate von 10 MBit pro Sekunde möglich, weithin sogar 30 MBit pro Sekunde, sagt der Kreis. „Details können wir nicht bewerten und beziffern“, will man sich aber nicht auf solche Aussagen verlassen. Der Langenhainer Olaf Bertko, der für sich und einige Nachbarn die Verlegung von Glasfaseranschlüssen bis ins Haus organisiert, bestätigt die Angaben von Titan Networks. Bei ihm in der Nähe des Baha’i-Tempels wurden Übertragungsraten von 12 MBit pro Sekunde erreicht. Aber die Aufrüstung der gewöhnlichen Hausanschlüsse auf bis zu 50 MBits seien nicht erreicht.
Genährt wird der Unmut auch durch die Eindrücke, die die Baustellen in den Orten vermitteln. In Lorsbach sind an einigen Stellen Kabel zu sehen, die angeschlossen werden müssten, um die Glasfaseranschlüsse bis ins Haus zu realisieren. Dort tut sich schon so lange nichts, dass im Ort über das Schicksal von Titan Networks spekuliert wird. In Wildsachsen wurde im Ortsbeirat von offen liegenden Rohren berichtet, in die das Regenwasser laufen kann. Und es wurde bezweifelt, dass dort je Glasfaserkabel durchgezogen werden können.
Für den Main-Taunus-Kreis, der mit Titan Networks einen Vertrag abgeschlossen und einen Zuschuss von einer Million Euro zugesagt hat, zählen weder unklare Meldungen zum Sachstand noch zweifelhafte optische Eindrücke. Für den Kreis zählt die Fertigstellung des gesamten Netzes, und die war auf den 1. Juli festgesetzt worden. Da wegen schlechten Wetters nicht so zügig gebaut werden konnte wie geplant, wurde eine Fristverlängerung bis zum 26. August zugebilligt. Jetzt aber ist der Geduldsfaden gerissen. Wie Landrat Michael Cyriax vor dem Haupt- und Finanzausschuss des Kreistages berichtete, soll die im Vertrag vorgesehene Vertragsstrafe genutzt werden. Außerdem werden derzeit weitere juristische Schritte geprüft.
Aus einer ebenfalls vom Kreis veröffentlichen Chronik geht hervor, dass das Unternehmen mehrfach aufgefordert wurde, die vertraglichen Leistungen zu erbringen. Demnach ist Titan Networks auch nicht der Aufforderung des Kreises gefolgt, neue Termine für die Fertigstellung zu nennen. Keine Grundlage haben aber die im Ortsbeirat Wildsachsen geäußerten Befürchtungen, der Kreis habe die Zuschussmittel schon gezahlt. Nur ein kleiner Teil für Planungsleistungen seien geflossen, lässt die Pressestelle auf Anfrage dieser Zeitung wissen.
Titan Networks ist der wiederholten Bitte dieser Zeitung um eine Stellungnahme zu dem ganzen Thema nicht gefolgt. Selbst Kunde Olaf Bertko aus Langenhain, der mit seinen 12 MBit pro Sekunde zum aktuellen Zeitpunkt ganz gut zurecht kommt, kritisiert die Informationspolitik des Unternehmens. Nach seiner Einschätzung haben alle Beteiligten die Schwierigkeiten bei der Verlegung der Leitungen unterschätzt, außerdem zeige die Telekom keine Eile, die Umschaltungen vorzunehmen, zu denen sie zwar verpflichtet ist, für die aber keine Fristen gesetzt werden.
Faktisch ein Monopol
Im Langenhainer Ortsbeirat wurde auch wieder Unverständnis darüber laut, dass man in den drei Stadtteilen nicht beim bisherigen Anbieter Telekom die schnellen Internetzugänge bekommt. Dass dafür Titan Networks faktisch ein Monopol besitzt, hat sich noch nicht herumgesprochen. Andere Anbieter könnten zwar Durchleitungsrechte mieten, haben daran offensichtlich aber kein Interesse. Oder etwa doch? Einer Lorsbacher Telekom-Kundin, die wegen des schnellen Internets den Anbieter wechselte, wurde auf ihre Kündigung hin am Telefon erklärt, in zwei Jahren könne sie dann ja zur Telekom zurückkehren . . .