Kliniken stecken tief in der Krise

Im schlimmsten Fall 58 Millionen Euro Minus bis 2028, Kreis will helfen.
Hofheim -In einer Sondersitzung des Ausschusses für Eigenbetriebe ging es am Montag nur um einen einzigen Punkt: Die Kreistagsmitglieder wollten mehr wissen über die finanzielle Misere des Kliniken-Verbunds Varisano und die Überlegungen, sie zu bewältigen. Am selben Tag hatte der Aufsichtsrat sich zusammengefunden. Landrat Michael Cyriax (CDU) berichtete aus diesem, die beiden Gesellschafter, die Stadt Frankfurt und der Main-Taunus-Kreis, seien sich einig, „dass wir selbstverständlich helfen wollen, Verbund und Gesellschaft zu stabilisieren und Cash-Positionen zur Verfügung stellen“.
Drei Millionen Euro Soforthilfe hatte der Kreistag vor 14 Tagen beschlossen. Das werde helfen, „bis in den Herbst über die Runden zu kommen“, so Varisano-Geschäftsführer Stefan Schad. Dann werde man noch einmal über weitere Mittel sprechen müssen.
Zukunftskonzept wird erarbeitet
Bis zum 15. September, so hat es der Aufsichtsrat beschlossen, solle ein „Zukunftskonzept“ erarbeitet werden, erläuterte Schad, damit sich die Krankenhäuser des Verbunds auf Rahmenbedingungen einstellen könnten, die die Krankenhaus-Reform des Bundes bringen wird, und Varisano „eine gut finanzierbare Ausgangslage“ für die nächsten Jahre habe. Eine Vorlage dazu solle der Kreistag im Herbst erhalten, sicherte Landrat Cyriax zu.
Bis 2028 hat die Geschäftsführung als „worst case“, so Stefan Schad. allein für die Kliniken des Main-Taunus-Kreises 58 Millionen Euro Zuschussbedarf hochgerechnet. Ein Maßnahmen-Konzept könnte nach ihrer Einschätzung helfen, dass der Betrag um 20 Millionen Euro geringer ausfällt.
Adi Kannengießer (SPD) erinnerte daran, dass in Frankfurt Zahlen genannt worden seien, nach denen dem Gesamtverbund auch bei einem Gegensteuern 158 Millionen Euro bis 2028 fehlten, und allein in diesem Jahr 47 Millionen Euro Zuschussbedarf anfielen. All die genannten Zahlen „stammen nicht von mir“, betonte Landrat Cyriax, der klarmachte: Bevor nicht die Vorlage im Frühherbst auf dem Tisch liege, beteilige er sich „nicht an Dingen, die nicht mit uns abgestimmt sind“. Der Landrat warnte vor einer Verunsicherung bei Belegschaft und Patienten, die nicht weiterhelfe.
„Wenn wir nicht drüber reden, verbessert es die Situation nicht“, meinte dagegen die Linken-Vertreterin Dr. Barbara Grassel. Es werde bereits viel spekuliert über mögliche Konsequenzen, unter anderem sei von einer möglichen Schließung des Krankenhausstandorts Hofheim die Rede. Sich an einer Gerüchteweitergabe zu beteiligen halte er nicht für in Ordnung, kommentierte Cyriax. Es gebe zurzeit „keine belastbaren Informationen“ zum künftigen Konzept, dazu dürften die Aufsichtsratsmitglieder auch nichts sagen.
„Wir stehen zu unseren Kliniken“
Cyriax hatte schon zuvor Kritik von Harald Schindler (SPD) zurückgewiesen, der Kreistag habe „überhaupt keine Hinweise“ erhalten, wie die finanzielle Lage der Kliniken tatsächlich sei. Bereits im Dezember 2022 habe der Kreistag 10 Millionen Euro Liquiditätshilfe für die Kliniken beschlossen. „Wer lesen kann, kann es rekapitulieren“. Horrorszenarien entwerfen wolle niemand, meinte der SPD-Vorsitzende Michael Antenbrink. „Wenn wir die Situation einschätzen sollen, müssen wir aber auch konkret informiert werden“, befand der Genosse. Wichtig zu wissen sei etwa: „Wie stehen wir im Vergleich zu anderen Kliniken da?“, um zu beurteilen, ob es ein strukturelles Problem bei Varisano gebe.
Für die CDU betonte Fraktionschef Dr. Frank Blasch, er sei „sehr froh, dass wir Kliniken vor Ort haben“, und der Verbund sei „der absolut richtige Weg“ gewesen. Diesen ökonomisch zu führen sei man aber dem Steuerzahler schuldig, wies er Kritik der Linken an der „Kommerzialisierung des Gesundheitswesens“ zurück. Für ihn keine Frage: „Wir stehen zu unseren Kliniken.“ Das sagten auch Vertreter anderer Fraktionen ausdrücklich. Wolfgang Sietzy (Grüne) und Thomas Kandziorowsky (FWG) kamen sogar zu dem Schluss, die Lage sei weniger dramatisch, als nach den Schlagzeilen aus Frankfurt befürchtet. Selbst bei einem Bedarf von 8 Millionen Euro pro Jahr bedeute das pro MTK-Bürger gerade einmal vier Euro, rechnete Kandziorowsky aus. „Wenn wir ein Premium-Landkreis sein möchten, ist an Gesundheit zu sparen der falsche Weg.“
Die Finanzprobleme haben viele Ursachen
Seit Corona bleiben die Patientenzahlen, wie in vielen anderen Kliniken, in den Häusern des Varisano-Verbunds in Bad Soden, Hofheim und Höchst klar unter dem Niveau von 2019. Vermutet wird, dass Patienten vermehrt ambulante Lösungen wählen. Das drückt den Umsatz und sorgt mit für die Defizite. Zwischen 6,5 und 7,5 Millionen Euro fehlen laut Varisano-Geschäftsführer Stefan Schad für das Betriebsjahr 2022 allein in den Main-Taunus-Kliniken. Der Jahresabschluss sei allerdings noch nicht fertig. Die Gründe dafür, dass es 2023 noch dicker kommen dürfte, sind komplexer. Auch 2023 aber bleiben die Zahlen bei den Behandlungen hinter den Erwartungen zurück. Lediglich der März habe das Planergebnis erbracht, auch der Juni sehe wieder besser aus, so Schad. Im Höchster Krankenhaus habe der Umzug, aufgrund dessen die Patientenzahlen zeitweise bewusst heruntergefahren wurden, Einbußen gebracht. Vor allem bei den Intensivpatienten, deren Behandlung besonders teuer ist, tut sich da schnell ein größeres Einnahmen-Loch auf. Anlaufschwierigkeiten kamen hinzu. Zugleich schlagen auf der Ausgaben-Seite die Energiekosten, die Inflation mit steigenden Preisen etwa für Verbandsmaterial oder Arzneimittel genauso wie die Ergebnisse der Tarifverhandlungen ins Kontor. Die vereinbarten Sonderzahlungen zum Inflationsausgleich für die rund 2000 Mitarbeiter hatte so niemand in den Jahresplan eingepreist. Die Steigerung des vom Land festzulegenden Basis-Fallwerts um 3 Prozent reflektiere die Kostensteigerungen nicht, so Schad.