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Mit langem Atem für Umwelt und Natur

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Joachim Wille freut sich über die Auszeichnung.
Joachim Wille freut sich über die Auszeichnung. © Sparda-Bank Hessen

Joachim Wille aus Hofheim erhält den Hessischen Journalistenpreis.

Hofheim -„Ich freue mich über die Bestätigung meiner Arbeit“, sagte Joachim Wille am Dienstagabend in der Zentrale der Sparda-Bank Hessen im Frankfurter Europaviertel. Der 67-Jährige weiß die Bedeutung dieses Preises einzuschätzen: Er rundet eine ganze Reihe von Auszeichnungen ab, die Wille bereits erhalten hat. Darunter 1987 den Journalistenpreis des Bundes für Umwelt- und Naturschutz (BUND), 1992 den Preis der Deutschen Umweltstiftung und 1999 den Medienpreis der Deutschen Umwelthilfe.

2009 konnte er den Hessischen Journalistenpreis schon einmal in Händen halten, für seinen Artikel „Hessisches Staatstheater“, worin er das Scheitern der Beinahe-SPD-Ministerpräsidentin Andrea Ypsilanti anhand der Stücke des damaligen November-Spielplans der Bühnen in Wiesbaden erzählt. 2015 wurde Wille sogar mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet, als „einer der Wegbereiter des Umweltjournalismus“.

Das Thema Umwelt treibt Wille, der in Hofheim aufgewachsen ist, seit jeher um. Nach dem Abitur 1975 am Gymnasium in der Kreisstadt und dem Zivildienst in Höchst studierte er Germanistik, Anglistik und Politik in Bochum, Mainz, dem englischen York und Frankfurt.

Doch er blieb seiner Heimatstadt verbunden und brachte nebenher mit einem Freund im Eigenverlag den „hofheimer kalender“ heraus, ein jährlich erscheinendes Kompendium mit Informationen, Gedichten und Aufsätzen „von Bürgern für Bürger“ - und mit vielen Umweltthemen. 1979 entwarf Wille mit der „Ökumenischen Arbeitsgruppe für Umweltfragen im Main-Taunus-Kreis“ ein alternatives Verkehrskonzept. Titel: „Hofheim erstickt im Verkehr - das muß nicht so bleiben!“

Der Clou dabei: Schon damals haben Wille und seine Mitstreiter detaillierte Ideen für eine Fußgänger- und Radlerbrücke über die L 3011 vom Hochfeld in die Kernstadt vorgelegt. Nach über 40 Jahren ist auch die Stadt Hofheim auf diesen Zug aufgesprungen. Sie hat inzwischen eine Machbarkeitsstudie zu dem Projekt vorgelegt.

Vom Höchster Kreisblatt zur Rundschau

Das Beispiel zeigt, wie sicher Joachim Wille von seinem Instinkt geleitet wurde und wird. Nach Stationen während des Studiums als freier Mitarbeiter des Höchster Kreisblatts und gelegentlicher Autor der Hofheimer Zeitung volontierte er bei der Frankfurter Rundschau und wurde dort 1983 Nachrichtenredakteur. Es war der Beginn eines Berufslebens, in dem er Politikredakteur, Ressortleiter und Reporter war, zudem Buchautor, Radiokommentator und mehrfach Gast im ARD-Presseclub - wobei Umwelt und Klima immer Schwerpunkte blieben. Heute arbeitet er als freier Autor und Co-Chefredakteur von „klimareporter.de“.

Weichenstellend in der ersten Zeit bei der Rundschau war ein Zufall: Ein Kollege, der über das Waldsterben im tschechischen Erzgebirge berichten sollte, war verhindert, und so trat Wille die Reise an. „Die Ankunft war ein Schock“, erinnert Wille sich, „kahle Bergkuppen und morsche Fichten überall. Die Kohlekraftwerke ringsum hatten die Region eingenebelt, man konnte den Schwefel in der Luft riechen. Ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Gesellschaften die ökologischen Grenzen nicht beachten.“

Was folgte, waren Willes eindringliche Berichte über Luftverschmutzung und die zerstörerische Wirkung des sauren Regens. Seine Artikel erregten Aufsehen, in der Wochenzeitung „Die Zeit“ wurde auf Seite 1 aus seinen Reportagen zitiert. Für den Jungredakteur war dies gewissermaßen der Ritterschlag. Sehr tolerant musste damals seine Frau Andrea Hansen-Wille sein. Die beiden heirateten 1983, und just am Tag nach der kirchlichen Hochzeit trat er die Fahrt ins Erzgebirge an.

Fortan waren es Umweltthemen, denen Wille sich mit Leidenschaft widmete. Prägend für ihn waren Reisen zu den Brennpunkten des Themas. Joachim Wille besuchte die Reaktor-Ruine in Tschernobyl, machte Exkursionen in den Regenwald in Brasilien, unternahm Journalistenreisen in die Elfenbeinküste, nach Mexiko und Pakistan. In Marokko besichtigte er das damals weltweit größte Solarkraftwerk.

Als Berichterstatter nahm er an rund einem Dutzend UN-Klimagipfeln teil, beginnend 1992 in Rio de Janeiro. „Damals war die Euphorie groß, das Problem schnell lösen zu können“, erzählt er. Doch die Sache wurde zunehmend zäh.

Zu Koryphäen der Umwelt- und Klimaforschung wie Ernst Ulrich von Weizsäcker und Hans Joachim Schellnhuber hat Wille einen kurzen Draht, in seinem Telefonbuch fehlt kaum ein wichtiger Name.

Nach vielen Jahren der Umwelt- und Klimadebatte findet der Journalist es heute grotesk, dass Regierungen zwar ein klimafreundliches Verhalten von der Bevölkerung fordern, gleichzeitig aber gewaltige umweltschädliche Subventionen gewährt werden - in Deutschland mehr als 65 Milliarden Euro jährlich. Warum Kerosin für Flugzeuge nicht besteuert wird und Diesel im Vergleich zu Benzinkraftstoff deutlich weniger, erschließe sich nicht.

Mehr Tempo brauche es auch bei der Gebäudesanierung, meint Wille. Bislang werde jährlich nur rund ein Prozent des Gebäudebestands energetisch saniert; das sei viel zu wenig. Für Hauseigentümer müsse der Staat mit angepassten Fördermitteln die richtigen Rahmenbedingungen setzen. „Normale Menschen sollen sich das schließlich leisten können“, fordert Wille, der sich in Hofheim grundsätzlich zu Fuß und mit dem Fahrrad fortbewegt; das Auto wird nur für größere Transporte benutzt.

Gefragt, wie er die Zukunft des Planeten sieht, antwortet Wille verhalten optimistisch. Im Pariser Weltklima-Abkommen sei immerhin festgelegt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst aber auf 1,5 Grad zu begrenzen. „Zwei Grad wären das letzte Sicherheitsnetz.“ Wille: „Die Hitzefolgen können dramatisch werden, teilweise sind sie es ja jetzt schon.“ Eine schnelle Transformation des Energiesystems sei durchaus möglich.

Hoffnung setzt Wille auf bahnbrechende Technologien und innovative Ansätze, etwa die Solarenergie, deren Durchbruch dank der starken Verbilligung weltweit bevorstehe. Als weiteres Beispiel nennt er das vom deutschen Chemiker Michael Braungart mitentwickelte Konzept „Cradle to Cradle“ (von der Wiege zur Wiege), das auf dem Kreislaufgedanken basiert und müllfreies Wirtschaften verspricht.

Der Journalist Wille, Vater von zwei erwachsenen Kindern, hat einen langen Atem, nicht nur im Beruf. In Hofheim lebten schon seine Eltern und Großeltern. Ihr Anfang der 60er Jahre errichtetes Haus haben Joachim Wille und seine Frau Andrea bereits vor rund 25 Jahren mit Solaranlagen für Strom und Warmwasser aufgerüstet. Später kam eine Pelletsheizung hinzu, die den alten Ölkessel ersetzte.

Joachim Wille hofft, dass klimafreundliches Leben dank veränderter Rahmenbedingungen bald zum Standard wird. „Wenn ich es bis 2045 schaffe, dem deutschen Zieljahr für Klimaneutralität, bin ich 89 Jahre alt. Vielleicht erlebe ich das ja noch. Dann würde sich mein Leben wunderbar abrunden.“

Extra: Ehrenpreis für einen wegweisenden Journalisten

Der Hessische Journalistenpreis wird von der Sparda-Bank Hessen in Kooperation mit dem Deutschen Journalistenverband ausgerichtet. Der Ehrenpreis ist mit 3000 Euro dotiert.

Laut Jury steht Joachim Wille für einen Qualitätsjournalismus, der auf Fakten und gründlichen Recherchen basiert. Mit vollem Recht gelte der Autor der Frankfurter Rundschau als „Pionier des Umweltjournalismus“. Der versierte Kenner der Klimawissenschaften zeige immer wieder, dass Urteile ohne fundierte Kenntnisse wertlos sind. Außerdem sollten journalistische Beiträge gut lesbar sein - so wie bei Joachim Wille.

„Er war - von zwei Kollegen bei der ,taz’ einmal abgesehen - einer der ganz wenigen, die kompetent über Tschernobyl berichten konnten. Der aufklärte, wo andere dilettierten oder Nebelkerzen warfen“, sagte Bascha Mika, Ex-Chefredakteurin der Frankfurter Rundschau (FR), in ihrer Laudatio.

Als der Tschernobyl-Reaktor 1986 explodierte und die Atmosphäre radioaktiv verseuchte, hätten im Großteil der deutschen Redaktionen das Wissen und der Horizont für die Bedeutung der Katastrophe gefehlt. Die FR hingegen habe Joachim Wille mit seinen wegweisenden Berichten und Kommentaren gehabt. Ob Waldsterben oder Wackersdorf, ob Verkehrspolitik oder Umweltbewegung - Wille habe sich bereits in den 1980er Jahren mit den existenziellen Zukunftsfragen beschäftigt, sagte Mika.

Im Gespräch trete er besonnen und souverän auf, doch seine Leidenschaft und Engagement seien unübersehbar. „Er brennt für seine Sache. Unwissenheit, Dummheit und bösartiger Verleugnung tritt er seit Jahrzehnten entgegen, wenn es um Umweltthemen, Nachhaltigkeitsziele und Klimakollaps geht.“ Äußerst lobenswert sei zudem, dass Joachim Wille begabte junge Menschen, die sich für Umweltjournalismus interessieren, nach Kräften fördere.

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