Opposition empört: Konstruktive Ansätze „gebrandrodet“

Kreistag lehnt 54 Anträge zum Etat ab, aber Lorsbach bekommt für Klage 10 000 Euro
Hofheim. Angesichts einer Zwei-Drittel-Mehrheit der Koalition von CDU, Grünen und FDP ist bei Abstimmungen im Kreistag mit Überraschungen kaum zu rechnen. Das gilt grundsätzlich auch für den Etatentwurf für 2023, den Landrat und Kämmerer Michael Cyriax (CDU) im Januar vorgestellt hatte. Ein paar kleinere Überraschungen gab es aber doch in der traditionell zeitaufwendigen Haushaltsdebatte, in der im Grunde nicht groß debattiert wird. Es geht eher darum, politisch Flagge zu zeigen und etwas grundsätzlicher die je eigene politische Sicht auf die Dinge darzulegen.
Überraschung eins: Nicht der Fraktionschef der CDU als größte Fraktion trat als erster ans Rednerpult. Dr. Frank Blasch hatte vielmehr einen „Rollentausch“ vorgeschlagen und dem Oppositionsführer Dr. Philipp Neuhaus den ersten Aufschlag überlassen. Er finde das einfach „die richtige Reihenfolge“, so Blasch. Damit sei zumindest einer der drei Punkte, die seit den 70er Jahren im MTK sicher seien, nämlich dass die CDU den Landrat wie die größte Kreistagsfraktion stelle und die Haushaltsdebatte eröffne, mal geändert, sagte Neuhaus mit leisem Humor.
Dem Lob, seine Fraktion finde „ausdrücklich Dinge gut, wie sie hier im Main-Taunus-Kreis laufen“, insbesondere die Investitionen in die Schulen sowie der Kreisausschuss und die Mitarbeiter der Behörde hätten den MTK in den vergangenen drei Jahren gut durch die Corona-Krise gelotst, ließ Neuhaus dann Kritik am Ausgabeverhalten folgen. Die galt einmal mehr der Tatsache, dass der Kreis sich drei hauptamtliche Beigeordnete leistet. Einen kw-Vermerk („kann wegfallen“ nach Ablauf der Wahlzeit) hatten die Sozialdemokraten für eine dieser Stellen gewollt, doch dafür keine Mehrheit erhalten. Weitere Kritik zielte vor der Landratswahl besonders auf Landrat Cyriax, in dessen 12 Jahren Amtszeit die Kreisumlage, also das Geld, das der Kreis von den Kommunen für seine Arbeit einfordert, von 182 auf 313 Millionen Euro angewachsen sei.
Für Blasch ein irreführender Blick, denn zum Vergleich tauge nur die prozentuale Kreisumlage, die zeige, dass die Belastung nicht derart gewachsen sei. Der Christdemokrat befand, in einem „aktuell äußerst schwierigen Umfeld, was die Finanzen angeht“, sei es vielmehr gelungen, einen Haushalt mit einem „noch erträglichen Defizit“ von knapp 20 Millionen Euro aufzustellen. Er räumte aber ein, „mittelfristig wird es so nicht weitergehen“ und mahnte mehr Hilfen von Bund und Land an.
Mit einem „Rekordinvest entwickeln wir den Kreis weiter für die Zukunft“, so Blasch. Er setze mit Schulsanierungen, Kreishallenbad, Verkehr und Digitalisierung die richtigen Schwerpunkte. Für die Koalition lobten Bianca Strauss (Grüne) und Dirk Westedt (FDP) vor allem die Arbeit ihrer jeweiligen Beigeordneten.
Auf die Haushaltsberatungen selbst zielte zunächst die Kritik von Andreas Nickel (FWG). Zu wenig Zeit sei dort für Beratung gewesen, in der „jeder konstruktive Ansatz durch die Regierung brandgerodet“ worden sei. Als „burning monday“ habe er den Tag der dritten Haushaltslesung erlebt, in der die 54 Anträge der Opposition in nur 27 Minuten „niedergestimmt“ worden seien. Dabei seien durchaus diskussionswürdige Ideen wie ein Deutschlandticket für Kreisbedienstete oder eine Stärkung der Schulsozialarbeit dabei gewesen.
Das „seltene Glücksgefühl der Zielerreichung“ habe die FWG aber gemeinsam mit der Linken beim Antrag auf 10 000 Euro zur Unterstützung des Rechtsstreits wegen der drohenden L 3018-Vollsperrung in Lorsbach erlebt. Dass die Mehrheit im Haupt- und Finanzausschuss indes den Antrag nicht zum „Selbstläufer“ machte, sondern eine Einbringung auch in den Kreistag vonnöten sei, wurde Nickel allerdings dann erst kurz vor der Abstimmung über den Gesamthaushalt klar.
Eine Sitzungsunterbrechung und ein Krisengespräch später - Überraschung zwei - wurde dies noch ermöglicht. Mit 36 Ja- gegen 27 Nein-Stimmen von allen Grünen und einigen Christdemokraten bei drei Enthaltungen aus der CDU wurde die Unterstützung der Lorsbacher Kläger mit den 10 000 Euro beschlossen.
Für die Linke hatte Thomas Völker zuvor noch, wie die SPD, das Schulbauprogramm gelobt, aber bemängelt, dass der Kreis zu wenig für arme Menschen tue, die es auch im reichen MTK gebe.
AfD-Sprecher Hendrik Lehr kritisierte, es fehle an Sparvorschlägen und zog - Überraschung drei - noch einen aus dem Hut und beantragte, die Maßnahmen sechs bis zehn auf der Prioritätenliste des aktuellen Schulbauprogramms zu schieben. Dem mochte allerdings niemand außer seiner Fraktion folgen.
Mit den Stimmen der Koalition wurden Ergebnis- und Finanzhaushalt und Investitionsprogramm für 2023 beschlossen. SPD, Linke und AfD stimmten mit Nein, die FWG enthielt sich.
EXTRA: Zahlen und Fakten zum Kreishaushalt 2023
Leicht verändert gegenüber dem Entwurf, den Landrat Michael Cyriax (CDU) im Januar vorgestellt hatte, zeigt sich der am Montag von der Koalition aus CDU, Grünen und FDP im Kreistag beschlossene Haushalt für 2023. Die Erträge im Ergebnishaushalt sind nun mit rund 538,7 Millionen Euro veranschlagt, (plus 8,7 Millionen), bei Aufwendungen von knapp 558,7 Millionen. Das Defizit liegt damit jetzt bei 19,99 Millionen Euro. Es wird aus den Rücklagen gedeckt, so dass der Haushalt ausgeglichen werden kann.
Der Investitionshaushalt erreicht eine Rekordhöhe von 127 Millionen Euro. Der größte Teil dieses Geldes fließt in das Schulbauprogramm, für das 64,5 Millionen Euro vorgesehen sind. Zu den laufenden Projekten zählen unter anderem die Main-Taunus-Schule und die Steinbergschule in Hofheim, der Neubau einer Grundschule in Hattersheim soll beginnen. Weitere Großprojekte sind der Neubau des Kreishallenbads in Kriftel und die Erweiterung des Landratsamtes, die zusammen mit weiteren 29,9 Millionen Euro zu Buche schlagen. Aufgrund der gestiegenen Baupreise sind laufende Projekte vielfach teurer als ursprünglich geplant. Der Kreis investiert zudem in weitere Gemeinschaftsunterkünfte für Geflüchtete und in die digitale Ausstattung der Schulen. babs