Verkohlter Klärschlamm könnte Düngemittel werden

Zulassung beantragt, Besuch in der Karbonisierungsanlage.
Lorsbach -Hausfrauen und -männer kennen Pyrolyse vielleicht als komfortable Reinigungs-Form für Backöfen, die mit entsprechender Funktion ausgestattet sind. In der Lorsbacher Kläranlage des Abwasserverbandes Main-Taunus geht es bei der Karbonisierung von Rückständen, die mit Hilfe hoher Temperaturen zu Kohle verbacken werden, aber nicht um Fettreste oder angebrannte Kuchenkrümel, sondern um Klärschlämme. Deren Entsorgung galt lange Zeit als problematisch, denn eine Deponierung ist immer aufwendig und teuer; die Klärschlämme, wie früher einmal, als Dünger auf den Acker zu bringen, ist aber wegen der enthaltenen Schadstoffe auch keine gute Lösung.
In Lorsbach wird seit einem Jahr bereits der Klärschlamm in einer Trocknungs- und Karbonisierungsanlage (kurz KTK-Anlage) im Probebetrieb getrocknet und anschließend verkohlt. Dafür hat der Schwarzbachverband, der die Kläranlage betreibt, eine Anlage der Firma Pyreg angeschafft. Mit dieser arbeitet auch die Technische Hochschule Bingen seit Jahren in der Forschung zusammen. Ziel ist dabei auch, Phosphor, das als Düngemittel Verwendung findet, zu recyceln. Denn Phosphor gehört zu den Rohstoffen, die auf der Erde knapp werden.
Bei der Verkohlung werden die Schadstoffe „hygenisiert“, wie der Anlagenhersteller formuliert. Weiterer Vorteil der Karbonisierung: Bei dieser Methode werden deutlich weniger Kohlendioxid-Emissionen freigesetzt als beim Verbrennen. Im Gegenteil: In der Kohle wird Kohlenstoff gebunden. Wie Professor Thomas Appel auf der Internetseite der TH sagt, bleibt der Kohlenstoff in dieser Form dann stabil, „dass er tausend Jahre und länger im Boden“ verbleiben könne, ohne abgebaut zu werden. Ein richtiges Pfund also im Kampf gegen den Klimawandel, wenn da nicht noch ein Haken wäre.
Christian Seitz, Verbandsvorsteher des Schwarzbachverbands, brachte ihn jetzt bei einer Vorstellung der Lorsbacher Anlage vor Fachbesuchern des Regionalbeirats Limburg-Weilburg, der Süwag und aus verschiedenen Landkreisen zur Sprache: „Wir könnten hier einen echten Beitrag gegen den Klimawandel leisten. Leider verpufft derzeit dieser Effekt noch, weil die Zulassung als Düngemittel noch aussteht und das Material zur weiteren Entsorgung vorerst in die Verbrennung geht,“ bedauerte Seitz, der auch Bürgermeister von Kriftel ist.
Den Vorteil sieht der Verband im Augenblick zumindest darin, durch Trocknung und Karbonisierung eine erhebliche Masse-Reduzierung des Klärschlamms zu erreichen. Die Anlage ist für rund 5000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr ausgelegt, übrig bleiben am Ende rund 700 Tonnen Karbonisat - deren Entsorgung natürlich deutlich weniger ins Geld geht, also wenn der Klärschlamm direkt in die Verbrennung ginge.
Laut TH Bingen wurde übrigens bereits im Herbst 2016 die Zulassung der Karbonisate als Düngemittel beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beantragt. Für Bodenkundler Professor Appel, der ein interdisziplinäres Forschungsprojekt zu dem Verfahren begleitet, ist die „aktuell größte Hürde“ daher, die zuständigen Behörden zu überzeugen, „dass die hergestellten Karbonisate kein Abfallstoff sind, sondern ein nützliches Produkt“. Das würde auch der Schwarzbachverband sehr begrüßen, denn dann könnte die Investition in Lorsbach sich am Ende noch mehr lohnen.
Info
Die Abwasserreinigungsanlage Hofheim-Lorsbach liegt an der sogenannten „Klärwerkskurve“ der Landesstraße 3011, also genau dort, wo es in Kürze eine Vollsperrung geben wird. Hier sammeln sich die Abwässer von Lorsbach, der Stadt Eppstein, mit Vockenhausen, Bremthal und Niederjosbach, Kelkheim-Fischbach und Niedernhausen-Oberjosbach. Sie werden gereinigt und anschließend in den Schwarzbach eingeleitet. Die Anlage gibt es bereits seit Mitte der 1960er Jahre. Sie wurde zwei Mal erweitert und technisch ertüchtigt, um den aktuellen Anforderungen zu entsprechen.