Wulfs Wäldchestag

Die kleinere Version des Hofheimer Vereinsrings lockte gestern Abend die Massen
Hofheim. „Das ist hier ein Gemeinschaftsprojekt, alle helfen mit“, sagt Wulf Baltruschat. Der Vereinsring-Vorsitzende ist schon gestern Nachmittag in seinem Element: Baltruschat packt an, weil noch ein paar Biertische und -bänke mehr auf den Platz am Untertor gestellt werden sollen, er assistiert hier mal bei der Aufhängung einer Lichterkette und sorgt dort dafür, dass alle erhalten, was sie für den Standbetrieb später benötigen werden. Das Ziel: auch in diesem Jahr nach der Premiere 2022 wieder einen Wäldchestag in der Hofheimer Innenstadt zu feiern, der zumindest ein wenig die alte Tradition fortsetzt, die der Gewerbeverein IHH 1975 begründet hatte.
Vor zehn Jahren, genau am 21. Mai 2013, ging mit dem 38. Wäldchestag eine Ära zu Ende. Mit einem „Städtchestag“ am Samstag nach Pfingsten hatte der IHH im Jahr drauf noch einen Rettungsversuch unternommen, gezündet hatte er nicht. Mangels Resonanz bei den Vereinen und den eigenen Leuten beschlossen die Gewerbetreibenden, den Wäldchestag zu begraben und stattdessen ein Altstadtfest auf die Beine zu stellen. Am Meisterturm und auch im „Gänseck“ lebte das Fest in kleinerem Rahmen weiter. Bis im vergangenen Jahr Wulf Baltruschat, ermutigt durch die Super-Resonanz auf den Weinstand des Vereinsrings, einen „Wäldchestag 2.0“ aus der Taufe hob. Unter diesem Titel hatten schon zwei Aktivisten drei Jahre lang in Kelkheim ein Remake versucht. Doch die Hofheimer trauerten „ihrer“ Tradition hinterher.
Wulf Baltruschat weiß sowohl als Vereinsringvorsitzender wie auch als Stadtrat bestens um die Tücken großer Feste, die mit viel Bürokratie, vielen Auflagen und viel Geldaufwand verbunden sind. So hat er von vornherein auf eine kleine Neuauflage gesetzt. Ein klein wenig mehr Stände als im Vorjahr gab’s gestern, aber das Fest sollte sich weiter auf den kleineren Teil des Platzes am Untertor beschränken. Das Super-Wetter ließ aber schon am Nachmittag ahnen, dass da einiges an Feierlustigen zu erwarten sein würde.
Und tatsächlich war der Andrang schon um 18 Uhr groß, als Baltruschat den offiziellen Startschuss gab und mit der Musik von Déjà Vu aus Kriftel die Party so richtig abging. Die ersten 100 Gratis-Äppelwoi von „Gerardo“ waren schnell vergeben. Am Morgen hatten der Vereinsringvorsitzende und Bürgermeister Christian Vogt übrigens eine weitere Tradition fortgesetzt: Wie einst Bürgermeister Flaccus und IHH-Chef Leonhardt Gutfleisch es zur Begrünung der Innenstadt vorgemacht hatten, pflanzten sie am „Wäldchestag“ einen weiteren Baum. Ein Zierapfel wurde ins Hochbeet vor dem Rathaus gesetzt und kräftig angegossen.
Für die Erdbeerbowle - auch so ein Kult-Bestandteil des Hofheimer Wälchestags - warteten gestern übrigens die Damen vom Zonta Club am Taunus auf. „Wir haben extra vorher ein Erdbeerbowlen-Tasting gemacht“, verriet die stellvertretende Club-Präsidentin. Wie grundsätzlich beim Wälchestag 2.1 sollte auch hier Regionalität Trumpf sein, „deshalb haben wir Krifteler Erdbeeren - nur vom Feinsten“, so Schatzmeisterin Heike Mohr mit einem Lächeln.
Nach 17 Uhr strömten die Menschen. Nur wenige wunderten sich über den neuen Zuschnitt, wie die Dame, die ausrief: „Was ist denn hier passiert!? Der Wäldchestag war doch früher immer so groß!“ Die allermeisten freuten sich einfach über die Chance, wieder Wäldchestag-Feeling zu genießen - Gedränge inklusive. „Wir genießen’s absolut“, freute sich etwa Katrin Stelter. „Es ist zwar kein Vergleich zu früher, aber wir sind froh, dass wir wieder ein Fest haben. Man kann ja klein anfangen . . .“, ergänzte ihre Tischnachbarin Sabine Kettenbach. Dass die Erdbeerbowle „weniger und dafür teurer“ sei als früher, stellten die zwei noch mit ein bisschen Bedauern fest. Aber früher ist eben lange her. Und weil’s auf dem Platz schon bald keinen Platz mehr gab gestern Abend, profitierten übrigens auch die Gastronomen rundum ganz gut. Wulf Baltruschat dankte seinerseits allen, ohne die das Fest nicht stattgefunden hätte: ohne die Sponsoren nämlich, ohne die Stadt und, mit Augenzwinkern, „ohne mich ...“. babs