Vom Huhn und dem Ei

In einem „Bauernhof als Klassenzimmer“ erfahren Kinder anschaulich, wo unsere Nahrungsmittel herkommen. Bei den Sindlinger „Ponyzwergen“ durften Schüler der Kasinoschule nicht nur Pferde, Hühner und Ziegen anschauen, sondern auch ganz praktisch bei ihrer Pflege helfen.
Von HEIDE NOLL
„Oh, wie schön.“ Fasziniert schaut das Mädchen zu, wie die prächtigen Hühner eins nach dem anderen das Gehege verlassen. Sie scharren hier, picken da, und ganz zum Schluss stolziert der Hahn heraus. „Ich dachte, dass alle Hühner Mädchen wären“, staunt Leon (8). Einen Hahn hat er nie zuvor gesehen. Auch dass Hühner die Eier legen, die es später im Supermarkt zu kaufen gibt, ist nicht allen klar. Umso größer die Freude, als die Sechs- bis Zwölfjährigen selbst im Hühnerhaus nach Eiern suchen dürfen. „Es sind Stadtkinder“, erklärt Esther Bender, warum die Schüler der Grundstufe an der Höchster Kasinoschule so wenig über die Natur wissen.
Lizenz als Schulort
„Wir bringen ihnen bei, was ein Baum ist, eine Frühlingsblume oder Früchte des Herbstes“, sagt die Leiterin der Grundstufe. Einmal im Monat organisieren die Lehrerinnen einen „Waldtag“ genannten Ausflug, bei dem es immer um ein Naturthema geht. Diesmal drehte sich alles um das Leben auf dem Bauernhof. Da passte es prima, dass es in Sindlingen einen lizenzierten „Bauernhof als Klassenzimmer“ gibt. Sonja Heinisch und Melanie Völkel von den „Ponyzwergen“ haben sich erfolgreich um Aufnahme in diese Initiative des hessischen Landwirtschafts- und Umweltministeriums beworben. Ziel ist, Kindern und Jugendlichen den Ursprung der Nahrungsmittel zu zeigen.
Die Beschäftigung mit Tieren ist ohnehin fester Bestandteil im Programm der „Ponyzwerge“. Zwar betreiben sie auf ihrem Gelände an der Okrifteler Straße keinen Bauernhof im eigentlichen Sinn, doch es tummeln sich dort neben den Ponys Hühner und Ziegen und demnächst sogar zwei Schweine einer alten, vom Aussterben bedrohten Rasse. Erfahrungsfeld-Begleiterin Melanie Völkel und Sonja Heinisch haben verschiedene Angebote in Bauernhofpädagogik entwickelt: Rund ums Huhn, ums Pferd, die Ziege und die Kartoffel. „Die Angebote richten sich vor allem an Kindergarten- und Grundschulkinder“, erklärt Sonja Heinisch: „Wir wollen ihnen Tiere und Nahrung näher bringen.“ Und zwar ganz praktisch, mit allem, was dazu gehört. Deshalb dürfen die Besucher aus Höchst schauen, schnuppern und selbst Hand anlegen. Erste Bedingung: „Ihr schreit nicht rum, ihr rennt nicht und ihr ärgert die Hühner nicht“, ermahnt Melanie Völkel die Schüler.
Pferdeäpfel aufsammeln
Anschließend rüstet sie einen Teil der Gruppe mit Rechen aus und lässt sie Pferdeäpfel zusammen schieben und mit Hilfe von „Mistboy“ und Schubkarre in den Container vor die Tür karren. Der Geruch ist vielen fremd, sie rümpfen die Nasen. Andere Kinder streicheln die Ziegen und überlegen, welchen Beitrag sie zur Ernährung liefern. Milch und Käse, aber auch Wurst und Braten, erfahren sie. Wieder andere Kinder – allerdings die kleinste Gruppe – wagen sich ins Hühnergehege. Sie helfen Melanie Völkel dabei, die Tiere mit Futter zu versorgen. Sarannya nimmt sogar ein Huhn in den Arm und streichelt es – eine ganz neue Erfahrung für die Elfjährige. Kleine Experimente und Anschauungsobjekte wie ein Ei ohne harte Schale oder ein Käfig, wie er in der Massentierhaltung üblich ist, ergänzen den praktischen Unterricht. Gleichzeitig fördert das Ganze den Spracherwerb. „Das ist ein Huhn und das ist ein Hund“, zeigt eine der Begleiterinnen den Mädchen den sprachlich kleinen, in der Praxis aber großen Unterschied.