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Kelkheim: Die Gagern und ihre „Königs-Möbel“

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Von: Frank Weiner

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Katharina Kofler hat Platz genommen auf dem Louis-Philippe-Sofa. Sie ist sich sicher, dass bereits die Gagern vor ihr darauf saßen
Katharina Kofler hat Platz genommen auf dem Louis-Philippe-Sofa. Sie ist sich sicher, dass bereits die Gagern vor ihr darauf saßen © wein

Die vor elf Jahren gestartete Auszeichnung geht 2023 an das Louis-Philippe-Sofa. Dieses erzählt eine besondere Hofgut-Geschichte.

Kelheim. Es passt alles: Der grüne Stoff des Louis-Philippe-Sofas findet sich in den vier Stühlen in diesem Stil gleich nebenan wieder. Vor gut 200 Jahren haben darauf vermutlich Hans Christoph von Gagern und seine Frau Charlotte auf dem Hornauer Hofgut erlauchte Gäste wie den Freiherrn vom Stein empfangen oder mit ihren Kindern familiär geplaudert - darunter mit Sohn Heinrich auch der erste Präsident der ersten Nationalversammlung vor 175 Jahren in der Frankfurter Paulskirche. Der schriftliche Nachweis, dass die fünf Stücke mal im Gut standen, fehlt zwar. Aber es spricht alles dafür. So sind die Stühle einer Dauerleihgabe von Heinrichs Ur-Ur-Enkel Rüdiger von Gagern. Und die Oma der Kelkheimerin Katharina Kofler wiederum hat das Sofa aus dem Hof-Nachlass erworben.

Kein Nachweis, aber bunte Geschichte

„Es macht in diesem Jahr Spaß, an diese Geschichte zu glauben“, sagt Erster Stadtrat Dirk Hofmann und stellt sich die von Gagern in ihrem Salon vor. Das Sofa hat von der Stadt und dem Museumsverein nun einen Titel bekommen: Es ist das „Möbel des Jahres 2023“. Die Idee zur Auszeichnung hatte vor elf Jahren die damalige Zweite Vorsitzende Inge Voigt. Zuletzt stand das Rundbett der Möbelfirma Stelzer an diesem exponierten Platz. 2022 legte der Verein eine kurze Pause ein, präsentierte Bilder aus der Sammlung des Ruppertshainer Malers Adam Wallauer. Doch nun sei mit dem Paulskirchen-Jubiläum der richtige Zeitpunkt für das Gagern-Sofa, betont Museumsvereins-Chef Jürgen Moog. Er hat mit Unterstützung von Edelgard Kleemann und Christa Wittekind zwei Porträts von Charlotte und Hans Christoph im Schloss Mainsondheim abfotografieren und passend über das Sofa hängen können. Drei Spiegel und ein Intarsien-Tisch der Kelkheimer Antiquitäten-Restaurateurin Heike Mayrl komplettieren das stimmige Arrangement.

Bei Katharina Kofler zu Hause indes fehlt nun ein wichtiges Möbel im Wohnzimmer. Doch sie habe das Projekt gerne unterstützt und ist sicher, dass die Gagern vor ihr darauf saßen. Ihre Großmutter Katharina Fogel, geborene Kraus, aus Hornau hat das Sofa wohl um 1910 bei einer Auktion des Hofgut-Inventars erworben. Museumspädagogin Marianne Bopp hat die Familiengeschichte zusammengetragen. So heiratete Kraus den Lothringer Jean Pierre Fogel, der beim Bau der Königsteiner Kleinbahn half, zuvor bereits als Schiff-Kohleschipper nach Übersee fuhr und im berühmtem Hotel Waldorf-Astoria arbeitete. Nach einer Krankheit ging er zurück nach Deutschland, wo er als Johann Peter Fogel mit seiner Frau nach einem weiteren kurzen Abstecher in Lothringen in Hornau heimisch wurde.

Das Möbel war einmal mitgereist, ging dann in den Besitz ihrer Tochter Maria Franziska Dörr über, die in Metz Gouvernante war und später ihre Kinder in französischer Sprache erzog - eine Parallele zur Familie von Gagern. Bei Tochter Katharina stand das Sofa dann im Kinderzimmer, nur wenig genutzt. Als die Leihgeberin in Hornau umzog, ging das Louis-Philippe-Exemplar mit - und fand seinen zentralen Ort.

Es handelt sich um ein besonderes Stück, wie Kulturamtsleiterin Beate Matuschek betont. Benannt ist die Stilrichtung nach dem französischen Bürgerkönig Louis Philippe, in dessen Regierungszeit (1830 bis 1849) Elemente des Rokoko auflebten. Was in Frankreich „en vogue“ war, sei schnell in ganz Europa angesagt gewesen, so Matuschek. Mehr noch: Was die Adligen hatten, wollte sich bald das Bürgertum zulegen. Geholfen haben die Hersteller, denn auch das Sofa besteht aus einigen Einzelteilen. Dadurch war eine Mengenfertigung möglich, die erschwinglicher war, erläutert Matuschek.

Bei den Gagern standen das Sofa und die Stühle vermutlich in einem Salon - eine typische Entwicklung der damaligen Zeit. Zu Themen wie Literatur, Musik, Politik sowie mit der Familie wurden sie zu Treffpunkten. „Ein Salon war eine Bühne fürs Bürgertum“, sagt Matuschek. Auch das „Möbel des Jahres“ hat die typischen schwungvollen Rückenlehnen, Veluten und Rosetten. Wer darauf sitzt, kann noch die mächtigen Federn im Inneren spüren.

Stadtarchivar Julian Wirth hat bereits im Jahrbuch des Main-Taunus-Kreises die Geschichte des Hofguts zwischen 1852 und dessen Ende 1914 erforscht. Er habe zwar dabei keinen Nachweis auf das Sofa gefunden, aber eine historische Lücke schließen können. Für das Dorf Hornau mit damals 300 Bürgern sei das Gut „ganz zentral gewesen“, sagt Wirth. Sowohl für die Struktur, aber auch als Arbeitgeber. So weit, wie damals eine Metzger-Witwe Anthes wolle er aber nicht gehen. Sie habe immer von einem „Schloss Hornau“ gesprochen, was ihr später sogar von den Behörden untersagt worden sei. Und eine der letzten Fragen zum Hofgut-Aus eines Nachfahren sei gewesen: „Was passiert mit den Gräbern?“ Die Antwort hat Wirth nicht entdeckt - aber die Stadt hat die Gagern-Gräber ja jetzt sanieren lassen, somit ergibt sich die Lösung von selbst.

Führungen zum Möbel, Vortrag über Heinrich

Zum neuen „Möbel des Jahres“ bietet der Museumsverein Sonderführungen mit Museumspädagogin Marianne Bopp und Historiker Rüdiger Kraatz an. Der erste Rundgang ist an diesem Sonntag, 26. Februar, um 16 Uhr im Museum, Frankfurter Straße 21. Danach sind die Touren bis einschließlich November an jedem dritten Sonntag im Monat zu dieser Zeit geplant. Die Teilnahme kostet 5 Euro. Passend zum Thema wird es auch einen Bildvortrag über Heinrich von Gagern von Frank Möller, der seine Habilitationschrift über den Paulskirchen-Präsidenten verfasst hat, am Mittwoch, 22. März, um 19 Uhr im Rathaus geben (Eintritt frei).

Fachstelle soll nun neue Museums-Idee prüfen

Auch wenn das „Möbel des Jahres“ im Mittelpunkt steht - die Protagonisten kriegen jeweils elegant die Kurve, um auch auf das umstrittene Museums-Thema hinzuweisen. „Mal sehen, wann und wo das nächste ,Möbel des Jahres’ präsentiert wird“, sagt Erster Stadtrat Dirk Hofmann. Jürgen Moog, Vorsitzender des Museumsvereins, weist auf die „relativ schlechte Lage“ der Einrichtung in einem Hof hin. Dafür seien Sonderausstellungen wie mit dem Möbelstück nötig. „Wir lassen uns durch die politische Diskussion nicht abbringen“, so Moog. Das aktuelle Museum sei ja schon „schnuckelig“, habe aber viele Probleme wie fehlende Barrierefreiheit, kein fließendes Wasser und einen schwierigen zweiten Fluchtweg. „Deshalb brauchen wir ein neues Museum.“ Die ganze Diskussion sei für die Mitglieder „schon schwer zu ertragen“. Vor allem aktuell, da Moog für sein Vorstandsteam Mitstreiter sucht. Er habe Absagen bekommen, weil er den Leuten mit einer unklaren Museums-Zukunft weniger attraktive Perspektiven bieten könne. „Diese Diskussion schadet den Ehrenamtlichen“, findet Moog.

Er und Hofmann räumen erneut mit einem Irrglauben auf, die Stadt wolle für einen Verein Millionen ausgeben. Vielmehr sei die Gruppe mehr als ein Club, der Betreiber des Museums - das noch dazu ehrenamtlich, während sich zum Beispiel Hofheim hauptamtliches Museums-Personal leiste. „Das Thema kann man oft predigen, es geht nicht in die Köpfe der Leute“, bedauert auch Hofmann.

Wie er betont, werde die Stadt den beschlossenen Antrag der UKW abarbeiten. Das vorgeschlagene Ladenlokal hat er sich mit Bürgermeister Albrecht Kündiger angeschaut - es sei „nur schwer vorstellbar“, dort ein Museum zu betreiben. Hofmann trägt nun Zahlen zur Immobilie zusammen, will sie von einer Fachstelle prüfen lassen. Danach könne es an Kündigers Vorschlag gehen, alle Beteiligten für eine gemeinsam akzeptable Lösung an einen Tisch zu bringen.

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