Kelkheim: „Endlich“ beginnt die „schnelle Baustelle“

Glasfaserleitungen werden erst in Münster in Carl-Orff-Weg und „Musikerviertel“ gelegt.
Münster. Kai Rosenberg hat die kürzeste Anreise. Der Geschäftsführer der Elektrofirma Dörflinger muss im alten Ortskern nur über die Straße gehen und kann dabei gleich einen Schritt in die Zukunft machen. Im doppelten Sinne: Denn Dörflinger ist am Glasfaser-Ausbau in Kelkheim beruflich beteiligt, für sämtliche Ein- und Zweifamilienhäuser in der Stadt wird das Unternehmen für die Deutsche Giganetz die Verkabelung in den Häusern übernehmen. Rosenberg ist auch für den eigenen Betrieb begeistert. Denn bisher sei der Internetanschluss miserabel. Dörflinger arbeite „mit intelligenten Daten“, da seien gute Übertragungen wichtig. Nur mit einem eigenen Server laufe es etwas besser. Doch an das Verschieben größerer Datenmengen extern sei kaum zu denken - und deshalb zum Beispiel nicht ans „Home-Office“.
Bisher 4300 Kunden, 160 Kilometer Kabel
Die Firma Dörflinger ist nur eines von vielen Beispielen, wenn Gewerbetreibende und Privatleute über langsames Internet klagen. Die Zukunft ist die Glasfaserleitung - und hier geht es in der Möbelstadt jetzt los. Nach vielen Gesprächen, Verhandlungen, Vertragsabschlüssen, auch Rückschlägen (Text rechts) treffen sich viele Verantwortliche und Mitarbeiter an diesem Donnerstag vor dem Alten Rathaus zum Ersten Spatenstich. Ein Bagger und mehrere Spaten stehen bereit - allerdings nur symbolisch, denn hier am Kirchplatz geht es nicht los.
Münster sei schon der erste Stadtteil, der erschlossen werde, betonen Bürgermeister Albrecht Kündiger und Dirk Brameier, Geschäftsführer Technik der Deutschen Giganetz. Über den Zeilsheimer Weg ziehen sich die Experten das Glasfaser aus Richtung Frankfurt in die Stadt, am Carl-Orff-Weg sind die ersten Anschlüsse, es folgt das „Musikerviertel“. Vier so genannte POPs (Point of Presence) gibt es, kleine „Garagen“, in denen die große Technik gebündelt wird. Der erste POP soll an der Ecke Lorsbacher/Münsterer Straße stehen, drei weitere in Hornau an der verlängerten Rotebergstraße, in Fischbach am Grünen Weg und in Ruppertshain an der Straße „Am Steinbruch“. Diese Häuschen könnten durchaus auch von Kitas oder Schulen bemalt und mit Photovoltaik versehen werden, erläutert Brameier. Erschlossen wird die Stadt mit dem Glasfaser von Süd nach Nord - also wird Eppenhain das Schlusslicht bilden. Das soll in 15 bis 18 Monaten der Fall sein, sagt der Geschäftsführer und will hier Tempo machen. Den er weiß: „Glasfaser wird immer mehr zu einem ganz wesentlichen Standortfaktor. Es ist wichtig für eine Kommune, Unternehmen und Privathaushalte, ein verlässlich funktionierendes Internet bieten zu können.“
In Kelkheim nennt Brameier rund 7500 Adresspunkte, etwa 16 000 Haushalte. Gut 4300 davon hat die Giganetz unter Vertrag - knapp 27 Prozent. Genannt werden von den Unternehmen bei Vermarktungsstart die 40 Prozent als „magische“ Grenze - hier in Kelkheim hat sich der Konzern aus Hamburg trotzdem für den Ausbau entschieden. Nach einer Verlängerungsphase waren weitere Kunden dazu gekommen. „Wir sind sicher, dass es über die Bauphase mehr werden“, so Brameier. Denn den kostenlosen Anschluss gibt es noch, bis die Bagger zum eigenen Haus kommen.
Insgesamt rechnet der Geschäftsführer damit, dass rund 160 Kilometer Glasfaser-Trassen verlegt werden. Jeder Haushalt solle sogar zwei Leitungen erhalten. Er spricht von einer „Wanderbaustelle“. Für die Buddelei ist das bekannte Unternehmen Wayss & Freytag zuständig. Dessen Bereichsleiter Pascal Gaude kündigt an, dass die Straße meist an einem Tag geöffnet, das Leerrohr verlegt und sie dann wieder geschlossen wird. Die Gehwege würden dann „nur wenige Stunden blockiert“. Die Glasfaser würde später „eingeblasen“, es sei insgesamt „eine schnelle Baustelle“, betont Gaude. Die Hausanschlüsse folgen parallel, so Laura Tiefenthal von der Giganetz.
Der Bürgermeister ist froh, „dass wir eine erfahrene Firma haben, das beruhigt zunächst einmal“. Und er bittet die Verantwortlichen, die Tiefbauarbeiten zu koordinieren. Denn zuletzt hat zum Beispiel der Main-Taunus-Kreis Glasfaser für die Schulen erst verlegen lassen - die Bürgersteige werden hier zum Ärger der Stadt also ein zweites Mal aufgerissen. Doch Kündiger ist bei bestem Wetter vor allem erleichtert: Denn „endlich, endlich geht es los“. Seit fast zwei Jahren sei die Giganetz in Kelkheim mit ihrer Vermarktung hier am Start. „Und wir haben ein Interesse daran, dass es so zügig wie möglich voran geht.“ Das Baulager auf Zeit befindet sich im Gewerbegebiet neben der Firma Nexen Tire.
In der Region ist Giganetz auch viel unterwegs. In Flörsheim sei der Ausbau fast abgeschlossen, in Sulzbach und Schwalbach werde er kommen, in Hofheim und Kriftel liefen Gespräche, teilt das Unternehmen mit. In Kelkheim laufe die Vermarktung laut dem zuständigen Ansprechpartner Can Güler weiter. Es werde wieder Veranstaltungen der Giganetz geben. Während der Bauphase seien noch Abschlüsse zu den besseren Konditionen möglich, so Remigius Walden, Leiter der Bauvermarktung. Wenn die Glasfaser nutzbar ist, dann übernimmt die Firma auch die Kündigung beim anderen Anbieter. Die Preise liegen im ersten Jahr zwischen knapp 25 und fast 30 Euro im Monat. Danach sind für eine 300 m/bit-Flatrate mit Router gut 45 Euro für 600 m/bit rund 65 Euro zum Beispiel zu zahlen.
Einiges nachgebessert
Bürgermeister Albrecht Kündiger geht beim Spatenstich auch auf die Vorgeschichte ein. „Es gab einige Dinge, die mir nicht gefallen haben. Ich glaube, da haben auch Sie dazu gelernt“, sagt er an die Adresse der Deutschen Giganetz. So seien manche Kundenberater an den Haustüren nicht immer zufriedenstellend aufgetreten. Hier hat die Firma nachgebessert. Auch wurde anfangs an der Marke von 40 Prozent und einem festen Datum dafür festgehalten. Das laufe nun offener. Die Bevölkerung müsse ja erst einmal merken, dass das Angebot da ist, so Kündiger, der noch einmal auf einen Schub hofft. Er weiß aber, dass Beeinträchtigungen beim Bauen nun nicht vermeidbar sind.