Kelkheim: Letzte Ausfahrt "Gagern-Spange"?

Nach dem Aus für die große Umgehung, rückt eine kleinere Straße in den Mittelpunkt. Bürgerinitiative übergibt bereits 1025 Unterschriften gegen Gesamtprojekt "Hornau-West".
Kelkheim. "Endstation für die ,Fischbach-Spange'": So hieß es zuerst in dieser Zeitung. Seitdem sind einige Tage vergangen, Leserbriefe pro und contra gehen ein. Mancher bewundert den Mut der CDU, vor der Kommunal- und Bürgermeisterwahl das Thema und damit eine mögliche Mehrheit für eine große Umgehungsstraße zu begraben. Es habe auch einige kritische Stimmen gegeben, sagt Bürgermeisterkandidat Dirk Hofmann. Doch da müsse die CDU durch. Lieber den Bürgern "reinen Wein" einschenken.
Drei "Ja", ein "Nein", ein Votum offen
Ein sauberes "Getränk" servieren die meisten politischen Gruppierungen vor der Doppelwahl am 14. März auch mit Blick auf eine Alternative: Denn es gibt den Vorschlag für eine kleine Umgehungsstraße, die "Gagern-Spange". Im Gespräch mit dieser Zeitung und danach im Video-Chat hat sich Bürgermeister Albrecht Kündiger klar positioniert: Er werde eine offene "Gagern-Spange" ebenso wie seine UKW nicht unterstützen. Höchstens sei eine Zufahrt zum angedachten Feuerwehrstützpunkt im Gebiet "Hornau-West" denkbar.
Allerdings: Bleiben die Verhältnisse nach der Wahl unverändert, könnte es eine Mehrheit für diese Straße geben. CDU, SPD und Freie Wähler (FW) sind ganz klar dafür, die FDP will Prüfungen abwarten. Die Union hat eine solche Verbindung als erste Fraktion ins Gebiet eingezeichnet, Feuerwehr und Bebauung dazu gruppiert. Sie will das "Gagern-Quartier" und die Straße - erst recht, nachdem sie die "Fischbach-Spange" für nicht realisierbar erklärt hat.
Die SPD und Kandidat Michael Hellenschmidt schreiben die "Gagern-Spange" in ihrem Programm sogar fettgedruckt, sie sei "für einen neuen Feuerwehrstützpunkt unverzichtbar" und werde "den Verkehrsdruck im Bereich Gagernring und Pestalozzistraße verringern und zugleich den Bahnübergang Mitte entlasten". Hellenschmidt glaubt nicht, dass der Verkehr durch diese Verbindung etwa aus Eppstein oder Schloßborn so zunehmen werde.
Die FDP hat die Straße in Kombination mit der "Fischbach-Spange" gefordert. Bürgermeisterkandidat Patrick Falk erklärt die große Lösung jetzt für "tot" und betont: "Das Ding kommt leider nicht, wenn sich die Parteien dagegen stellen." Nicht per se gegen eine "Gagern-Spange" will sich der FDP-Chef nun stellen. Ihm sei es wichtig, den Grünzug im Gebiet "Hornau-West" zu erhalten. Ob eine verträgliche Straße möglich sei, müssten Prüfungen zeigen. Die Frage einer Trassenführung sei noch gar nicht besprochen worden. Vorstellbar ist für Falk die Straße als reine Erschließung für Feuerwehr und Baugebiet, ohne sie dann zu öffnen.
Die Freien Wähler (FW) haben sich neben der UKW früh und klar gegen eine "Fischbach-Spange" positioniert. Ebenso deutlich fordern sie als Alternative nun aber eine "Gagern-Spange", die nicht nur Zubringer sein, sondern als Durchgangsstrecke "fit gemacht" werden solle. In ihrer Zusammenstellung der Parteimeinungen gehen die FW in dieser Sache von einem Konsens mit Ausnahme der UKW schon aus.
Allerdings ist da noch eine Bürgerinitiative, die sich gegen das Gebiet "Hornau-West" samt Straße stellt. Sie hat dem Bürgermeister 1025 Unterschriften übergeben (Text rechts). Kündiger freut sich grundsätzlich über dieses ehrenamtliche Engagement: "Menschen, die für den Erhalt der Umwelt kämpfen, sind immer gut." Dass gar nicht gebaut wird, ist sein Ziel aber nicht. Letztlich müssten solche Projekte aber lieber 20 Mal geprüft werden.
Untersucht hat die Stadt bereits die Auswirkungen einer "Gagern-Spange". Vor genau zwei Jahren hat das Ingenieurbüro Schäpertöns Consult die Ergebnisse einer Studie vorgestellt. Bei 800 maximal möglichen Wohneinheiten in "Hornau-West" wären das rund 3600 zusätzliche Autofahrten am Tag, zudem weitere 200 zur Feuerwehr, plus 40 Lkw-Touren dorthin. Sollte die Straße für alle geöffnet werden, würde das rund 10 700 Autos dorthin locken. Die meisten wiederum würden den Gagernring und die B 8 in Richtung Frankfurt nutzen, was die Innenstadt mit dem Bahnübergang entlasten würde. Die Planer schlugen vor, auf dem Gagernring Tempo 30 einzuführen, um diesen Weg unattraktiver zu machen. Die Variante sollte weiter verfolgt werden, so die Anregung. Insgesamt würde das Projekt aber mehr Verkehr anziehen.
1025 Unterschriften gegen "Hornau-West" und eine neue Straße
Mit zehn Kräften war das Team der Bürgerinitiative gegen "Hornau-West" vor wenigen Tagen vor dem Rathaus angerückt. Das Paket, das sie Bürgermeister Albrecht Kündiger übergaben, war allerdings auch umfangreich: Es umfasst 1025 Unterschriften gegen die Bebauung des Gebietes "Hornau-West", gegen die "Gagern-Spange" in dem Bereich und somit auch gegen einen dort angedachten Feuerwehrstützpunkt.
Zwischen Juni 2019 und dem Frühjahr 2020 seien die Unterschriften bei den Bürgern gesammelt worden, sagt Sprecher Peter Münker dieser Zeitung. Dann kam Corona. Natürlich sind viele Anwohner, wie er auch, darunter. Aber zudem vor allem einige Fischbacher, Kelkheimer und Hornauer, die dieses Areal zwischen dem Gagernring, dem Hühnerberg und der Fischbacher Straße ebenso wie die BI als Naherholungsgebiet erhalten wollen. Er habe gerne gehört, dass sich der Bürgermeister und die UKW jetzt deutlich gegen die "Gagern-Spange" ausgesprochen haben. Doch das reicht er BI nicht. Sie möchte auch keine Bebauung, die sich Kündiger hinter dem Berliner Ring in Nähe der Bahnhöfe Kelkheim und Hornau vorstellen kann. Schon gar keine Einfamilienhäuser sollten es sein, so Münker. "Damit kann man die Wohnungsnot nicht bekämpfen." Wobei die BI noch bezweifelt, dass das Problem so groß ist. Weitere Bewohner brächten weitere Autos und Nutzer einer schlechten Bahnverbindung in die Stadt.
Mit einem neuen Transparent macht die Initiative jetzt am Hühnerberg auf das nächste Problem aufmerksam: "4000+" ist dort groß zu lesen. Es bezieht sich auf die Untersuchung eines Fachbüros, wonach eine offene "Gagern-Spange" mindestens diese Zahl an Fahrzeugen mehr auf den Gagernring und die Kelkheimer Straße in Fischbach bringen würde. Das sei eine "Faktenvermittlung", sagt Münker zum Exoten-Plakat unter all der Parteienwerbung zur Bürgermeister- und Kommunalwahl am 14. März. Auch die Anbindung einer Straße über eine Unterführung an den Gagernring sieht er wegen der erheblichen Steigungen sehr kritisch.
Den Wahltermin und die Folgen daraus will die BI nun abwarten, hat ihre Argumente dafür genannt. Da eine politische Mehrheit für eine Straße möglich und für eine Bebauung sicher ist, denkt die Gruppierung laut Münker schon einen Schritt weiter. Sollte die Lage so bleiben, dann sei ein Bürgerbegehren mit einem Bürgerentscheid als Ziel "im Visier, ganz klar", betont der Sprecher der Gruppe, die nicht nur aus einer Handvoll Mitstreiter bestehe.
Auch zum Feuerwehrstützpunkt hat die BI einige Fragen: Warum seien alternative Standorte, wie zum Beispiel an der Sodener Straße, nicht geprüft worden? Seien Kosten von womöglich 25 Millionen Euro oder mehr überhaupt zu stemmen? Warum seien die Mannschaften der Wehren nicht richtig gefragt worden? Die BI werde nach den Wahlen genau solche Prüfungen fordern, kündigt Münker bereits an.
