Kelkheim: Politik auf Gaspedal bei Tempo-30-Diskussion

CDU will Austritt aus Initiative, Antrag landet aber im Ausschuss.
Kelkheim. Das Parlament am Montagabend dauerte gut 90 Minuten - obwohl es nur wenige Diskussionspunkte und zu wichtigen Themen gar keine Entscheidungen gab. So wies ein Zettel im Eingangsbereich des Rathauses darauf hin, dass die Sondersitzung des zuvor terminierten Haupt- und Finanzausschusses mangels Vorlage ausfalle. Im Klartext: Zur Zukunft des neuen Museums gab es weder Neuigkeiten noch einen Beschluss. Bürgermeister Albrecht Kündiger (UKW) hatte, wie in dieser Zeitung anvisiert, das Papier wegen des weiteren Beratungsbedarfs zurückgezogen, was schon auf deutliche Kritik gestoßen ist (ein Bericht folgt).
Dieses Thema war im Parlament also vom Tisch. Viele weitere Punkte wurden ohne Beratung abgestimmt (Text unten). Und dann schien es, als würde die Versammlung - erstmals nach dem Pandemie-Umzug in die Stadthalle wieder im Plenarsaal - zügig beendet sein. War sie aber nicht, denn das Kelkheimer Haupt-Sorgenkind kam auf den Tisch: der Verkehr. Hintergrund war ein Antrag der UKW, der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ beizutreten. Kündiger hatte im Parlament damals berichtet, der Magistrat habe das bereits umgesetzt, die Stadt sei Mitglied geworden. Kritik kam damals aus dem Plenum, weil es nicht gefragt worden sei - und der Rathauschef räumte diesen Fehler auch ein.
Für die CDU war die Sache nicht erledigt. Sie beantragte nun, gleich wieder aus der Initiative auszutreten, was bundesweit bei 700 beteiligten Kommunen wohl ein Novum gewesen wäre. Der Magistrat hätte den Beratungsverlauf abwarten müssen, „ich sehe in diesem Haus keine Mehrheit dafür“, eröffnete Fabian Beine (CDU) eine intensive Diskussion. Die Sache sei nicht nur formell, sondern auch inhaltlich zu beanstanden. Denn Tempo 30 in Orten auf Eigeninitiative verstärkt einzuführen, der Hintergrund der Initiative, sei nicht immer von Vorteil. Ob im dritten Gang mit 30 oder im vierten mit 50 - beim Lärm ergebe das keinen Unterschied, so Beine und stützte sich auf Untersuchungen. Dafür aber brauche es 25 Prozent mehr Zeit, und es würden somit mehr Schadstoffe ausgestoßen.
Natürlich blieb das Echo nicht aus. UKW-Chefin Doris Salmon hob den Vorteil der Initiative aus ihrer Sicht hervor, dass Kommunen bei einem Erfolg selbst über Tempo 30 entscheiden könnten. Sie zählte erste Orte der Region wie Eppstein, Kriftel, Hochheim und Königstein, auch die Großstädte Frankfurt und Mainz auf, die dabei sind. „Wir wären die Ersten, die austreten“, so Salmon. Es sei „rückwärtsgewandt“, eine Stadt durch Temporeduzierung, wo sie Sinn ergebe, nicht lebenswerter machen zu wollen.
Unmut bei Salmons Städte-Aufzählung
„Diese Diskussion hätten wir wunderbar führen können“, verwies Kalle Debus (SPD) auf den voreiligen Magistrat. Auch FDP-Chef Michael Trawitzki sah das so. Das sei kein guter Vorgang gewesen, hieß es aus den Reihen der Koalition mit der CDU. Debus störte sich daran, dass in der Initiative Tempo 30 die Regel sein soll. „Nur weil ,lebenswerte Städte’ drüber steht, muss man ja nicht beitreten“, schob Beine hinterher. Thomas Horn (CDU) nannte das Ganze eine „Phantomdiskussion“, da es in Kelkheim ja schon kaum noch Tempo 50 gebe. SPD-Chef Michael Hellenschmidt sah bei all dem einen „Sturm im Wasserglas“ und betonte: „Ob man dabei ist oder nicht, da ändert sich für unser Leben nichts.“ Er sei es ja „gewohnt, dass Beschlüsse nicht umgesetzt werden“. Neu sei für ihn, „dass Nicht-Beschlüsse umgesetzt werden“. Mit dem Antrag der CDU müsse das Parlament gestärkt werden.
Und so kam es mit Vollgas zum großen „Tempo-30-Finale“. Ivaloo Schölzel (fraktionslos, Freie Wähler) sprach sich grundsätzlich für mehr Entscheidungsgewalt auf lokaler Ebene aus. UKW-Chef Maximilian Alter betonte, der Bürgermeister als Ordnungsbehörde würde ja nicht willkürlich dieses Limit beschließen, sondern nur dort, wo es „die Lebensverhältnisse verbessern“ kann. Und Salmon zog das letzte Register, um die Mehrheit umzustimmen: Sie fing an, alle 700 Städte aufzuzählen. Laut wurde das Murren im Plenum, die ersten Mandatsträger verließen den Saal. Sie kamen aber rechtzeitig zur Abstimmung zurück. Die UKW hatte zuvor beantragt, das Thema im Ausschuss zu diskutieren. Das bekam die Mehrheit, da einige Vertreter von SPD und FDP fehlten, zwei Sozialdemokraten zudem nicht dagegen stimmten. Der CDU-Antrag muss aber im Parlament erneut auf den Tisch. Möglich, dass Tempo 30 erneut Fahrt aufnimmt.
Geisterhaus vertagt, Zebrastreifen verschoben
Einen Zebrastreifen auf der Pestalozzistraße in Höhe des Fitnesszentrums wünschen sich die Freien Wähler Kelkheim (FWK). Dieser Antrag wurde in der Stadtverordnetenversammlung ebenso in den zuständigen Ausschuss verwiesen wie ein Vorschlag der CDU. Sie will den Blick auf aktuelle städtische Bauvorhaben auf der Homepage ergänzen um die Beschlusslage zur Auftragsvergabe der Gewerke, die Kostenplanung einschließlich Kostenschätzung, Baukosten für die einzelnen Baugruppen sowie die Risikobewertung der Mehrkosten. Beschlossen wurden am Montagabend die Vorschlagsliste für die Wahl der Schöffen für die Jahre 2024 bis 2028 sowie die Abrechnung der Erschließungsbeiträge für das Gebiet „Östlich der Ruppertshainer Straße“ in Fischbach. Zurückgestellt wiederum wurde ein Antrag der FWK, für das von der Stadt erworbene und sehr heruntergekommene „Geisterhaus“ an der Hauptstraße einen Ideenwettbewerb auszuloben. Die FWK waren aktiv mit Vorstößen, wollten auch die Leinenpflicht aufheben lassen. Dazu gab es Diskussionen, aber noch keinen Beschluss (Bericht folgt). wein