Kelkheim: „Überall haben wir großen Schaden hinterlassen“

Land zeichnet Naturschützer Manfred Guder mit Ehrenplakette aus - Auch ohne Posten bleibt er wachsam.
Kelkheim. Nur ein paar Mark haben die Anzeigen vor rund 50 Jahren zum Erhalt der Grünflächen „Sindlinger Wiesen“ in der Stadtmitte und „Bangert“ in Königstein gekostet. „Aber wir haben damit einen Millionenschaden angerichtet - und da bin ich stolz drauf“, sagt Manfred Guder im Brustton der Überzeugung. Jeder an diesem Dienstag im Gartensaal nimmt ihm das ab. Sie kennen Guder als Naturschützer durch und durch, der viele Spuren hinterlassen hat. Es habe keiner so verdient wie er, betonen Hessens Umwelt-Staatssekretär Oliver Conz und Bürgermeister Albrecht Kündiger bei der Verleihung der Ehrenplakette in Gold für Verdienste im Naturschutz.
Er kenne dessen Telefonnummer auswendig, „und wenn ich seinen Namen höre, dann rieche ich noch immer ein bisschen Lösungsmittel“, sagt Conz. Denn zusammen mit Guder hat er beim Bürgerentscheid 1997 für den Erhalt des Rettershof-Geländes und gegen den Bau eines Golfplatzes erfolgreich gekämpft. Da wurden so manche Plakate im Atelier der gelernten Grafikers Guder mit dem Mittel geklebt. „Ohne dich würden Kelkheim, der Main-Taunus-Kreis und die Region ganz anders aussehen“, hebt der ehemalige Kelkheimer Conz hervor und erinnert an Natur-Retter-Projekte auch in Liederbach, Hofheim und Königstein. Er kenne keinen Menschen, der so „unbestechlich und unermüdlich“ sei wie Guder. Es seien Zeiten gewesen, in denen Naturschutz nicht selbstverständlich war, in denen „in Liederbach 40 000 Leute wohnten, Hochhäuser mitten in den Regionalen Grünzug gebaut werden sollten“, erinnert der zweite Mann im Hessischen Umweltministerium. Damals hatten Bürgermeister noch „eine andere Machtfülle“. Umso besser, dass Menschen wie Guder „als demokratische Instanz“ dagegen standen. Seine Frau Karin habe ihn mit motiviert - und er dann andere Leute mitgerissen.
„Da beruht vieles auf der Tätigkeit meiner Frau“, betont denn der Geehrte, während die Gattin später flachst: „Wir teilen uns die Ehrung.“ Sie habe 1972 in der Zeitung von Grundstücksgeschäften in den „Sindlinger Wiesen“ gelesen - das eigene Domizil war betroffen. Wohnraum für 3000 Menschen und eine Durchgangsstraße sollten entstehen, „ohne uns zu informieren“, erinnert Guder. Im „Pfungstädter Stübchen“ kamen rund 50 Betroffene zusammen, eine Bürgerinitiative gegen eine Straße hoch zum Klosterberg machte mit. 2850 Unterschriften gingen ans Regierungspräsidium. Zudem organisierten sie eine Hessische Flächenschutzkarte, die das Gebiet als „unbebaubar geschützt“ einstufte - das RP musste somit die Stadtpläne verbieten.
„Jetzt dürfen wir beide nicht aufhören“, dachte sich der 83-Jährige nach dem Erfolg. Nicht dass es wie heute zu Vorwürfen kommt, die Menschen engagierten sich nur gegen Projekte vor ihrer Haustür. Bei der geplanten Bebauung im „Bangert“ in Königstein kamen zum von den Guders angezettelten Treffen nur vier Leute - doch auch hier sei eine „Welle“ losgetreten worden.
Ihr Meisterstück lieferten Guder und Co. aber am Rettershof ab. Beide Seiten machten mobil, im dicksten Winter bastelte Guder Plakate aus Sperrmüll-Holz, stellte sie bei Eis und Schnee etwa in Eppenhain auf und sorgte sich: „Ich habe keine Hoffnung gehabt, dass die Leute bei der Kälte rausgehen.“ Sie gingen: Die Gegner des Golfplatzes erhielten mit 5722 Stimmen die Mehrheit. Kelkheims erster Bürgerentscheid geht als Triumph der Guders und auch von Oliver Conz („Er war der kluge Kopf, der die Strategie gemacht hat“, so Guder) in die Geschichte ein.
„Es war ein Zufall, dass ich Naturschützer wurde“, sagt er bescheiden. Politisch waren die Guders hingegen nie aktiv. Eigentlich sei alles gesagt, so der Geehrte. Doch seine Frau flüstert ihm noch einen Hinweis zu. Ja, der damalige Umlandverband sei gut aufgestellt gewesen. Der heutige Regionalverband gefällt Guder hingegen nicht immer. Es werde ihm zu wenig Rücksicht auf den Naturschutz genommen und lieber mal unter der Hand eine Absprache getroffen. Guder setzt sich schon lange etwa für eine genauere Darstellung der Flächennutzungspläne ein.
Guders Bild einer Kuh, die beim Rettershof-Streit einen Golfer abblitzen lässt, macht bei der Ehrung die Runde. Und Mitstreiter Willi Westenberger betont: Sein Freund habe alle Aktivitäten stets „deeskalierend“ vorangetrieben - sonst wäre auf dem Bild statt der Kuh wohl ein Stier zu sehen gewesen. Das kann der Bürgermeister nur unterstreichen. So mancher Naturschützer „spielt heute gerne mit erhobenem Zeigefinger den Besserwisser“, weiß Kündiger. So sei Guder aber nie gewesen. „Du hast glaubwürdig die gute Sache verkörpert.“ Beim Kampf gegen den Weiterbau der B 8 stritten beide Seite an Seite. Ohne Guder wären die „Sindlinger Wiesen“ und der Rettershof heute womöglich nicht zwei Aushängeschilder der Stadt. Naturschützer seien damals auch ein bisschen belächelt worden.
Inzwischen haben sich die Ansichten geändert, Guder trifft mit seinen Anliegen mehr und mehr den Zeitgeist. Auf Kelkheim sieht er beim Gebiet „Hornau-West“ schon den nächsten Bürgerentscheid zukommen. „Die werden gewinnen“, ist er optimistisch, hält sich aber im Hintergrund. Seine alten Mitstreiter ziehen trotzdem alle Hüte. Im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) war Guder lange Chef im Kreis. Zu seiner Ehrung ist der Landesvorsitzende Jörg Nitsch gekommen. Beide haben schon vor 40 Jahren gegen den Bau der Startbahn West geackert. „Er ist einer unserer ganz alten Kämpen“, lobt Nitsch. Es sei gut, wenn Menschen an Themen dran bleiben und „nicht nur Strohfeuer entfachen“. Ein solch hartnäckiger Geist ist Guder noch heute. Auch die Ehrung wird ihn sicher nicht ruhiger machen.