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Königstein/Ruppertshain: Inniges Gedenken an der Absturzstelle des Vaters

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Anthony Hagen (re.) enthüllte im Beisein seiner Familie mit Thomas Zellhofer die Info-Tafeln am Steinkopf, die an das Schicksal seines Vaters und der beiden Airforce-Piloten erinnern.
Anthony Hagen (re.) enthüllte im Beisein seiner Familie mit Thomas Zellhofer die Info-Tafeln am Steinkopf, die an das Schicksal seines Vaters und der beiden Airforce-Piloten erinnern. © Jens Priedemuth

75 Jahre nach „Rosinenbomber“-Unglück: Gedenkstätte aufgewertet - Familie eines Opfers besucht Steinkopf

Königstein/Ruppertshain. „Ich fühlte mich wie ein knochenloses Mülltier, das sich nicht bewegen kann. Ich hatte ein körperliches Gefühl der Angst. Nach diesen ersten Momenten des scharfen Bewusstseins war es so, als hätte mein ganzes Wesen beschlossen, gegen dieses Wissen zu rebellieren.“ Es sind bewegende Worte, in die Yvonne Hagen rückblickend an jenen Moment fasste, in dem ihr ein Nachbar vor 75 Jahren die tragische Nachricht vom Tod ihres Mannes überbrachte. Karl Viktor Hagen war mit den Piloten First Lieutenant George B. Smith und First Lieutenant Leland V. Williams am späten Abend des 8. Juli 1948 beim Absturz ihrer C 47 am Steinkopf ums Leben gekommen. Die drei Männer sollten die Ersten sein, die ihren Einsatz für die Berliner Luftbrücke mit dem Leben bezahlten, sie blieben nicht die Letzten (Text rechts).

Yvonne Hagen, damals im siebten Monat schwanger, verlor in dieser Nacht nicht nur ihren Mann, sondern auch den Vater ihrer sechsjährigen Tochter Nina und des noch ungeborenen Sohnes Anthony. Der stand jetzt gemeinsam mit seiner mittlerweile 81 Jahre alten Schwester erstmals an der Stelle, an der sein Vater 1948 ums Leben gekommen war. Auf Einladung des Vereins „Stimme für Ruppertshain“ waren die Geschwister aus ihrer Heimatstadt New York in den Taunus gekommen, um an der Enthüllung neuer Gedenktafeln teilzunehmen, die Spaziergänger darüber informieren, was sich hier vor 75 Jahren zugetragen hat.

Begleitet wurde Anthony Hagen von seiner Frau Linley, seine Schwester nahm mit Tochter Sophie Malholm an der Feierstunde teil. Komplettiert wurde das Familientreffen durch den aus Oslo stammenden Hartmut List, den Ehemann einer weiteren Tochter von Yvonne Hagen, mit seiner Tochter Josie Hagen-List.

Ein „sehr emotionaler Moment“

„Die Tafeln gefallen mir sehr gut, sie sind überaus informativ und eine würdevolle Erinnerung an die Opfer. Mein Vater war damals als Zivilist für das US-Schatzamt an Bord und sollte eine große Menge an Bargeld nach Berlin bringen“, erzählte Anthony Hagen. Am Vormittag waren er und seine Familie bereits am Luftbrücken-Denkmal am Frankfurter Flughafen. Hagen: „Dort konnte wir auch eine Dakota C 47 besichtigen und an Bord gehen. Das war schon ein sehr emotionaler Moment für mich.“

Nicht ganz so weit wie für die Mitglieder der Hagen-Familie war die Anreise für Hans und Dyna Göllert sowie Michael Stanne. Die drei Gäste waren als Vertreter der Siedlungsgemeinschaft Williamsville in den Taunus gekommen. Was nach einem Ort im tiefsten Texas klingt, ist ein Stadtteil in Erding, in dem heute 1000 Menschen zu Hause sind. Ihren Namen verdankt die Siedlung First Lieutenant Leland V. Williams, einem der beiden am Steinkopf ums Leben gekommenen Airforce-Piloten, der nach dem Krieg bei Erding stationiert war.

Zu der stimmungsvollen Feier kamen neben den Ehrengästen auch über 50 Besucher. Darunter der mittlerweile 94 Jahre alte Fritz Bohm, ein Ohrenzeuge des Absturzes. „Ich stand an meinem Schlafzimmerfenster und blickte gerade in Richtung Steinkopf, als ich plötzlich den Aufschlag und die Explosion der Maschine hörte“, berichtete Bohm vom Geschehen vor 75 Jahren.

Königsteins Bürgermeister Leonhard Helm erinnerte an die besondere Bedeutung der Luftbrücke. „Das war ein politisch wichtiger Akt, der eindrucksvoll belegte, dass Berlin von unseren amerikanischen Freunden nicht verloren gegeben werden würde“, machte er deutlich. „Dafür haben Menschen ihr Leben aufs Spiel gesetzt, die zum Teil noch ein paar Jahre zuvor auf der anderen Seite gekämpft haben. Aus meiner Sicht war die Luftbrücke auch ein Baustein zur deutschen Wiedervereinigung.“ An der Gedenkstätte selbst erinnert auf dem Gipfel des Steinkopfes ein großes Holzkreuz an den verhängnisvollen Absturz. Als massives Fundament dienen vor Ort gesammelte Natursteine, die zu einem Hügel aufgeschüttet wurden. Mittig ist eine Sandsteintafel mit den Namen der Verunglückten fixiert.

Der Verein „Stimme für Ruppertshain“ um den Vorsitzenden Thomas Zellhofer hat sich mit der Stadt Königstein für eine Aufwertung der Stelle stark gemacht. Nun stehen zwei erste Informationstafeln am Kramer- und Viktoriaweg. Auf dem Steinkopf wurden der Steinhaufen und des Holzkreuz saniert, eine saisonale Bepflanzung soll möglich sein, es gibt zwei kleine Infotafeln und vor allem eine Ruhebank.

Der 8. Juli 1948

Nach dem Start in Erbenheim am Abend des 8. Juli 1948 gelang es den Piloten wegen des sehr hohen Startgewichts durch die geladenen Versorgungsgüter nicht, schnell ausreichend an Höhe zu gewinnen. Hinzu kam, dass sich die Crew in der Dunkelheit nicht genau über ihre Flughöhe im Klaren war. So streifte der Flieger die Baumwipfel und stürzte gegen 23 Uhr am Steinkopf ab. Es war der erste tödliche Unfall nur wenige Tage nach dem Start der Luftbrücke. Die Tafeln erinnern in englischer und deutscher Sprache an den Absturz, zudem an den Piloten Gail Halvorsen.

Gedicht von Lyrikerin Gila Gordon aus Ruppertshain:

Drei Amerikaner in der C 47 Überbeladen statt drei Tonnen Fracht

Spät gen Berlin - den Westsektoren - die Abgeschnitten durch russische Macht

Drei Amerikaner auf Luftbrückenstrecke Unermüdlich starten die Retter Stiegen empor im Minutentakt Ins regenlos warme Julinachtwetter

Julinachtwetter

Drei Amerikaner - doch kein Navigator

Taunus als Route - Irrtum - fatal

Höhenverschätzt - dann blitzschnell der Aufprall

Brennendes Wrack himmelhell als Fanal

Drei Amerikaner lassen ihr Leben

- Etliche mehr im Blockadejahr -

Einiges Deutschland hätt’s kaum gegeben

Unwirklich? Nein - gewisslich wahr.

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