1. Startseite
  2. Region
  3. Main-Taunus
  4. Kelkheim

Ruppertshain: Als die Sänger das Alte Rathaus retteten

Erstellt:

Von: Frank Weiner

Kommentare

Fachwerk und kleines Türmchen: Das Alte Rathaus ist ein markantes Gebäude im Ort.
Fachwerk und kleines Türmchen: Das Alte Rathaus ist ein markantes Gebäude im Ort. © wein

Vor 40 Jahren wurde die Zukunft des Gebäudes gesichert - Erinnerung beim Wäldchesfest.

Ruppertshain. Der ehemalige Vorsitzende Norbert Michel stimmt gerne zu, wenn Außenstehende die Sängervereinigung Alemania-Concordia als „Retter des Alten Rathauses“ bezeichnen. Denn zu diesem Schluss kommen Beobachter beim Blick in die Chronik. Genau 40 Jahre ist es her, da hat der Verein das ehemalige Verwaltungsgebäude am 1. Mai 1983 unter seine Fittiche genommen. Eigentümer ist die Kommune - aber die Kümmerer, von der Nutzung über Reparaturen und Hausmeisterdienste, sind die Sänger. Sie laden für Sonntag, 28. Mai, wieder rund ums Gebäude zu ihrem Wäldchesfest (Text rechts unten) ein und werden dort auch auf 40 Jahre Rettung des Rathauses eingehen.

1888/89 gebaut, bis 1980 Verwaltungssitz

Vor allem hat der Verein eine Tradition im Bergdorf bewahrt. Denn schon 1888/89 wurde das Alte Rathaus in der Ortsmitte als einklassiges Schulhaus gebaut. Von 1910 bis 1971 erfüllte es dann für das Dorf die Funktion, die es heute im Namen trägt. Bis 1976 war es das Rathaus der Gemeinde Rossert, dem Zusammenschluss Ruppertshains mit Nachbar Eppenhain. Die folgenden vier Jahre diente es nach der Eingemeindung zu Kelkheim noch als Außenstelle der Stadtverwaltung. Dann stand das Fachwerkgebäude mit Türmchen einige Zeit leer.

„Was wird aus dem alten Rathaus?“, hieß es 1980 in einem Bericht dieser Zeitung. Und im Untertitel stand: „Ruppertshainer Sängervereinigung meldet Ansprüche an“. Einige CDU-Stadtverordnete hatten sich laut Bericht deutlich geäußert: „Das Ding muß abgerissen werden.“ Michel erinnert sich, dass es für Parkplätze weichen sollte. Nach den Sommerferien wollte die Politik eine Entscheidung treffen. Der damalige Sängerchef hatte im Text das schon 1978 geäußerte Interesse bekräftigt: „Wir wollen - wenn möglich - allein in dieses Haus.“ Denn die Gruppe war deutlich gewachsen. 1980 wurde der Frauenchor von 66 Damen gegründet, zudem waren gut 40 Männer aktiv. Zwar probte die Alemania-Concordia im Saal des Gasthauses „Zur Rose“, hatte dort ihr Vereinsheim - doch Michel und Co. hatten mittelfristig schon eine andere Bleibe im Blick.

Der Ex-Chef, noch heute im Verein im Hintergrund aktiv, erinnert sich genau an das Angebot der Stadt: Wer sich hier im Alten Rathaus aktiv einbringe, dürfe es auch nutzen. So hätten alle anderen Gruppen einen Rückzieher gemacht - die Sänger bleiben alleine übrig, was ja ihr Wunsch gewesen sei, sagt Michel, der die Chronologie zu 40 Jahren im Alten Rathaus festgehalten hat. Anfang 1983 hieß es in dieser Zeitung: „Die Sänger von Alemania-Concordia verstehen sich auch im Handwerk gut“. Die Stadt hatte 100 000 Mark für die Sanierung zur Verfügung gestellt, der Verein übernahm die Verkleidung einer Decke, die Maler- und Tapezierarbeiten und die Verlegung des Bodens selbst. So ließ sich einiges sparen - und die Sänger identifizierten sich noch stärker mit der Immobilie. Ein großer Vereinsraum mit gut 60 Quadratmetern entstand. Auch wurden die Toiletten erneuert.

In einem Vertrag hielten die neuen Partner alles genau fest. So sollten die Sänger das Alte Rathaus anderen Vereinen aus Ruppertshain und Eppenhain schon für Veranstaltungen zur Verfügung stellen. Mit der Übergabe durch die Stadt vor 40 Jahren begann das neue Kapitel offiziell. 1989/90 ließen die Sänger den Ausbau des Kellers folgen. Doch es zogen kurz darauf noch einmal dunkle Wolken auf. Wieder diese Zeitung berichtete von einem „Sängerkrieg“ ums Alte Rathaus.

Was war passiert? Der Magistrat der Stadt hatte entschieden, dass die Musikschule Eppstein-Rossert das Haus an drei Tagen mehrere Stunden nachmittags für ihren Unterricht nutzen dürfe. Dem Verein, der sich um alles gekümmert und den Raum auch anderen Gruppen für einzelne Termine gerne geöffnet hatte, gefiel diese Dauernutzung gar nicht. Es gab einen intensiven Schriftwechsel - an dessen Ende Bürgermeister Winfried Stephan laut Michel ein Machtwort sprach und entschied: Das Rathaus bleibt komplett in den Händen der Sänger. Das wurde später in einem zweiten Vertrag auch deutlich gemacht. Vereinzelte Ausnahmen seien aber weiterhin möglich, betont Michel.

„Sängerkrieg“ wegen Idee zu Zweitnutzung

Im Rückblick ist der ehemalige Vorsitzende froh, wie es gekommen ist: „Das war von unserer Seite der richtige Schritt.“ Aktuell sei am und im Gebäude auch alles ordentlich in Schuss. Und wenn es doch mal Probleme geben sollte, packen die Handwerker unter den Sängern sicher gerne wieder an. Auch Bürgermeister Albrecht Kündiger ist froh, dass dieses wichtige Gebäude erhalten wurde und sich die Mitglieder so engagieren. Das Haus sei ja für den Ort prägend.

Selbst wenn es bei je gut 15 aktiven Frauen und Männern nicht mehr so intensiv genutzt wird wie früher - für die Sängervereinigung Alemania-Concordia ist es längst zur Heimat geworden. Und der Verein wolle jetzt die Mitglieder-Werbetrommel rühren, kündigt Michel an - um es wieder mehr mit Leben zu füllen.

Wäldchesfest am Sonntag mit Apfelweinkönig

Die Sängervereinigung Alemania-Concordia feiert an Pfingsten ihr Wäldchesfest. Nun haben die Ruppertshainer Sänger den Pfingstsonntag, 28. Mai, von 12 bis 20 Uhr dafür auserkoren. Die Veranstaltung ist vor dem Vereinsheim „Altes Rathaus“ sowie gegenüber im Hof beim Obst- und Gemüsemarkt Lerch. Natürlich werden sich der Frauenchor und die Männer, die mit dem MGV Fischbach singen, präsentieren. Zudem steht die Wahl des 11. Apfelweinkönigs von Ruppertshain auf dem Programm. Und eine Präsentation zu 40 Jahren Vereinsheim soll es geben. Für Speisen und Getränke wird gesorgt - unter anderem mit original Thüringer Bratwürsten, einem Festbier sowie Kaffee und Kuchen im Vereinsheim. Die Frauen proben übrigens immer mittwochs um 18 Uhr im Alten Rathaus, die Männer montags um 20 Uhr - in ungeraden Monaten im Bürgerhaus Fischbach, in geraden im Alten Rathaus Ruppertshain.

Auch interessant

Kommentare