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Wie der Bundestag ein Pfeiler der Demokratie

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Norbert Altenkamp, Beate Matuschek, Dirk Hofmann und Kordula Schulz-Asche (v. l.) mit den Plaketten der Demokratie-Orte.
Norbert Altenkamp, Beate Matuschek, Dirk Hofmann und Kordula Schulz-Asche (v. l.) mit den Plaketten der Demokratie-Orte. © wein

Stadt für Initiativen um die Gagern ausgezeichnet.

Hornau -Für einen kurzen Moment gerät das Kelkheimer Zentrum für Demokratie mit der Martinskirche, Gagernhaus und Platz ins Wanken. Denn das Werbebanner zur Ausstellung „Demokratie weiter denken“ wackelt vor der Alten Kirche bedenklich im Wind. Aber es fällt nicht. Die Bundestagsabgeordneten Kordula Schulz-Asche und Norbert Altenkamp, Kelkheims Erster Stadtrat Dirk Hofmann, Kulturamtsleiterin Beate Matuschek, Stadtarchivar Julian Wirth und Torsten Weigelt, Autor des Buches „Gagern - Pioniere der deutschen Demokratie“, schauen erleichtert zu. Von einem Windstoß ist eine starke Demokratie dann doch nicht so leicht aus den Angeln zu heben.

Das Quintett sieht den kurzen Moment auch symbolisch. Altenkamp und Schulz-Asche sind als heimische Repräsentanten des Bundestags zur Präsentation von wichtigen Plaketten gekommen. Kelkheim wird Teil der „Orte der Demokratiegeschichte“ - und tritt damit in einen erlauchten Kreis mit dem Deutschen Bundestag, der Wartburg oder der Frankfurter Paulskirche. Gut 200 solcher Stätten gibt es im Land - die Möbelstadt ist die erste aus dem Main-Taunus-Kreis. „Das ist optisch keine Riesenaktion“, sagt Hofmann und zeigt auf die drei kleineren quadratischen Plaketten, „aber symbolisch“. Die Übergabe mit zwei bekannten Politikern mache die Stadt „sehr, sehr stolz“, so der Erste Stadtrat. Kulturamtschefin Matuschek ist ebenso stolz, „dass wir als kleine Stadt so viel Beachtung finden“.

Dafür haben die Kelkheimer aber in den vergangenen 25 Jahren eine Menge geleistet. Zum 150. Jahrestag der ersten Nationalversammlung in der Paulskirche war 1998 Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth gekommen und hatte die Gagernanlage eingeweiht. Es war der Ausgangspunkt einiger Initiativen, um die Familien von Gagern, die auf dem Hornauer Hofgut zum Teil ihr Zuhause und ihren Treffpunkt hatte, als Wegbereiter der Demokratie zu würdigen. 2007 wurde dann die Bronzetafel zum „Staufenschwur“ in Fischbach eingeweiht, 2009 die ersten von später 21 Informationstafeln des Gagernrundweges installiert - „wissenschaftlich fundiert“, wie Matuschek betont.

Summe der Aktionen wird nun gewürdigt

Dann kam 2023, das Jubiläum 175 Jahre Paulskirche. Kelkheim war früh dabei, ließ die Gagerngräber auf dem Hornauer Friedhof restaurieren, einen Film über drehen, ein Theaterstück um Michael Quast inszenieren und unterstützte Weigelts Buch-Projekt. Höhepunkte waren der Festakt in der Martinskirche, der „kleinen Paulskirche“, so Matuschek, mit Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und deren Eröffnung der Ausstellung „Demokratie weiter denken“. All das hat die Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte nun mit der Aufnahme in die Deutschlandkarte der bedeutenden Orte honoriert. Die Tafeln werden demnächst an den historischen Stellen angebracht.

Altenkamp und Schulz-Asche sind beeindruckt von den Initiativen der Stadt. „Ohne Engagement kann Demokratie nicht leben“, schreiben sie ins Gästebuch. Der Bad Sodener freut sich im kurzen Rückblick über die deutliche Wiederwahl von Landrat Michael Cyriax am Sonntag. „Ich bin aber enttäuscht, dass sich 71 Prozent dafür nicht interessiert haben“, sagt er zur schlechten Wahlbeteiligung und fügt sofort an: „Der größte Feind der Demokratie sind keine Populisten, sondern ist die Gleichgültigkeit.“ Schulz-Asche aus Eschborn würdigt die Leistung der Brüder Heinrich, Max und Friedrich von Gagern vor 175 Jahren: „Da gehörte noch mal mehr Mut dazu, Politik zu machen gegen einen Obrigkeitsstaat.“ Das hätten sie manchmal gegen den Widerstand des Vaters getan, weiß Weigelt. Im Kuhstall von Hornau seien zwischen Hans Christoph und Heinrich schon mal „die Fetzen geflogen“.

Die Initiativen der Stadt sind mit der Verleihung der Plakette nicht beendet. Matuschek kündigt einen Film in der Nachbetrachtung an mit den Kelkheimer „Sehenswürdigkeiten“ zur Demokratiegeschichte. Denn die Gesellschaft plant eine Deutschland-Route für Wanderer und andere Ausflügler, die touristisch beworben werden soll. Die Ausstellung in der Alten Kirche läuft ja noch bis zum 25. Juni. Am Samstag mit Weigelt und Sonntag mit Wirth stehen jeweils um 15 Uhr eine Buchvorstellung sowie eine Führung an. Die Politik wird auch in der nächsten Ausstellung des Museums allgegenwärtig sein: unter dem Titel „Zugespitzt - die Kanzler in der Karikatur“ vermutlich dann Anfang 2024.

200 Orte auf Landkarte

Ziel der Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“ ist es, „die Wahrnehmung der deutschen Demokratie- und Freiheitsgeschichte lokal, regional und deutschlandweit zu fördern und darüber demokratische Teilhabe und Zivilcourage anzuregen“, wie der das Projekt tragende Verein „Weimarer Republik“ betont. Unterstützt wird diese Initiative auch vom Bund.

Herzstück der AG ist eine „Deutschlandkarte der Demokratie“ oder auch die Liste von A wie Alexanderplatz und Abgeordnetenhaus Berlin bis Z wie Zeitgeschichtliches Forum Leipzig und Zionskirche Berlin. Mit sehr bekannten Orten wie der Wartburg, Schloss Bellevue, Hambacher Schloss und eher unbekannten Stätten wie der Kramerzunft Memmingen oder dem Freiheitsbaum Frankenthal. Mit dabei ist aus der Region ist noch das „Haus der Länder“ in Königstein. Das Hambacher Manifest von 2016 ist das Gründungsdokument der AG.

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