Neuer Prozess gegen den Todesfahrer von Silke Thielsch

Ab 12. Januar wird vor dem Frankfurter Landgericht das Verfahren neu aufgerollt. Es stehen bereits zehn Verhandlungstermine fest.
Kriftel -Fast sechseinhalb Jahre nach dem furchtbaren Geschehen auf einem Zebrastreifen nahe der Konrad-Adenauer-Schule soll im Januar nun endlich der zweite Prozess gegen den Todesfahrer von Silke Thielsch beginnen. Wie jetzt auf Nachfrage das Landgericht Frankfurt bestätigte, wird ab Mittwoch, 12. Januar, um 9.30 Uhr, vor der 22. Strafkammer unter der Leitung des Vorsitzenden Richters Jörn Immerschmitt der Prozess neu aufgerollt. Die Termine von neun weiteren Prozesstagen stehen bereits fest.
Langes Warten auf das zweite Verfahren
Immerhin sind auch fast drei Jahre vergangen, seit der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe im April 2019 das erste Urteil des Frankfurter Landgerichts kassiert hatte. Mit großer Spannung und auch Erwartung werden viele Krifteler, Sportkameraden und Freunde, aber vor allem die Angehörigen nun das zweite Verfahren gegen den inzwischen 32-jährigen Mann begleiten, der die beliebte Marxheimerin angefahren und mehrere Hundert Meter mitgeschleift hatte. Für die 41-Jährige kam nach der grausamen Todesfahrt jede Hilfe zu spät.
Am 6. September 2015 stand die Team-Managerin der Damen-Handballmannschaft der Turn- und Sportgemeinde (TuS) nach dem Besuch eines Hoffestes mit ihrem Lebensgefährten an einem Zebrastreifen der Straße "Auf der Hohlmauer". Das Paar küsste sich. Der damals 26 Jahre alte Fahrer eines Mercedes hatte zunächst an dem Überweg angehalten. Der Lebensgefährte von Silke Thielsch signalisierte ihm, er solle doch um sie herumfahren. Doch "aus Verärgerung darüber, dass das Pärchen sich küsste", so die Staatsanwaltschaft Frankfurt im Dezember 2016 in ihrer Anklageerhebung, sei der Student mit seinem Mercedes kurz angefahren und habe etwa zwei bis drei Meter vor dem Paar sofort wieder angehalten. Als die beiden sich dennoch nicht von der Straße entfernten, soll der Rüsselsheimer "mit seinem Wagen unter billigender Inkaufnahme auch tödlicher Verletzungen unvermittelt auf sie zu gefahren sein", erklärte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen.
Während ihr Lebensgefährte stürzte, wurde Silke Thielsch auf die Motorhaube geschleudert. Trotzdem fuhr der junge Mann weiter und durch den Kreisel. Die blonde Frau rutschte unter das Auto und wurde von dem Pkw noch mehr als 400 Meter bis hinter die Kreuzung mit der L 3011 mitgeschleift. "Sie erlitt Verbrennungen sowie großflächige Abschürfungen und verstarb letztlich infolge einer anhaltenden Kompression des Brustkorbs durch Ersticken", formulierte damals die Oberstaatsanwältin in der Anklageerhebung, die auch in dem neuen Prozess ihre Gültigkeit behält, so ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Frankfurt.
Bedingter Tötungsvorsatz?
Die 21. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt hatte den Mercedes-Fahrer im Februar 2018 zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt - wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Sechs Jahre und sechs Monate wegen Totschlags, versuchten Totschlags und Gefährdung des Straßenverkehrs hatte damals die Staatsanwaltschaft gefordert. Die Verteidigung des Angeklagten hatte hingegen eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren für tat- und schuldangemessen gehalten. Es handle sich um Körperverletzung in minderschwerem Fall mit Todesfolge, hatten die Verteidiger argumentiert, die wie die Staatsanwaltschaft gegen das Urteil Revision einlegten.
Am 25. April 2019 hatte der Bundesgerichtshof in Karlsruhe das Urteil des Landgerichts aufgehoben. Die Richter in Karlsruhe gaben im Wesentlichen dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt, die ein höheres Strafmaß für den Rüsselsheimer gefordert hatte. Die Richter des BGH hatten ihren Kollegen von der 22. Strafkammer bei der nun anstehenden Neuauflage des Verfahrens mit auf den Weg gegeben, genau abzuwägen, ob das Verhalten des Angeklagten vorsätzlich oder fahrlässig gewesen sei. Der Mercedes-Fahrer habe bemerkt, dass die 41-Jährige nach einigen Metern von der Motorhaube gerutscht war, waren die Karlsruher Richter überzeugt. Obwohl die beiden Mitfahrer im Auto geschrien und den Angeklagten aufgefordert hatten, sofort anzuhalten, sei dieser weitergefahren und habe sogar noch beschleunigt.
Dass die 21. Strafkammer des Frankfurter Landgerichts einen bedingten Tötungsvorsatz in ihrem Urteil abgelehnt hatte, weil nicht erwiesen sei, dass der Angeklagte das Mitschleifen wahrgenommen habe, hielten die Richter des BGH für "lückenhaft". Das Landgericht hätte sich vielmehr mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob dem Angeklagten "der als möglich erkannte Eintritt des Todes von Silke Thielsch gleichgültig war". In der Neuauflage des Prozesses wird es deshalb um die Frage gehen, ob bei der Todesfahrt des Angeklagten von einem bedingten Tötungsvorsatz auszugehen ist.